Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung eines bestandskräftigen Einkommensteuerbescheids wegen Entdeckung von Kapitaleinnahmen aus einem Schneeballsystem
Leitsatz (redaktionell)
Werden aufgrund von Steuerfahndungsergebnissen bei einem betrügerischen Anlageunternehmen bei einem Kapitalanleger Gutschriften über wiederangelegte Renditen aus einem Schneeballsystem entdeckt, so ist beim Anleger, der solche Einnahmen nicht erklärt, aber beim Anlageunternehmen Verfügungsbefugnis über die Erträge erlangt hat, von einer leichtfertigen Steuerverkürzung auszugehen, für die die Steuerfestsetzungsfrist 5 Jahre beträgt.
Normenkette
AO § 378 Abs. 1 S. 1, § 169 Abs. 2 S. 2
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte berechtigt war, bestandskräftige Einkommensteuerbescheide für 2000 und 2001 im Jahre 2009 zu ändern.
Die Klägerin reichte am 14. August 2002 die Einkommensteuererklärung für das Kalenderjahr 2000 und am 23. Oktober 2003 die Einkommensteuererklärung für das Kalenderjahr 2001 beim Beklagten ein. In beiden Steuererklärungen war angekreuzt, dass die Einnahmen aus Kapitalvermögen nicht mehr als 3.100 DM betragen. Die Steuererklärungen wurden unter Mitwirkung eines Angehörigen der steuerberatenden Berufe gefertigt. Die Einkommensteuerbescheide für 2000 und 2001 wurden bestandskräftig.
Die Klägerin hatte bei einem Herrn A Kapitalanlagen getätigt. Wegen der Kapitalanlagen im Einzelnen wird auf die Einspruchsentscheidung vom 15. August 2012 Bezug genommen. Herr L hat 2001 an die Klägerin 30.000 DM und 20.000 DM gezahlt. Außerdem hat er an andere Anleger bis 2002 ca. 2 Mio. DM ausgezahlt.
Im Jahr 2007 begann wegen ihrer Geschäftsbeziehung zu Herrn A eine Steuerfahndungsprüfung gegenüber der Klägerin.
Der Beklagte erließ am 4. August 2009 geänderte Einkommensteuerbescheide für 2000 und 2001, in denen er die Einnahmen aus Kapitalvermögen entsprechend den Feststellungen der Steuerfahndungsstelle berücksichtigte.
Die Einsprüche der Klägerin wies er mit Einspruchsentscheidung vom 15. August 2012, auf die Bezug genommen wird, als unbegründet zurück.
Mit der Klage trägt die Klägerin vor:
Sie sei beruflich als Innenarchitektin tätig gewesen. Sie habe sich nie mit der Frage von „strategischen Geldanlagen” intensiv auseinandergesetzt. Der Kontakt zu Herrn L sei über einen Bekannten zustande gekommen. Dieser habe sie zum Vertragsabschluss überzeugt. Dabei sei es um die Vergabe eines Darlehens mit einer Verzinsung von ca. 20% im Regelfall für drei Monate gegangen. Bereits hierdurch werde deutlich, dass mit einem Kapitaleinsatz im Kalenderjahr 1999/2000 von insgesamt 49.000,00 DM eine Verzinsung von 35.000 DM versprochen worden sei, so dass dieses Angebot nur auf einem betrügerischen Plan ausgerichtet gewesen sein konnte. Von L sei immer wieder die Verlängerung des Darlehens angesprochen worden. Als sie um Auszahlung eines Teilbetrags gebeten habe, sei sie über einen längeren Zeitraum vertröstet worden. Er habe ihr jedoch 2001 nach mehr als fünf Monaten einen Betrag von 20.000 DM ausbezahlt. Ihr seien aus der Geldanlage niemals Zinsen zugeflossen. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 5. Oktober 2012 Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
die Einkommensteuer Änderungsbescheide für 2000 und 2001 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet.
Die angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin deshalb nicht in ihren Rechten, vergleiche § 100 Abs. 1 S. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –.
Der Beklagte hat zu Recht in den Änderungsbescheiden Einnahmen der Klägerin aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes – EStG – angesetzt. Die streitigen Zinsen sind der Klägerin i.S. des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zugeflossen.
1. Es entspricht der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH –, dass auch Gutschriften über wiederangelegte Renditen in Schneeballsystemen zu Einnahmen aus Kapitalvermögen i.S. von § 20 EStG führen (BFH-Urteil vom 28. Oktober 2008 VIII R 36/04, BFHE 223, 166, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2009, 190 – Verfassungsbeschwerde nicht angenommen: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts –BVerfG–vom 9. Juli 2009 2 BvR 2525/08; vom 16.03.2010 VIII R 4/07, BFHE 229, 141), solange der Schuldner der Erträge leistungsbereit und leistungsfähig ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Einnahmen (§ 8 Abs. 1 EStG) i.S. von § 11 Abs. 1 EStG zugeflossen, sobald der Steuerpflichtige über sie wirtschaftlich verfügen kann. Eine Gutschrift in den Büchern des Verpflichteten kann einen Zufluss bewirken, wenn in der Gutschrift nicht nur das buchmäßige Festhalten einer Schuld zu sehen ist, sondern darüber hinaus zum Ausdruck gebracht wird, dass der Betrag dem Berechtigten von nun an zur Verwendung zur Verfügung steht. Allerdings muss der Gläubiger in der Lage ...