Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufspraktikum als Berufsausbildung
Leitsatz (redaktionell)
Ein Kind, das während eines Zeitraums von 14 Monaten jeweils eine Woche im Monat ein Berufspraktikum bei einem Podologen absolviert, befindet sich auch dann in Berufsausbildung, wenn es in der übrigen Zeit keinerlei Tätigkeit nachgeht.
Normenkette
EstG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger Kindergeld für die Tochter H (geb. 13.02.1987) zusteht.
H hat bis einschließlich Juni 2007 die Berufsfachschule für Sozial- und Gesundheitswesen besucht. Während sie auf dem Halbjahreszeugnis vom 19. Januar 2007 noch Noten von gut bis ausreichend und nur zwei mangelhaft hatte, wies das Abschlusszeugnis nur noch als Note „ungenügend” auf bis auf ein Fach, in dem die Note bei mangelhaft bleiben musste, da dieses im zweiten Halbjahr nicht mehr unterrichtet wurde. Wegen der Einzelheiten wird auf die Zeugnisse Bezug genommen (Bl. 30 und 31 GA).
Die Beklagte hob die Kindergeldfestsetzung mit Verfügung vom 21. Mai 2008 ab Juni 2006 auf und forderte das für Juli 2006 bis November 2007 gezahlte Kindergeld in Höhe von 2.772,– EUR zurück.
Während des Einspruchsverfahrens änderte die Beklagte den Bescheid mit Verfügung vom 14. August 2008 und gewährte bis einschließlich Februar 2007 Kindergeld. Anschließend wies sie den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 28. August 2008 als unbegründet zurück.
Mit der Klage trägt der Kläger vor:
H habe bis einschließlich Juni 2007 die Berufsfachschule besucht. Ab Juni 2007 bis September 2008 habe sie ein Praktikum beim Podologen R in F absolviert.
Der Kläger beantragt,
den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 21. Mai 2006 in Gestalt des Bescheids vom 14. August 2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Senat hat gemäß Beschluss vom 20.1.2010 Beweis darüber erhoben, ob die Tochter des Klägers von Juni 2007 bis September 2008 beim Podologen R ein Praktikum absolviert hat. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokollniederschrift vom 3. März 2010 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Anfechtungsklage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Insoweit ist der angefochtene Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid rechtswidrig und verletzt den Kläger deshalb in seinen Rechten, vgl. § 100 Abs. 1 S. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –.
Entgegen der Auffassung der Beklagten stand dem Kläger für den Zeitraum ab Juni 2007 Kindergeld für die Tochter H zu.
Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 S. 1 und 2 i. V. m. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes – EStG – besteht ein Anspruch auf Kindergeld für ein Kind, dass das 18. Lebensjahr, aber noch nicht das 27. (heute 25.) Lebensjahr vollendet hat, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der sich der Senat anschließt, ist unter Berufsausbildung die Ausbildung zu einem künftigen Beruf zu verstehen. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft darauf vorbereitet. Der Vorbereitung auf ein Berufsziel dienen dabei alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind. Dabei ist nicht erforderlich, dass die Ausbildungsmaßnahme in einer Ausbildungs- oder Studienordnung vorgeschrieben ist oder – mangels solcher Regelungen – jedenfalls dem Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten dienen muss, die für den angestrebten Beruf zwingend notwendig sind.
Auch eine praktische Tätigkeit, die ausbildungswillige Kinder vor Annahme einer vollbezahlten Beschäftigung absolvieren, ist grundsätzlich als Berufsausbildung anzuerkennen. Dabei spielt es keine Rolle, ob für das Praktikum eine Vergütung gezahlt wird oder nicht. Aus der gesetzlichen Formulierung „für einen Beruf ausgebildet” ist allerdings zu folgern, dass die Tätigkeit der Erlangung der angestrebten beruflichen Qualifikation dienen und somit der Ausbildungscharakter im Vordergrund stehen muss. Es darf sich nicht lediglich um ein gering bezahltes Arbeitsverhältnis handeln (vgl zusammenfassend FG Münster, Urteil vom 30.10.2008 4 K 4113/07 Kg, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2009, 357, BFH-Az.: III R 88/08; Urteil des erkennenden Senats vom 16.9.2004 10 K 411/02, EFG 2004, 1848; s. auch Bundesfinanzhof, Beschluss vom 10.2.2000 VI B 108/99, Bundessteuerblatt II 2000, 398 zum juristischen Referendariat als Berufsausbildung).
Auf die von den Beteiligten gewählte Bezeichnung als „Trainee”, „Praktikum”, „Schulung” oder anderes kommt es nicht an. Ausschlaggebend ist allein der Charakter der Maßnahme.
Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze befand sich H in der Zeit von März bis Mai 2007 nicht in Berufsausbildung, jedoch anschließend ab Juni 2007.
Von März bis ...