Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur umsatzsteuerlichen Behandlung der Übertragung von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden
Leitsatz (redaktionell)
1) Überträgt der bisherige Mieter die Verfügungsmacht über ein von ihm auf fremdem Grund und Boden errichteten Gebäude unmittelbar - ohne Zwischenschaltung des Grundstückseigentümers - auf einen Dritten, wird das Gebäude im umsatzsteuerlichen Sinn an den Dritten geliefert.
2) Zur Frage, ob die Verfügungsmacht an einem Gebäude unmittelbar auf einen Dritten übertragen wird.
3) Der Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung ist missbräuchlich i.S.d. § 42 AO, wenn von derselben Person als Geschäftsführer zweier Steuerrechtssubjekte auf der einen Seite eine - nicht realisierbare - Umsatzsteuerbelastung herbeigeführt und auf der anderen Seite ein - gegen den Fiskus zunächst realisierbarer - Vorsteuerabzug erlangt wird.
Normenkette
UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1; AO 1977 § 42; UStG § 15 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Berechtigung der Klägerin zum Vorsteuerabzug i.H.v. 78.400,00 DM aus einer Rechnung über den Erwerb eines Bürogebäudes.
Die Klägerin ist eine GmbH. Sie wurde mit Vertrag vom 26.09.1985 gegründet und am 10.01.1986 in das Handelsregister/Amtsgericht … eingetragen. Laut Gewerbeanmeldung vom 16.03.1986 hat die Klägerin ihre gewerbliche Tätigkeit zum 01.01.1986 aufgenommen. Gegenstand des Unternehmens sind Kfz-Inspektionen, Wartungs- und Bremsendienste, Kfz- und Reifenhandel sowie der Vertrieb, die Herstellung und die Bearbeitung artverwandter Waren und Gerätschaften. Das Stammkapital der Klägerin beträgt 100.000,00 DM. Es wird gehalten von Frau … (40.000,00 DM), Herrn .T. … (30.000,00 DM) und Herrn D. … (30.000,00 DM). Zum Geschäftsführer ist der Ehemann von Frau …, Herr M. …, bestellt.
Herr M. war darüber hinaus auch Geschäftsführer einer weiteren Gesellschaft, der M. … Reifenhandel … GmbH (im Folgenden: Reifenhandel-GmbH). Die Reifenhandel-GmbH hatte in 1982 ein Grundstück in … angemietet und darauf in 1983 und 1984 ein Bürogebäude samt Hallenüberdachung errichtet. Eigentümerin des Grundstücks war seit dem 25.11.1982 Frau …; bis dahin hatte das Grundstück den Eheleuten …und M. je zur Hälfte gehört. Hierzu liegt ein unter dem Datum des 20.12.1982 unterschriebener Mietvertrag zwischen den Eheleuten M. und … (Vermieter) und der Reifenhandel-GmbH (Mieterin) vor. Gegenstand dieses Vertrages ist die Teilfläche einer näher bezeichneten Grundstücksparzelle. Nach § 2 des Vertrages ist dem Vermieter bekannt, dass die Mieterin beabsichtigt, auf dem vermieteten Grundstück ein Bürogebäude mit Hofüberdachung zu errichten; die Mieterin ist berechtigt, die zu errichtende Anlage zu ändern oder zu ergänzen. Nach § 4 wird der Vertrag auf die Dauer von zwanzig Jahren geschlossen; die Mieterin kann die zweimalige Verlängerung um jeweils fünf Jahre verlangen. Nach § 5 ist die Mieterin berechtigt, an ihre Stelle eine neu zu gründende gleichwertige Gesellschaft oder einen sonstigen Dritten als Vertragspartner treten zu lassen; der Vermieter verpflichtet sich, diese Vertragsübernahme, insbesondere die befreiende Schuldübernahme, durch den Dritten, zu genehmigen. Nach § 6 räumt der Vermieter der Mieterin bzw. ihrem Rechtsnachfolger für die nach § 4 vereinbarte Dauer des Mietverhältnisses an dem Grundstück eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit dergestalt ein, dass die Mieterin das Recht hat, die Mieträume als Kfz-Reifenhandel zu nutzen. Nach § 7 wird der Mieterin gestattet, das Grundstück auch ohne Genehmigung des Vermieters unterzuvermieten. Nach § 8 obliegt es der Mieterin, das Grundstück samt der zu errichtenden Bauten und Anlagen zu unterhalten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertrag (Bl. 23-30 der FG-Akte) Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 02.12.1985 teilte die Reifenhandel-GmbH den Eheleuten … mit, dass sie das Mietverhältnis kündige und dass gemäß §§ 5-7 des Mietvertrages die Klägerin sowohl den Betrieb als auch das bestehende Mietverhältnis übernehme. Die Eheleute … bestätigten die Kündigung mit Schreiben vom 05.12.1985.
Aus einem Bericht des Beklagten vom 05.10.1987 über eine bei der Reifenhandel-GmbH durchgeführte Umsatzsteuer-Sonderprüfung geht hervor, dass diese aus der Errichtung des Bürogebäudes in 1983 und 1984 folgende Vorsteuerbeträge geltend machte:
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Nettobaukosten |
Vorsteuer |
in 1983 (13 %) |
7.167,65 DM |
931,80 DM |
in 1983 (14 %) |
525.409,35 DM |
73.557,31 DM |
in 1984 (14 %) |
18.691,03 DM |
2.616,75 DM |
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77.105,86 DM |
Zu dem Grundstücksmietvertrag vom 20.12.1982 zwischen der Reifenhandel-GmbH und Frau … (Bl. 23 ff. der FG-Akte) wird in dem Bericht festgestellt, dass das dem Prüfer vorgelegte Exemplar als Mieterin einem Stempelaufdruck zufolge die erst 1985 gegründete Klägerin (Reifendienst-GmbH) und nicht die Reifenhandel-GmbH ausweise. Dies sei seitens der Reifenhandel-GmbH damit begründet worden, dass sich in ihren Akten eine ungestempelte Ausfertigung des Vertrages befunden ...