Entscheidungsstichwort (Thema)
Inanspruchnahme als Haftungsschuldner für Umsatzsteuerschulden/Beteiligung an Steuerhinterziehung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Haftungsvoraussetzungen des § 71 AO sind im Streitfall gegeben. Der Stpfl. hat nach Überzeugung des Senats vorsätzlich Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch Unterlassen der Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen geleistet. Dies ergibt sich aus den vorliegenden Vernehmungen im Steuerstrafverfahren und dem zugehörigen Urteil des LG C. Der Senat macht sich die in dem Urteil des LG C widerspruchsfrei getroffenen Feststellungen zu Eigen.
2. Eine Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO wegen nicht abgegebener Umsatzsteuervoranmeldungen ist vollendet, wenn eine Steuerhinterziehung zum gesetzlich vorgegeben Termin ausbleibt.
Normenkette
AO §§ 71, 370 Abs. 1 Nr. 2; FGO § 96 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte den Kläger zu Recht gemäß § 71 AO als Haftungsschuldner für Umsatzsteuerschulden der Firma A GmbH mit Sitz in B in Anspruch nehmen durfte.
Im Rahmen des gegen den Kläger geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens war er … in Untersuchungshaft. Während seiner Untersuchungshaft und auch danach hat er umfangreich ausgesagt; wegen Einzelheiten wird in vollem Umfang Bezug genommen auf die entsprechenden Protokolle (im Sonderhefter „Aussagen im Gerichts- und Strafverfahren”).
Mit Urteil des LG C – Große Strafkammer – vom ….2010 (… Kls … Js …) wurde der Kläger wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Das LG C stellte in seinem Urteil fest, dass der Kläger für zahlreiche Firmen der Herren D und N als Steuerberater mandatiert gewesen war, obwohl er als unzuverlässig galt, jedoch dafür bekannt war, keine unangenehmen Fragen zu stellen (Seite 5 des Strafurteils). Die Herren D und N betrieben in wechselnder Beteiligung über Jahre mit verschiedenen Firmen Handel mit Waren. Um die Waren auf dem Markt zu günstigen Konditionen anbieten zu können, bauten sie ein Netz an Firmen für ein sog. Umsatzsteuerkarussell auf. Im Jahr 2007 erwarben sie dazu – durch Vermittlung des Klägers – die Firma W GmbH, die als sog. Buffer diente. Zudem konnten sie faktisch die Firma A GmbH beeinflussen, die als Missing Trader fungierte. Nach den Feststellungen des LG (Seite 4f. des Strafurteils) wurden Waren von einem Initiator bei den Haupttätern zum Ankauf nachgefragt. Diese kauften sodann über eine ihrer Firmen im EU-Ausland umsatzsteuerfrei im Rahmen eines innergemeinschaftlichen Erwerbs entsprechende Ware. Dieser Erwerb wurde jedoch nicht dem Lieferweg entsprechend abgerechnet. Vielmehr wurde nach außen hin zum Schein der Preis gebrochen, indem die Firma (hier: Firma A GmbH) den innergemeinschaftlichen Erwerb weder anmeldete noch versteuerte, ihrerseits aber eine Ausgangsrechnung über den angeblichen Weiterverkauf der Ware an den Buffer (hier: W GmbH) ausstellte, in der regelmäßig ein Nettopreis unterhalb des Einkaufspreises ausgewiesen wurde zzgl. der hierauf entfallenden Umsatzsteuer. Die in diesen Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer wurde ebenfalls nicht angemeldet. Der „Buffer”, der nach außen hin den Anschein einer ordnungsgemäß arbeitenden Firma bot, machte gleichwohl die in der Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend. Seine Aufgabe war es, zum Schutz der weiteren Abnehmer in der Handelskette vor Entdeckung den Einkaufsweg zu verschleiern. Sodann wurde die Ware jeweils unter Ausweis der Umsatzsteuer an den Initiator und von dort an weitere Abnehmer veräußert, so dass es den Haupttätern möglich war, die Waren am Markt unterhalb der regulären Preise anzubieten und höhere Gewinnmargen zu erzielen. Regelmäßig machten die Missing Trader (hier: Firma A GmbH) schon kurz nach ihrer Gründung erhebliche Umsätze, um bereits nach wenigen Monaten wieder im Rahmen einer Insolvenz oder einer „Firmenbestattung” vom Markt zu verschwinden, insbesondere wenn Steuerprüfungen anstanden.
Der Kläger erhielt für beide Firmen das Mandat, die Buchführung zu erstellen und die Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben. Die im Dezember 2006 gegründete Firma A GmbH hatte erst durch die Gesellschafterversammlung vom 07.08.2007 ihren Sitz von C nach B verlegt und den Unternehmensgegenstand um den … erweitert, ferner wurde im März 2008 ein neuer Geschäftsführer bestellt. Sie wurde am ….07.2011 wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen im Handelsregister gelöscht. In den Umsatzsteuervoranmeldungen der W GmbH wurden im Jahr 2008 erhebliche Vorsteuerbeträge aus Rechnungen der A GmbH geltend gemacht. Hingegen erhielt der Kläger von der A GmbH nur unregelmäßig unvollständige Buchführungsunterlagen, so dass er für diese zu den gesetzlichen Terminen keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgeben konnte, obwohl er von den erheblichen Umsätzen aus den Ausgangsrechnungen Kenntnis hatte. Dem Kläger war danach klar – so das Landgericht C –, dass insoweit Umsatzsteuern verkürzt wurden (Seite...