Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung nach § 70 Abs. 4 EStG
Leitsatz (redaktionell)
1) Ist der Anwendungsbereich des § 70 Abs. 4 EStG eröffnet, hat die Familienkasse bei der Änderung die zu diesem Zeitpunkt geltende Sach- und Rechtslage zu beachten.
2) Ein bereits bestandskräftiger Ablehnungsbescheid für Kindergeld ist gemäß § 70 Abs. 4 EStG auch dann aufzuheben, wenn die von der Prognoseentscheidung abweichenden Einkünfte und Bezüge des Kindes nur gemeinsam mit den nach neuerer Rechtsprechung zu berücksichtigenden gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträgen (BVerfG v. 11.1.2005 - 2 BvR 167/02, BVerfGE 112, 164 = BFH/NV 2005, Beil. 3 S. 260), die isoliert betrachtet eine Änderung nach § 70 Abs. 4 EStG nicht rechtfertigen, den Jahresgrenzbetrag nach § 32 Abs. 4 S. 2 EStG unterschreiten.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 2, § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2, § 70 Abs. 4, § 32 Abs. 1 Nr. 2a
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger ist Vater des am 08.09.1985 geborenen Sohnes T.
T befand sich im Jahr 2004 durchgehend in der Ausbildung zum Energieelektroniker. Er erzielte im Jahr 2004 eine Ausbildungsvergütung i.H.v. 9.655,31 EUR einschließlich diverser Sonderzuwendungen; daneben erhielt er pauschalbesteuerte Arbeitgeberleistungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitstätte i.H.v. 281,05 EUR. Die Werbungskosten zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit betrugen mindestens 1.655,50 EUR; der Arbeitnehmeranteil zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag betrug 2.002,59 EUR.
Am 9. August 2004 stellte der Kläger einen Antrag auf Kindergeld für T. Dem Antrag war eine am 26.5.2004 ausgestellte Ausbildungsbescheinigung beigefügt, aus welcher sich monatliche Einnahmen für Januar und Februar i.H.v. jeweils 683,62 EUR, für März bis August i.H.v. jeweils 693,87EUR und für September bis Dezember i.H.v. jeweils 742,75 EUR ergeben; enthalten war außerdem der Hinweis zu Urlaubs- und Weihnachtsgeld sei keine Angabe im Voraus möglich, da die Bezüge erst bei Inanspruchnahme ermittelt würden. Ferner war dem Antrag eine Erklärung zu den Werbungskosten des Sohnes 2004 beigefügt. Diese enthielt folgende Angaben: Der Sohn fahre an 161 Tagen mit dem PKW zur 18 Kilometer entfernten Ausbildungsstätte; er werde im Jahr 2004 Aufwendungen für Arbeitsmittel in Höhe von ca. 500,– EUR und Aufwendungen für Kontoführungsgebühren i.H.v. 16 EUR tätigen und fahre zweimal wöchentlich – also an 64 Tagen – mit dem PKW zur 8 Kilometer entfernten Berufschule. An 40 Tagen werde er wegen der Besuche der Berufsschule mehr als acht Stunden von Wohnung und Ausbildungsstelle abwesend sein.
Die Beklagte traf daraufhin am 16.9.2004 eine Prognoseentscheidung hinsichtlich der Einkünfte und Bezüge des Kindes im Jahr 2004. Sie prognostizierte Einkünfte und Bezüge i.H.v. 7.881,85 EUR, hierbei nahm sie Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit i.H.v. 9.144,85 EUR, sowie Werbungskosten i. H. 1.263,– EUR an. In den Einnahmen waren geschätzte Beträge für Urlaubs- und Weihnachtsgeld enthalten. In den Werbungskosten waren Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte i. H. v. 869,40 EUR (161 Tage × 18 km × 0,30 EUR), Aufwendungen aus Anlass des Besuchs der Berufsschule i. H. v. 393,60 EUR (64 Tage × 8 km × 0,30 EUR zuzüglich Verpflegungsmehraufwendungen für 40 Tage mit Abwesenheit von min. 8 Stunden) enthalten. Entsprechend erlies sie am 17.09.2004 einen Ablehnungsbescheid. Zur Begründung führte sie aus, das Einkommen des Kindes überschreite voraussichtlich den maßgeblichen Grenzbetrag. Dadurch sei der Kindergeldanspruch für das Kind ausgeschlossen. Den Bescheid lies der Kläger unangefochten.
Mit bei der Beklagten am 25.01.2005 eingegangenem Antrag beantragte der Kläger erneut Kindergeld für das Jahr 2004. Hierin gab er an, dem Sohn seien Einnahmen i.H.v. 9.586,75 EUR entstanden; es seien Werbungskosten i. H. v. insgesamt 2.436,29 EUR entstanden. Unter anderem seien Aufwendungen für einen PC i. H. v. 619,64 EUR, sowie Aufwendungen für Fachliteratur, eine Winkelschraubvorrichtung, eine Weichlötanlage, sowie Elektrowerkzeuge i.H.v. insgesamt 440,55 EUR entstanden. Ferner seien ihm für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte Aufwendungen i. H. v. 939,30 EUR entstanden. Es seien 167 Fahrten × 18 km × 0,30 EUR und 5 Fahrten × 25 km × 0,30 EUR zu berücksichtigen. Für die Fahrten zur Berufschule seien 52 Fahrten × 4 Kilometer × 2 × 0,30 EUR, sowie Verpflegungsmehraufwendungen i. H. v. 312, – EUR (8 Stunden × 6, – EUR × 52 Tage) zu berücksichtigen.
Mit Bescheid vom 11.05.2005 lehnte die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für 2004 ab. Den Bescheid focht der Kläger mit dem Einspruch an.
Alsdann führte die Beklagte eine abschließende Berechnung durch. Hierbei nahm sie Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit i.H.v. 9.586,75 EUR an und brachte den Arbeitnehmerpauschbetrag i.H.v. 920, – EUR in Abzug. Denn sie war der Auffassung, die berufliche Veranlassung der Au...