Entscheidungsstichwort (Thema)
Taxiunternehmen, Schätzungsbefugnis, Aufbewahren der Schichtzettel, Höhe der Schätzung
Leitsatz (redaktionell)
1) Bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Betrachtung ist die Finanzbehörde zu einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen eines Taxiunternehmers gemäß § 162 AO befugt, wenn dieser keine ordnungsgemäßen Schichtzettel führt oder aufbewahrt und zudem Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Laufleistung der Taxis manipuliert wurde.
2) Schichtzettel sind ausnahmsweise nur dann nicht aufzubewahren, wenn deren Inhalt täglich unmittelbar nach Auszählung der Tageskasse in ein Kassenbuch übertragen wird (Anschluss an BFH, Beschluss v. 25.10.2012 - X B 133/11, BFH/NV 2013, 342).
3) Die Höhe der Hinzuschätzung begegnet ernsthaften rechtlichen Zweifeln, wenn das Finanzamt aus den Verhältnissen eines nicht streitbefangenen Jahres anhand einer Stichprobe für einen abgekürzten Zeitraum auf die Laufleistung aller Taxen in den Streitjahren schließt und bei der Schätzung auf eine interne Datensammlung der Finanzverwaltung zurückgreift, deren Kennzahlen von einem finanzgerichtlich anerkannten Gutachten abweichen.
4) Die Höhe der Hinzuschätzung ist anhand Laufleistung, Umsatz pro km, Kraftstoffverbrauch und Lohnzahlungen an die Fahrer realitätsgerecht zu ermitteln.
Normenkette
AO §§ 162, 147 Abs. 1, Abs. 3
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten – nach Abtrennung des Verfahrens wegen Umsatzsteuer 2011 – noch über die Rechtmäßigkeit von Hinzuschätzungen in den Streitjahren 2009 und 2010 und wegen Lohnsteuerhaftung 2009 bis 2011 nach einer Steuerfahndungsprüfung im Betrieb der Antragstellerin.
Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts und betrieb in den Streitjahren in E ein Taxiunternehmen. Die Gesellschafter sind jeweils zur Hälfte beteiligt. Die Antragstellerin verfügte über drei Konzessionen, die sie samt Fahrzeugen mit Vertrag vom 19. Januar 2009 erworben hat.
Für das Streitjahr 2009 reichte die Antragstellerin ihre Einnahmen-Überschussrechnung und die Feststellungserklärung zur gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung im Januar 2011 beim Antragsgegner ein. Sie erklärte für das Streitjahr 2009 einen Gewinn in Höhe von 841,88 EUR. Die umsatzsteuerpflichtigen Betriebseinnahmen zum Steuersatz von 7% laut Erklärung betrugen 133.405,58 EUR netto.
Für das Streitjahr 2010 reichte die Antragstellerin ihre Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung des Gewinns am 15. Februar 2012 beim Antragsgegner ein und erklärte einen Verlust in Höhe von ./. 226,35 EUR. Die umsatzsteuerpflichtigen Betriebseinnahmen zum Steuersatz von 7% laut Erklärung betrugen 155.003,57 EUR netto.
Mit den eingereichten Erklärungen zur einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung der Streitjahre 2009 und 2010 reichte die Antragstellerin auch entsprechende Gewerbesteuererklärungen beim Antragsgegner ein.
Für beide Streitjahre ergingen zunächst keine Feststellungsbescheide.
Am 17. November 2011 begann das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung E mit einer Steuerfahndungsprüfung bei der Antragstellerin. Im Bericht über die steuerlichen Feststellungen im Rahmen der Fahndungsprüfung vom 31. August 2012 traf die Fahndungsprüferin folgende Feststellungen:
Die Antragstellerin habe ihre täglichen Einnahmen nicht ordnungsgemäß aufgezeichnet. Sie habe keine täglichen Aufzeichnungen in Form von ordnungsgemäßen und vollständigen Schichtzetteln vorlegen können. Die Einnahmen seien in Halbmonatsberichten und Monatsberichten aufgezeichnet worden, in denen die Fahrer lediglich summenmäßige Angaben gemacht hätten, an welchen Tagen sie gefahren, wie hoch die jeweils gefahrenen Kilometer gewesen seien und welche Beträge Sie an den einzelnen Tagen eingenommen hätten. Betriebsausgaben seien in den Berichten der Fahrer für Tank- und Waschrechnungen aufgelistet worden. Die Einnahmen seien dann von der Antragstellerin in einer Monatstabelle für jeden Fahrer wochenweise aufgelistet worden. Die von den Fahrern gefertigten Aufzeichnungen seien nicht vorgelegt worden.
Die Taxen seien mit angestellten Fahrern besetzt gewesen. Anhand der vorgelegten Monatsaufzeichnungen sei ermittelt worden, dass z.B. im Monat März 2009 und im Monat September 2009 sowie im Jahresdurchschnitt die Taxen der Antragstellerin nicht einmal im Einschichtbetrieb eingesetzt worden sein sollten. Dies habe selbst an umsatzstarken Tagen wie im Karneval 2009 gegolten, für die nur durchschnittlich 1,16 Schichten pro Tag angesetzt worden seien. Die Aufzeichnungen der Antragstellerin seien daher nicht glaubhaft.
Zudem hätten Daten, die beim Taxi-Ruf E für den Zeitraum vom 1. Juli 2011 bis zum 30. Oktober 2011 erhoben worden seien, ergeben, dass nahezu sämtliche Fahrzeuge in einem Zweischichtbetrieb und fast sogar in einem Dreischichtbetrieb unterwegs gewesen seien. Dies ergebe sich aus den Uhrzeiten der vermittelten Fahrten für den Zeitraum Juli 2011. Es seien im Juli 2011 insgesamt nur 70 Schichten gebucht word...