Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufrechnung eines rechtswegfremden Gegenanspruchs
Leitsatz (redaktionell)
Das Gericht besitzt bei einer Aufrechnung mit einer rechtswegfremden Gegenforderung keine Entscheidungsbefugnis.
Normenkette
AO § 37 Abs. 1, § 226 Abs. 1, § 47; GVG § 17 Abs. 2
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheides betreffend Einkommensteuer 1994 und 1995 streitig.
Der verheiratete Kläger war in den Streitjahren als Rechtsanwalt freiberuflich tätig. Für die Jahre 1994 und 1995 wurde er mit seiner nicht berufstätigen Ehefrau zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Aus diesen Veranlagungen ergab sich ein unstreitiger Erstattungsanspruch in Höhe von insgesamt 4.938,85 EUR. Mit Schreiben vom 21.5.2002 erklärte der Beklagte gegenüber diesem Erstattungsanspruch die Aufrechnung gemäß § 338 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) mit einer Gegenforderung des Landes Nordrhein-Westfalen in Höhe von 93.320,99 EUR, die aus folgendem unstreitigen Sachverhalt resultiert:
Um mit dem Rechtsanwalt Dr. W in C eine Sozietät eingehen zu können, nahm der Kläger bei der D-Bank in C einen Kredit in Höhe von 182.520 DM auf. Als Sicherheit diente eine Ausfallbürgschaft der Bürgschaftsbank Nordrhein-Westfalen in O. Für diese Ausfallbürgschaft hatten der Bund und das Land Nordrhein-Westfalen eine Rückbürgschaft gestellt, aus der sie von der Bürgschaftsbank in Anspruch genommen worden sind. Auch die Ehefrau des Klägers hatte seinerzeit ebenfalls eine betragsmäßig auf 50.000,– DM begrenzte selbstschuldnerische Bürgschaft für den Kredit des Klägers gegenüber der D-Bank übernommen.
Gegenüber der von dem Beklagten erklärten Aufrechnung wendete der Kläger ein, seine Ehefrau sei mit der Aufrechnung nicht einverstanden, weil ihr gegenüber keine Aufrechnungslage bestehe. Die von ihr der D-Bank gegenüber abgegebene Bürgschaftserklärung sei sittenwidrig. Sie habe weder eine Berufsausbildung genossen noch sei sie jemals berufstätig gewesen, Vielmehr habe sie sich der Erziehung ihrer drei gemeinsamen Kinder gewidmet. Obwohl diese Umstände der D-Bank bekannt gewesen seien, habe diese gleichwohl auf der Unterzeichnung der Bürgschaftserklärung durch die Ehefrau bestanden. Eine unter diesen Umständen abgegebene Bürgschaftserklärung sei jedoch, wie der Bundesgerichtshof mit Urteilen vom 14.5.2002 – XI ZR 50/01, NJW 2002, 2228 und XI ZR 81/01, NJW 2002, 2230, festgestellt habe, sittenwidrig und somit nichtig. Seine Ehefrau sei allerdings mit einer Verrechnung der Einkommensteuer-Erstattungsansprüche gegenüber seinen Umsatzsteuerschulden betreffend die Jahre 1994 und 1995 einverstanden, falls diese vom Finanzgericht bestätigt werden sollten. Andernfalls, d.h. wenn seine diesbezüglich erhobene Klage Erfolg haben sollte, sollten die Einkommensteuer-Erstattungsansprüche mit künftigen Einkommensteueransprüchen verrechnet werden.
Der Beklagte hielt jedoch, nach Abstimmung mit dem vom Kläger angerufenen Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen daran fest, dass die Aufrechnung rechtens sei. Über die Wirksamkeit der Bürgschaftserklärung der Ehefrau könne im Besteuerungsverfahren nicht entschieden werden; hierfür seien die Zivilgerichte zuständig.
Auf Antrag des Klägers vom 4.1.2003 erging hierauf der hier angefochtene Abrechnungsbescheid vom 17.3.2003, der zum 24.5.2002 ein Guthaben zugunsten des Klägers und seiner Ehefrau in Höhe von 4.754,83 EUR ausweist. Dieser Betrag ist jedoch, was zwischen den Beteiligten ebenfalls unstreitig ist, offenbar unrichtig; das Guthaben beträgt vielmehr 4.938,85 EUR. Es wurde vom Beklagten weisungsgemäß an die Landeshauptkasse überwiesen, was in dem Abrechnungsbescheid auch zum Ausdruck gebracht wurde.
Gegen diesen Abrechnungsbescheid legten der Kläger und seine Ehefrau fristgerecht Einspruch ein. Sie halten daran fest, dass die Ehefrau aus der von ihr abgegeben Bürgschaft wegen Sittenwidrigkeit der Erklärung nicht in Anspruch genommen werden könne.
Mit Einspruchsentscheidung vom 6.4.2004, auf die Bezug genommen wird, wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die vorliegende, fristgerecht bei Gericht eingegangene Klage. Zur Begründung trägt der Kläger, unter Aufrechterhaltung seines Vorbringens im Vorverfahren, weiter vor, die vom Beklagten erklärte Aufrechnung mit Gegenforderungen des Landes Nordrhein-Westfalen sei rechtswidrig. Das Land Nordrhein-Westfalen könne nur Ansprüche gegen ihn – den Kläger – geltend machen, nicht jedoch gegen seine Ehefrau. Die Sittenwidrigkeit der von ihr abgegeben Bürgschaftserklärung ergebe sich daraus, dass sie voraussichtlich nicht einmal die laufenden Zinsen der Hauptschuld dauerhaft würde aufbringen können. Sein, des Hauptschuldners, ggf. bestehendes Leistungsvermögen sei hierbei nicht zu berücksichtigen. Die Bürgschaftserklärung sei auch aus einem anderen Grund sittenwidrig: Der D-Bank als Altgläubigerin sei zum Zeitpunkt der Bürgschaftserklärung bekannt gewesen, dass der Wert der Einzelpraxis des Rechtsanwalts Dr...