Entscheidungsstichwort (Thema)

Jahresgrenzbetrag, Meistbegünstigungsprinzip

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Kindergeldanspruch für Eltern aktiver Kinder besteht nach dem Meistbegünstigungsprinzip in Fällen, in denen die Einkünfte und Bezüge des Kindes den (anteiligen) Jahresgrenzbetrag nicht übersteigen, unabhängig davon, ob es sich bei der Erwerbstätigkeit um eine Vollzeiterwerbstätigkeit handelt (entgegen BZSt, Vfg. v. 04.07.2008 - St II 2 - S 2282 - 138/2008, DStR 2008, 1736).

 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 S. 2, § 32 Abs. 4 S. 2

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 06.12.2010; Aktenzeichen III B 62/09)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte Kindergeld wegen Überschreitung des Jahresgrenzbetrags zurückfordern durfte.

B hatte nach bestandenem Abitur eine Ausbildung zur Bankkauffrau aufgenommen und diese am 14. Juni 2007 erfolgreich abgeschlossen. Ab Oktober 2007 nahm B ein Studium der Betriebswirtschaft in der Stadt X auf. In der Zwischenzeit vom 18. Juni 2007 bis zum 30. September 2007 war B in einem befristeten Arbeitsverhältnis als studentische Aushilfe mit ca. 40 Wochenstunden beschäftigt; ihre Einkünfte aus der Vollzeitbeschäftigung betrugen nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge insgesamt 6.006 EUR (Kindergeld-Akte, Bl. 102, 119, 137).

Die Ausbildungsvergütung von B für die Monate Januar bis Juni 2007 belief sich nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge auf 3.938 EUR (Kindergeld-Akte, Bl. 100, 103R, 137, 138). Hinzu kommen von der Beklagten bisher nicht berücksichtigte anteilige Kapitaleinkünfte, die B neben ihrer Ausbildungsvergütung bezogen hat und die sich im Jahr 2007 auf insgesamt 448 EUR beliefen (Kindergeld-Akte, Bl. 99, 124, 160R) und außerdem die Einkünfte aus ihrer im Anschluss an die Ausbildung ausgeübten Vollzeitbeschäftigung, die auf die Zeit vom 18. bis zum 30. Juni 2007 entfallen (6.006 EUR × 2/15, also ca. 800 EUR). Während der Monate des Studiums bezog B in der Zeit vom 29. Oktober bis zum 31. Dezember 2007 nach Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen als Aushilfe außerdem Einkünfte i.H.v. 1.095 EUR (Kindergeld-Akte, Bl. 140). Die besonderen Ausbildungskosten wurden wie folgt beziffert (Kindergeld-Akte, Bl. 137R):

Studiengebühren

656 EUR

Literatur

122 EUR

Arbeitsmittel

67 EUR

Fahrtkosten

280 EUR

1.125 EUR

Die Einnahmen für die Ausbildungsmonate Januar bis Juni und Oktober bis Dezember belaufen sich danach auf 5.833 EUR (3.938 EUR + 800 EUR + 1.095 EUR). Der anteilige Jahresgrenzbetrag für diese Monate von 5.760 EUR (7.680 EUR × 9/12) unstreitig nicht überschritten, weil zumindest noch die besonderen Ausbildungskosten i.H.v. 1.125 EUR zu berücksichtigen sind, so dass zwischen den Beteiligten kein Streit darüber besteht, ob über die besonderen Ausbildungskosten hinaus noch der Arbeitnehmerpauschbetrag anteilig für die Monate Januar bis Juni und Oktober bis Dezember (9/12 von 920 EUR) zu berücksichtigen ist.

Der Kläger hatte für die Monate Januar bis Juni 2007 das Kindergeld bezogen und außerdem auf seinen erneuten Kindergeldantrag im September 2007 (Kindergeld-Akte, Bl. 152) am 26. Oktober 2007 eine weitere Kindergeldzahlung für B i.H.v. 462 EUR für die Monate August, September und Oktober 2007 erhalten. Ab November 2007 wurde das Kindergeld für B dann wieder laufend gezahlt (Kindergeld-Akte, Bl. 185, 186).

Nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung die Klage betreffend die Monate August und September 2007 zurückgenommen hat, streiten die Beteiligten jetzt noch darüber, ob die von B während ihrer Vollzeittätigkeit in den Monaten Juli bis September 2007 erzielten Einkünfte mit einzubeziehen sind und die Beklagte deshalb das Kindergeld auch für die Monate Januar bis Juni 2007 und Oktober bis Dezember 2007 zurückfordern durfte (Bescheid vom 14. Oktober 2008; Kindergeld-Akte, Bl. 165).

Der Kläger macht geltend, das für die Monate Januar bis Juni und Oktober bis Dezember 2007 gezahlte Kindergeld stehe dem Kläger zu, weil die Einkünfte von B in den Monaten ihrer Vollzeitbeschäftigung nicht zu berücksichtigen seien. An der Ansicht, das Kindergeld für die Monate August und September 2007 nicht erhalten zu haben, hält der Kläger nicht fest.

Er beantragt, den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 14. Oktober 2008 und die Einspruchsentscheidung vom 14. Oktober 2008 aufzuheben, soweit er die Monate Januar bis Juni 2007 und die Monate Oktober bis Dezember 2007 betrifft.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise die Zulassung der Revision.

Die Beklagte bezieht sich auf das BFH-Urteil vom 16. November 2006 III R 15/06 (BFHE 216, 74, BStBl II 2008, 56) und meint, dass auch die Einkünfte Vollzeiterwerbstätigkeit einzubeziehen seien, wenn für einen Tag des jeweiligen Monats ein Berücksichtigungstatbestand erfüllt sei. In den Monaten Juli bis einschließlich September 2007 habe sich B in einer Übergangszeit zwischen 2 Ausbildungsabschnitten i.S. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG befunden.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet. Bei den Monaten Juli bis S...

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