Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerfestsetzung gem. § 14c Abs. 2 UStG wg. unberechtigtem Ausweis von Umsatzsteuer
Leitsatz (redaktionell)
1. Für die Anwendung des § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG ist es ausreichend, dass ein Dokument als Abrechnung über eine (angeblich umsatzsteuerpflichtige) Leistung durch einen (angeblichen) Unternehmer wegen des Ausweises der Umsatzsteuer abstrakt die Gefahr begründet, vom Empfänger oder einem Dritten zur Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs gebraucht zu werden.
2. Die Gefährdungshaftung des Rechnung stellenden Unternehmers ist verschuldensunabhängig.
Normenkette
UStG §§ 15, 14c Abs. 2
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte wegen unberechtigtem Ausweis von Umsatzsteuerbeträgen eine Steuerfestsetzung auf der Grundlage von § 14c Abs. 2 S. 2 UStG vornehmen durfte und über die teilweise Versagung von Vorsteuerabzug.
Seit August 2010 betrieb die Klägerin einen „Groß- und Einzelhandel mit Klebebändern und Verpackungen sowie deren Bedruckung und Eventplanung”. Ihr Unternehmen firmierte als „A Klebebänder B in … C, D-Weg …”. Nach Angaben der Klägerin sind in ihrem Unternehmen, welches in angemieteten Räumen betrieben wird, außer ihr selbst zwei festangestellte Mitarbeiter tätig. In ihrer im Juli 2012 beim Beklagten eingegangen Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2011 hatte die Klägerin Lieferungen und Leistungen i.H.v. 899.510 EUR angemeldet sowie abziehbare Vorsteuerbeträge i.H.v. 153.431 EUR, so dass sich eine Zahllast i.H.v. 17.499 EUR ergab.
Im Rahmen einer Steuerfahndungsprüfung (Prüfungsbericht vom 6.8.2012) wurde festgestellt, dass den Umsätzen an die „E Kühltransporte GmbH” (E-GmbH) in Höhe von insgesamt 716.987,16 EUR aus angeblichem Handel mit Aluminiumfolie bzw. Stretchfolie tatsächlich keine Warenlieferungen zugrunde lagen. Darüber hinaus kam die Fahndungsprüfung zu dem Ergebnis, dass der Vorsteuerabzug aus den Eingangsrechnungen der Firmen F Handels GmbH, G GmbH, H Nürnberg GmbH, H Leipzig GmbH und K Handel und Frachtvermittlung, Inh. K, zu versagen sei, da den betreffenden Eingangsrechnungen über Lieferungen von Aluminiumfolie bzw. Stretchfolie keine tatsächlichen Warenlieferungen zugrunde lagen.
Mit Schreiben vom 30.8.2012 an den Rechtsnachfolger der E-GmbH, die „L Transport und Handels GmbH, I-Straße …, … J” (L-GmbH) forderte die Klägerin die an die E-GmbH in der Zeit vom 16.3.2011 bis zum 23.9.2011 gestellten 15 Rechnungen über Alufolien und Handstretchfolie zurück, in der insgesamt Umsatzsteuer i.H.v. 147.069,63 EUR ausgewiesen war.
Mit dem vorliegend streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheid vom 9.10.2012 setzte der Beklagte gegen die Klägerin die Umsatzsteuer für 2011 mit 162.129 EUR fest (15.059 EUR aus sonstiger Geschäftstätigkeit, erhöht um 147.069,63 EUR gemäß § 14c Abs. 2 S. 2 UStG), so dass sich eine zum 12.11.2012 fällige Abschlusszahlung i.H.v. 144.630 EUR ergab.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 4.3.2013). Zur Begründung hatte der Beklagte mit Schreiben vom 12.12.2012 in Abstimmung mit dem FA M – Steuerfahndungsstelle ausgeführt: Der Vorsteuerabzug aus den Eingangsrechnungen der Firmen F Handels GmbH, G GmbH, H Nürnberg GmbH, H Leipzig GmbH und K Handel und Frachtvermittlung sei zu versagen. Von einer Gutgläubigkeit der Klägerin könne nicht ausgegangen werden, da sie selbst aktiv an dem Betrugsmodell insoweit mitgewirkt habe, als sie durch unrichtige Angaben auf den zu den Eingangsrechnungen gehörigen Lieferscheinen sowie auf den Ausgangsrechnungen und den dazugehörigen Lieferscheinen den Wareneingang und Warenausgang sowie die entsprechenden Lieferwege bestätigt habe, obwohl It. ihrer eigenen Aussage am 27.9.2011 die angeblichen Aluminiumfolien bzw. Stretchfolien zu keiner Zeit am Standort des Einzelunternehmens in … C, D-Weg … eingegangen bzw. gelagert und weitergeliefert worden seien, die Klägerin die Folien also letztlich nie gesehen habe. Aufgrund der Rechnungsinhalte und der Lieferscheine (Abholung der Ware durch die Firma E-GmbH bzw. eine Spedition) sowie der handschriftlichen Vermerke der Klägerin könne es sich nicht – wie behauptet – um Streckengeschäfte gehandelt haben.
Darüber hinaus seien die Lieferfirmen nach den Ermittlungen der Steuerfahndung M zum Zeitpunkt der Aluminiumfolie- bzw. Stretchfolie-Lieferungen entweder tatsächlich nicht existent (F Handels GmbH; G GmbH i.L.) bzw. wirtschaftlich inaktiv (H Nürnberg GmbH; K Handel und Frachtvermittlung Inh. K) gewesen. Einzig die Firma H Leipzig GmbH sei zum Zeitpunkt der angeblichen Folienlieferungen ein existentes, wirtschaftlich aktives Unternehmen gewesen. Die Geschäftsführerin dieses Unternehmens, deren Ehemann sowie der zuständige Lagerarbeiter hätten allerdings einvernehmlich ausgesagt, die Firma A Klebebänder B nicht zu kennen und in keinerlei Geschäftsbeziehungen zu ihr zu stehen. Des Weiteren hätten diese Personen übereinstimme...