Entscheidungsstichwort (Thema)
Auskunftsersuchen nach Luxemburg auf Basis einer sog. Steuerdaten-CD
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Steuerfahndung kann im Rahmen der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO auch ein Auskunftsersuchen im Wege des zwischenstaatlichen Informationsaustauschs in Steuersachen an eine ausländische Steuerverwaltung richten.
2. Im Besteuerungsverfahren besteht grundsätzlich kein Verwertungsverbot für Informationen über Geschäftsbeziehungen von im Inland steuerpflichtigen Personen zu einem ausländischen Kreditinstitut, die auf Basis von zuvor im Ausland deliktisch erworbenen Daten erlangt worden sind.
3. Einem Auskunftsersuchen im zwischenstaatlichen Informationsverkehr stehen weder ein Bankgeheimnis noch Belange der öffentlichen Ordnung (sog. ordre public-Vorbehalt) in dem um Auskunft ersuchen Staat entgegen.
4. Die deutschen Finanzbehörden müssen die ausländische Steuerverwaltung nicht auf die deliktische Herkunft der Informationen, auf denen ein Auskunftsersuchen beruht, hinweisen.
5. Die mit einem zwischenstaatlichen Auskunftsersuchen erbetenen Informationen müssen sich nicht auf Zeiträume vor Geltung der EU-Amtshilferichtlinie 2011/16/EU beschränken.
Normenkette
EUAHiG § 6 Abs. 1 S. 1; AO § 30 Abs. 4 Nr. 2, § 117 Abs. 1, § 111 Abs. 1, § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 2; EU-Amtshilferichtlinie 2011/16/EU Art. 1 Abs. 1; EU-Amtshilferichtlinie 2011/16/EU Art. 6 Abs. 3; EUAHiG § 4 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Antragsgegner berechtigt ist, aufgrund ihm vorliegender Erkenntnisse auf Basis einer sog. Steuerdaten-CD aus Luxemburg ein Auskunftsersuchen an die Steuerverwaltung in Luxemburg zu richten und damit weitere Informationen und Unterlagen über Geschäftsbeziehungen des Antragstellers zu einem in Luxemburg ansässigen Kreditinstitut zu erhalten.
Der im Inland unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Antragsteller, von Beruf Steuerberater, wird seit 2012 beim Finanzamt H unter der Steuernummer 1 geführt. Zuvor wurde der Antragsteller bis 2011 beim Finanzamt R unter der Steuernummer 2 bzw. davor beim Finanzamt R1 unter der Steuernummer 3 geführt. Für die Jahre 2010 bis 2015 gab er laufend Einkommensteuererklärungen ab.
Am 14. August 2019 übermittelte die Oberfinanzdirektion Y ein Ersuchen des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung K (nachfolgend: Steuerfahndung K) vom 8. August 2019 um Erteilung von Informationen durch das Großherzogtum Luxemburg bezüglich möglicher Kundenbeziehungen des Antragstellers zur früheren D Bank S.A. und jetzigen M Bank S.E., Luxembourg (nachfolgend: M Bank Luxemburg; vgl. Bl. 1 ff. der vom Antragsgegner geführten Verwaltungsakte –VA–). Konkret sollen betreffend Einkommensteuer und Körperschaftsteuer für den Zeitraum 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2015 Bankinformationen betreffend den Antragsteller erbeten werden. Hintergrund des Auskunftsersuchens sind bankinterne Informationen (Kontonummer, Kundennamen, Geburtsdaten, Anschriften, Informationen zu Kundenbetreuern) über eine Vielzahl von Kunden der M Bank Luxemburg, die die deutsche Finanzverwaltung durch Ankauf einer sog. Steuerdaten-CD von einem Informanten erlangt hatte (vgl. Vermerk der Steuerfahndung K vom 17. Januar 2017, Bl. 30 der Gerichtsakte –GA–). In diesem Datenbestand fanden sich jedoch keine Angaben zu Anlagevolumina der einzelnen Bankkonten. Aufgrund eines solchen Ankaufs steuerlich relevanter Kundendaten erlangte die Steuerfahndung K auch Kenntnis davon, dass der Antragsteller am 18. Februar 2000 bei der M Bank Luxemburg unter der Kontonummer 4 ein Konto eröffnet hatte. Diese Kundenbeziehungen sowie die daraus erzielten Erträge seien in den Einkommensteuererklärungen des Antragstellers nicht angegeben worden (vgl. Gliederungspunkt B3-5. des Informationsersuchens, Bl. 7 der VA, sowie Bericht über die Ergebnisse der Vorermittlungen vom 16. Februar 2018, Bl. 45 der GA). Im Rahmen des beabsichtigten Auskunftsersuchens erbittet die Steuerfahndung K weitergehende Informationen zu der Geschäftsbeziehung zwischen dem Antragsteller und der M Bank Luxemburg, insbesondere zum aktuellen Inhaber sowie dem Verfügungsberechtigten des besagten Kontos, zum Kontensaldo zum Beginn und zum Ende des Ermittlungszeitraums (2010 bis 2015) und der Höhe der gezahlten Zinsen. Zudem bittet die Finanzbehörde um Übersendung von Kontounterlagen (vor allem Kontoauszüge, Erträgnisaufstellungen, Kontoeröffnungsunterlagen) und um Mitteilung, ob der Antragsteller über weitere Kontoverbindungen bei der M Bank Luxemburg verfügt (vgl. Gliederungspunkt C7 des Informationsersuchens, Bl. 8 f. der VA).
Auf der Grundlage der durch den besagten Ankauf der Steuerdaten-CD erlangten Informationen leitete die Steuerfahndung K gegen den Antragsteller wegen des Verdachts, das bei der M Bank Luxemburg angelegte Vermögen bzw. daraus erzielte Einkünfte steuerlich in seinen Einkommensteuererklärungen nicht erklärt zu haben, ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren ein. Hierüb...