Entscheidungsstichwort (Thema)
Amtsveranlagung; Antragsveranlagung; Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Veranlagungsfrist; echte Rückwirkung
Leitsatz (redaktionell)
Der Senat wendet sich mit folgender Vorlagefrage an das BVerfG: Das vorlegende Gericht hält § 52 Abs. 55j EStG i.d.F. des Art. 1 Nr. 43 lit. w des JStG 2007 für verfassungswidrig. Es sieht in der Erweiterung des Anwendungsbereiches der Neuregelung zu § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG durch das JStG auf Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2004 einen Verstoß gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abzuleitende Verbot der Rückbewirkung von Rechtsfolgen
Normenkette
EStG § 46 Abs. 2 Nr. 8 S. 2, § 52 Abs. 55j, § 46 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte die Veranlagung der Kläger zur Einkommensteuer für das Jahr 2000 zu Recht wegen Versäumung der Zweijahresfrist abgelehnt hat.
Der Kläger ist Betriebswirt und war als leitender Angestellter bei Unternehmen der Versicherungsbranche tätig. Bis Ende 2000 bewohnten die Kläger ein ihnen gehörendes Wohnobjekt in der Stadt B (Bundesland C). Die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit beliefen sich für 1997 auf rd. 170.000 DM, für 1998 auf rd. 150.000 DM und für 1999 auf rd. 215.000 DM. Ihre Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1997 bis 1999 gaben sie beim damals zuständigen FA G ab. Dieses führte die Veranlagung der Kläger für die Jahre 1997 und 1998 mit Vermietungsverlusten von über 50.000 DM bzw. 20.000 DM zur Einkommensteuer durch.
Im Zuge eines Arbeitsplatzwechsels verzogen die Kläger Ende des Jahres 2000 in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Das ihnen gehörende Wohneigentum in der Stadt B, H-Str. veräußerten sie mit notariellen Vertrag vom 10. November 2000. Die Einkommensteuererklärung für das Jahr 1999 übersandten die Kläger im März 2001 an das FA G, welches die Steuererklärung noch im gleichen Monat an den wegen des Wohnsitzwechsels zwischenzeitlich für die Einkommensteuerveranlagung der Kläger zuständig gewordenen Beklagten weiterleitete (vgl. Schreiben des Beklagten vom 14. Januar 2004). Zuvor hatte der Beklagte die Kläger bereits mit Schreiben vom 24. Januar 2001 betreffend Einkommensteuer 2000 angeschrieben, um die Voraussetzungen einer möglicherweise steuerpflichtigen Veräußerung des Grundstücks in der Stadt B abzuklären. Im Juni 2001 veranlagte der Beklagte die Kläger mit Vermietungsverlusten von insgesamt rd. 14.000 DM zur Einkommensteuer für das Jahr 1999 (GA Bl. 19).
Im Dezember 2003 reichten die Kläger beim Beklagten die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2001 ein, mit dem ergänzenden Hinweis, die Unterlagen betreffend das Jahr 2002 demnächst übersenden zu wollen. Außerdem führte der Kläger aus, dass ihm beim Ausfüllen der Formulare aufgefallen sei, dass ihm noch kein Steuerbescheid für das Jahr 2000 vorliege. Die Steuererklärung für das Jahr 2000 habe er im Mai 2001 an das damals für ihn zuständige FA G gesandt, an welches er im März 2001 auch die Steuererklärung für das Jahr 1999 übersandten habe. Während die Kläger für 1999 im Juni 2001 vom Beklagten veranlagt worden seien, hätten sie von der Veranlagung für das Jahr 2000 nichts mehr gehört.
Darauf wandte sich der Beklagte im Januar 2004 an das FA G mit der Bitte um Prüfung der Angaben des Klägers. Dieses erklärte, dass ihm weder eine Steuererklärung der Kläger für das Jahr 2000 vorliege noch sonst eine Veranlagung für 2000 durchgeführt worden sei.
Mit Schreiben vom 1. Juni 2004 wandte sich der Kläger erneut an den Beklagten mit dem Hinweis, dass der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2000 nach wie vor ausstehe. Offensichtlich habe das FA G dem Beklagten die Steuererklärung für 2000 und die anliegenden Unterlagen nicht zur Verfügung gestellt. Vorsorglich werde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, um eine Veranlagung auf der Basis der noch vorhandenen Zweitexemplare bewirken zu können. Die ausstehende Einkommensteuererklärung für das Jahr 2000 wurde dem Beklagten allerdings nicht mit übersandt.
Der Beklagte lehnte den Antrag der Kläger auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit dem vorliegend streitgegenständlichen Verwaltungsakt vom 15. Juni 2004 ab, weil die Übersendung der Steuererklärung und der Unterlagen betreffend das Jahr 2000 an das FA G nicht nachgewiesen worden sei.
Erst mit ihrem dagegen gerichteten Einspruch vom 15. Juli 2004, beim Beklagten eingegangen am 16. Juli 2004, übersandten die Kläger kopierte Steuererklärungsformulare, die auf den 23. Mai 2001 datiert waren und in der Kopfzeile das FA G als Adressat auswiesen. Es handelte sich einerseits um die Kopie eines Antrags auf Gewährung einer Eigenheimzulage für das Objekt „M-Str.” in der Stadt D und die Kopie einer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2000. Ergänzend führten die Kläger aus, die ordnungsgemäße Absendung der Einkommensteuererklärung 2000 im Mai 2001 an das FA G nicht nachweisen zu können, da sie als Privatleute kein Postausgangsbuch führten. Erklärt waren für das Jahr 2000 u. a....