Nachgehend

BFH (Urteil vom 23.09.1998; Aktenzeichen XI R 11/98)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten insbesondere über die Frage, ob der Klägerin für Kinder, die sie in ihrem „Kinderhaus” betreut, Kinderfreibeträge zustehen, weil es sich um Pflegekinder im Sinne des EStG handelt. Ergänzend streiten die Beteiligten, ob die Pflegesatzzahlungen des Jugendamtes ganz oder teilweise steuerfreie Erziehungsbeihilfen darstellen.

Die Klägerin betreibt seit 1991 ein Kinderhaus. Dabei handelt es sich um eine Einrichtung, in der Kinder oder Jugendliche ganztägig betreut werden. Für den Betrieb des Kinderhauses liegt eine Erlaubnis nach § 45 des VIII. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VIII) des Landschaftsverbandes … vor. Die Erlaubnis ist auf ein Kinderhaus mit sechs Kindern begrenzt.

In dem Kinderhaus der Klägerin lebten in den Streitjahren – mit einer kurzen Unterbrechung – sechs Kinder. Es handelt sich dabei um folgende Kinder:

  1. … A, geb. am …1973, kein Kontakt zum Elternhaus;

    das Kind lebt seit Februar … im Haushalt der Klägerin.

  2. … B., geb. am …1978, Kontakt zu Vater und Mutter alternierend alle 14 Tage. Der Kontakt wird von der Mutter nicht regelmäßig wahrgenommen.
  3. … BB., geb. am …1981, Kontakt zum Elternhaus wie bei seinem Bruder B.

    Beide Kinder leben seit dem … im Haushalt der Klägerin.

  4. …C, geb. am …1982, kein Kontakt zum Elternhaus. Das Kind lebt seit dem … im Haushalt der Klägerin.
  5. … D., geb. am …1984, kein Kontakt zum Elternhaus; das Kind ist seit … bei der Klägerin.
  6. … E., geb. am …1982, Kontakt zum Elternhaus alle 14 Tage. Das Kind war von … bis zum … bei der Klägerin.
  7. … F., geb. am …1983, Kontakt zum Elternhaus alle 14 Tage.

    Bei den zu 6. und 7. genannten Kindern war der Kontakt zum Elternhaus vom Jugendamt 14-tägig angesetzt. Er wurde mehrfach über Monate von den Eltern nicht wahrgenommen.

Im Rahmen der Eröffnung des Kinderhauses hat die Klägerin ihr Haus umgebaut und erweitert. Nach Abschluß der Bauarbeiten hat das Haus eine Wohnfläche von ca. …m², das von der Klägerin selbstgenutzte Zimmer hat eine Größe von … m².

Die Klägerin beschäftigt seit 1991 zwei Angestellte, die von 8.00 Uhr früh bis 16.00/17.00 Uhr nachmittags bei ihr arbeiten. Die Betreuung der Kinder in den verbleibenden Zeiten, insbesondere auch am Wochenende und in den Ferien, wird von der Klägerin wahrgenommen. Für die erbrachten Leistungen erhält die Klägerin Pflegesatzzahlungen des …-Kreises. Die Pflegesätze für jedes Kind pro Tag betrugen 1992 101,35 DM und 1993 104,80 DM.

Die Klägerin, die den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, wies in der Einnahmeüberschußrechnung für 1992 Einnahmen aus der Kinderbetreuung in Höhe von … DM und für 1993 in Höhe von … DM aus. Die Zahlungen des Jugendamtes für Taschengeld und Bekleidungsergänzung sind darin nicht enthalten, da sie den Kindern unmittelbar zustehen.

Die Klägerin wurde mit Einkommensteuerbescheid vom 04.01.1995 im wesentlichen erklärungsgemäß zur Einkommensteuer 1992 veranlagt. Kinderfreibeträge waren in der Steuererklärung nicht geltend gemacht.

Mit Bescheid vom 28.07.1995 wurde sie zur Einkommensteuer 1993 veranlagt. Der Beklagte berücksichtigte die in der Einkommensteuererklärung begehrten Kinderfreibeträge für die sechs Kinder nicht.

Die Klägerin wendete sich mit fristgerechten Einsprüchen gegen die beiden Einkommensteuerbescheide. Mit ihnen verfolgte sie das Ziel der Anerkennung der sechs Kinder als Pflegekinder im Sinne des § 32 EStG und die Berücksichtigung von Kinderfreibeträgen für die Kinder.

Zur Begründung trug die Klägerin neben dem oben dargestellten Sachverhalt vor, daß sie in erheblichem Umfang unentgeltliche Betreuungsleistungen zugunsten der Kinder erbringe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Einspruchsschrift vom 30.01.1995 Bezug genommen.

Weiterhin trug sie vor, daß sie in erheblichen Umfang Aufwendungen für die Kinder tätige, die nicht vom Jugendamt übernommen würden. Im Streitjahr 1992 seien z. B. die Kinderzimmer erneuert worden, was rund … DM Kosten verursacht habe. In 1994 habe sie einen Pkw-Bus gekauft, damit sie mit allen Kindern gleichzeitig etwas unternehmen könne. Die Anschaffungskosten hätten etwa … DM betragen. Dies bedeute, daß sie 1992 pro Kind ca. … DM im Monat aufgewendet habe. Im Jahr 1994 sei dies ein Betrag von ca. … DM pro Kind und Monat gewesen. Insgesamt handele es sich bei den Beträgen um Aufwendungen, die im Verhältnis zum notwendigen gesamten Unterhalt der Kinder nicht unwesentlich seien.

Der Beklagte wies die verbundenen Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 18.01.1996 als unbegründet zurück. Dabei stellte er darauf ab, daß die Klägerin nicht nachgewiesen habe, daß die Kinder in den Streitjahren nicht mehr in einem Pflege- und Obhutsverhältnis zu ihren leiblichen Eltern gestanden hätten, und daß sie nicht vorgetragen habe, daß die leiblichen Eltern nicht oder nur unwesentlich zu den Unterhaltskosten herangezogen worden seien.

Unabhängig von diesen Fragen der Darlegungslast seien die Einsprüche deshalb unbegründet, weil es sich bei den streitbefangenen K...

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