rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Schätzung bei unglaubwürdigen Angaben eines Kellners über die Höhe seiner Trinkgelder

 

Leitsatz (amtlich)

1. Kann ein Kellner seine angesichts des festgestellten Kellnerumsatzes lebensfremde Behauptung, dass die Höhe seiner Trinkgelder unterhalb des Freibetrages nach § 3 Nr. 51 EStG gelegen habe, nicht durch genaue und zeitnah geführte Aufzeichnungen belegen, hat er es zu vertreten, dass das Finanzamt die Höhe seiner Trinkgelder schätzt.

2. Im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung muss ein Steuerpflichtiger, der Veranlassung zur Schätzung gibt, es hinnehmen, dass die einer Schätzung wesensimmanente Unsicherheit gegen ihn ausschlägt und das Finanzamt den Rahmen seines Schätzungsspielraumes ausschöpft.

3. Eine Schätzung des Trinkgeldes mit 1,5 % des Kellnerumsatzes kann auch in einem Speiserestaurant, wo pro Zahlungsvorgang regelmäßig höhere Beträge anfallen und die relative Trinkgeldhöhe mit der Höhe des Rechnungsbetrages abfällt, nicht als überhöht angesehen werden.

 

Normenkette

AO 1977 § 162; EStG 1987 § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Nr. 51

 

Tatbestand

Der Kläger war als Kellner in dem Restaurant … tätig. Das für den Arbeitgeber des Klägers zuständige Finanzamt übersandte dem Beklagten aufgrund einer Lohnsteuer-Außenprüfung am 6. August 1991 eine Prüfungsmitteilung.

Darin heißt es, daß der Kläger hinsichtlich der empfangenen Trinkgelder monatlich eine schriftliche Erklärung abgegeben habe, wonach das von ihm erhaltene freiwillige Trinkgeld ausnahmslos den nach § 3 Nr. 51 EStG maßgebenden Freibetrag nicht überschritten habe.

Weil die Angaben des Arbeitnehmers zu seinem Trinkgeld aufgrund des Kellnerumsatzes lebensfremd seien, könnten sie der Besteuerung nicht zugrundegelegt werden; vielmehr sei hier eine Schätzung geboten. Im vorliegenden Falle werde das Trinkgeld mit 1,5 v.H. des Kellnerumsatzes angesetzt. Dabei sei dem Umstand Rechnung getragen worden, daß der Arbeitnehmer gelegentlich nicht gezahlte Zechen (Mankobeträge) selbst habe begleichen müssen.

Nach den Aufzeichnungen des Arbeitgebers ergebe sich im Streitjahr 1988 für den Kläger ein Kellnerumsatz (Bruttoumsatz incl. USt) von insgesamt

… DM; 1,5 v.H. =

…,– DM,

Trinkgeldfreibeträg 1988 …

1.200,– DM,

steuerpflichtige Trinkgelder mithin:

…,– DM.

Der Beklagte erließ daraufhin am 10. Dezember 1991 einen Einkommensteuerbescheid für 1988, wobei die steuerpflichtigen Trinkgelder in den Arbeitslohn einbezogen wurden; hierdurch war die Veranlagungsgrenze gemäß § 46 EStG überschritten worden. Der hiergegen erhobene Einspruch wurde durch Einspruchsentscheidung vom 15. Juni 1992 als unbegründet zurückgewiesen.

Der Kläger wendet sich gegen die Versteuerung der Trinkgelder. Er meint, freiwillige Trinkgelder seien nicht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses zugeflossen und daher nicht steuerpflichtig. Sie brauchten nicht aufgezeichnet zu werden und könnten daher auch nicht nachvollziehbar dargelegt werden. Im übrigen sei der vom Beklagten geschätzte Prozentsatz zu hoch.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens des Klägers wird auf den Inhalt der Schriftsätze vom 12. August und 21. November 1992 sowie vom 2. Januar 1993 Bezug genommen.

Der Rechtsstreit ist durch Beschluß vom 3. Februar 1993 dem Berichterstatter gemäß § 6 Abs. 1 FGO als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden.

Der Kläger beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 1988 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung aufzuheben.

Der Beklagte beantragt Klageabweisung.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet. Die Hinzurechnung der Trinkgelder lassen sich weder dem Grunde noch der Höhe nach beanstanden.

1. Trinkgeldeinnahmen von Kellnern sind als zusätzliches Entgelt für die erbrachte Dienstleistung anzusehen und unterliegen gemäß § 19 Abs. 1 EStG der Besteuerung; das erkennende Gericht folgt insoweit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH-Urteile vom 2. März 1962 VI 255/60 U, Bundessteuerblatt (BStBl) III 1962, 214, vom 13. März 1974 VI R 212/70, BStBl II 1974, 411, und vom 23. Oktober 1992 VI R 62/88, noch nicht veröffentlicht).

Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 EStG sämtliche Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung in fremdem Dienst gewährt werden, auch wenn auf sie kein Rechtsanspruch besteht. Freiwillig durch Dritte gezahlte Trinkgelder werden aus der Sicht des Trinkgeldempfängers wirtschaftlich als Frucht seiner Dienstleistung für den Arbeitgeber betrachtet; ohne das Arbeitsverhältnis gäbe es auch die Trinkgelder nicht.

Auch aus der Sicht des Kunden bzw. Gastes handelt es sich bei der Trinkgeldzahlung nicht um eine vom Dienstverhältnis losgelöste, aus privaten Gründen erfolgte Schenkung an den Trinkgeldempfänger, sondern um zusätzliches Entgelt für die entgegengenommene Dienstleistung.

Insbesondere spricht die Freibetragsregelung des § 3 Nr. 51 EStG für die Steuerbarkeit von Trinkgeldern; die Regelung wäre sinnlos, wenn Trinkgelder den Lohnbegriff nicht erfüllten.

2. Die Schätzung der Trinkgelder durch den ...

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