Entscheidungsstichwort (Thema)
Qualifizierung der Einkünfte aus einem Ingenieurbüro
Leitsatz (redaktionell)
1) Wesentliches Merkmal für die Abgrenzung zwischen freiberuflicher und gewerblicher Tätigkeit ist die unmittelbare, persönliche und individuelle Arbeitsleistung des Freiberuflers.
2) Um leitend und eigenverantwortlich i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG tätig zu sein, ist es erforderlich, dass der Berufsträger sämtlichen Aufträgen den Stempel seiner Persönlichkeit aufdrückt.
3) Auch selbständig Tätige sind fachlich vorgebildete Arbeitskräfte i.S. des § 18 Abs. 1 Satz 3 EStG. Auf die steuerliche oder arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Qualifizierung der Tätigkeit der fachlich vorgebildeten Arbeitskräfte kommt es nicht an.
4) Ein Diplom-Ingenieur, der ein Ingenieurbüro für Baustatik und Massivbau als Einzelunternehmer betreibt und einzelne Projekte einem selbständig Tätigen anvertraut, ohne selbst eigenverantwortlich tätig zu werden und ohne Begründung einer Mitunternehmerschaft, erzielt ausschließlich gewerbliche Einkünfte. Eine Trennung in freiberufliche und gewerbliche Einkünfte kommt nicht in Betracht.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 2, § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3; GewStG § 2 Abs. 1 S. 2; EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob es sich bei dem von dem Kläger und Herrn … betriebenen Ingenieurbüro steuerlich um eine Mitunternehmerschaft handelt und wie die Einkünfte zu qualifizieren sind.
Der Kläger und Herr …, Diplom-Ingenieure, betrieben in … ein Ingenieurbüro für Baustatik und Massivbau. Sie wurden in den Streitjahren ausschließlich für Großkunden tätig, insbesondere für Kunden aus der Versicherungswirtschaft, dem Bankenbereich und der öffentlichen Hand. Bearbeitet wurden ausschließlich Großaufträge, z.B. das Bürogebäude zur … Sich ähnelnde Gebäude wie Reihenhäuser wurden nicht angenommen. Nach einem sich bei den Akten (Bl. 51) befindlichen Organigramm oblag dem Kläger die Angebotsbearbeitung, Vertragsgestaltung, Bauüberwachung, Kundenpflege und Akquisition. Herr … war zuständig für Controlling, Personalwesen, Einkauf, EDV, technische Abwicklung der Angebote sowie die Organisation des Unternehmens, einschließlich Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitskontrolle.
Die einzelnen Projekte wurden entweder dem Kläger oder Herrn … zugeordnet. Für jedes Projekt wurde bei Auftragserteilung eine Projektgruppe gebildet, die dem jeweiligen Projektleiter, also dem Kläger bzw. Herrn …, zuarbeitete und von diesem überwacht und geleitet wurde. Nach den Angaben des Klägers wurden die Projektleiter in den Leistungsphasen 1-3 der HOAI, welche die wesentlichen Leistungsphasen sein sollen, besonders intensiv tätig. In den sich anschließenden Leistungsphasen, die Routinearbeiten wie z.B. die zeichnerische Umsetzung der Vorgaben des jeweiligen Projektleiters betreffen, wurden zunehmend Aufgaben auf die Projektgruppen delegiert. Die Projektgruppen bestanden aus angestellten Bauingenieuren und technischen Zeichnern, teilweise auch aus freiberuflich tätigen Personen. In den Streitjahren übernahm der Kläger insgesamt 41 Aufträge (vgl. Bl. 264 ff). Herr … betreute insgesamt 37 Aufträge, die jedoch nicht in gleichem Maße anspruchsvoll waren wie die Projekte des Klägers. Nach einer vom Kläger gefertigten Aufstellung (Bl. 269 ff der Akte) entfiel das Auftragsvolumen der Streitjahre zu 79 % auf ihn und zu 21 % auf Herrn … Eine gemeinsame Bearbeitung von Aufträgen in dem Sinne, dass der Kläger und Herr … beide federführend tätig gewesen wären, fand nach eigenen Angaben des Klägers nicht statt.
Der Kläger hatte das Ingenieurbüro 1968 zusammen mit Herrn … durch schriftlichen Vertrag als Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet. Danach waren der Kläger mit 55 v.H. und Herr … mit 45 v.H. beteiligt. In den Jahren von 1972 bis 1979 führte der Kläger das Unternehmen allein ohne Beteiligung des Herrn … Ab 1980 betrieben der Kläger und Herr … das Büro wieder gemeinsam, wobei der Kläger nach außen als Einzelunternehmer auftrat. Ein schriftlicher Gesellschaftsvertrag existierte – anders als in den Jahren 1968 bis 1971 – nicht. Herr … leistete keine Einlage in das Unternehmen des Klägers. Eine schriftliche Vereinbarung über die Beteiligung des Herrn … an den Gewinnen und Verlusten existierte ebenfalls nicht. Für seine Tätigkeit erhielt Herr … in den Streit- und den Folgejahren folgende Beträge:
Zahlungen an Herrn … |
Gewinn/Verlust des Ingenieurbüros |
1993 |
DM 280.000 |
DM 9 Mio. |
1994 |
DM 222.000 |
DM 14 Mio. |
1995 |
DM 300.000 |
DM 5 Mio. |
1996 |
DM 270.000 |
DM 10 Mio. |
1997 |
DM 270.000 |
DM 10 Mio. |
1998 |
DM 240.000 |
DM – 4 Mio. |
1999 |
DM 260.000 |
DM 5 Mio. |
Wie der an Herrn … gezahlte Betrag ermittelt wurde, ist rechnerisch nicht nachvollziehbar. Schriftliche Aufzeichnungen über die Berechnung des Betrags wurden nicht gefertigt.
Im Jahr 2003 wurde der Sohn des Klägers, ebenfalls Diplom-Ingenieur, in das Unternehmen aufgenommen. Zur weiteren Umsetzung der Nachfolgegestaltung wurde das Unternehmen als OHG...