Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit von Haushaltsfreibetrag und Kürzung des Vorwegabzugs
Leitsatz (redaktionell)
1) Das BVerfG hat angeordnet, dass die verfassungswidrige Regelung zum Haushaltsfreibetrag bis zum 31.12.2001 weiter anwendbar bleibt. Dies gilt auch für den Veranlagungszeitraum 1996.
2) Die Regelung des § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG, wonach bei Ehegatten, die die Voraussetzungen der Zusammenveranlagung erfüllen, der gemeinsame (einheitliche zusätzliche) Höchstbetrag um mehr als die Hälfte gekürzt wird, auch wenn nur ein Ehegatte die Voraussetzungen für diese Kürzung erfüllt, ist von Verfassungs wegen -insbesondere Art. 3 Abs. 1, Art. 6 GG - nicht zu beanstanden.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 3, 3 Nr. 2; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6; EStG 1996 § 32 Abs. 7
Tatbestand
Die Kläger sind verheiratet. Der Kläger bezieht als Steuerberater Einkünfte aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit sowie aus Vermietung und Verpachtung, die Klägerin aus nicht selbständiger Arbeit. Zu ihrem Haushalt gehört ein am 9.8.1973 geborenes Kind, das sich im Streitjahr in Berufsausbildung befand. Bei der Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer wurde ein anteiliger Ausbildungsfreibetrag und für Zwecke der Kirchensteuerfestsetzung und des Solidaritätszuschlags ein anteiliger Kinderfreibetrag berücksichtigt.
Gegen den Einkommensteuerbescheid 1996 vom 25.2.1999 legten die Kläger Einspruch ein. Sie beanstandeten u.a. die Nichtberücksichtigung eines Haushaltsfreibetrages. Der Beklagte wies den Einspruch als unbegründet zurück, da die Abzugsfähigkeit des Haushaltsfreibetrages nur für Alleinerziehende zwar grundgesetzwidrig sei, die derzeitige gesetzliche Regelung nach der Entscheidung des BVerfG vom 10.11.1998 bis zum 31.12.2001 weiterhin anzuwenden sei.
Mit der Klage machen die Kläger geltend, gegenüber nicht ehelichen Lebensgemeinschaften in grundrechtswidriger Weise benachteiligt zu sein, weil sie im Rahmen der Zusammenveranlagung für 1996 eine um 3.048 DM bzw. 3.208 DM höhere Steuerschuld zu begleichen hätten. Sie legen dazu Steuerberechnungen vor, auf die inhaltlich verwiesen wird. Der Grundrechtsverstoss liege zum einen darin begründet, dass der Haushaltsfreibetrag gemäß § 32 Abs. 7 EStG nicht gewährt werde und zum anderen, dass bei der Zusammenveranlagung die Kürzung des Vorwegabzugs nach § 10 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 EStG nicht auf den sozialversicherungspflichtigen Steuerpflichtigen beschränkt bleibe. Des weiteren tragen sie vor, dass sich selbst bei einer getrennten Veranlagung nach § 26 a EStG noch ein Vorteil von 1.222 DM ergebe. Das BVerfG habe bereits mit Beschluss vom 17.1.1957 (BVerfGE 5, 55) die Schlechterstellung von Ehegatten durch die Zusammenveranlagung zur ESt. als unvereinbar mit Art. 6 Abs. 1 GG bezeichnet. Weiterhin verweisen die Kläger auf den Beschluss des BVerfG vom 10.11.1998 (2 BvR 1226/91 und 2 BvR 980/91, BStBl II 1999, 182). Lediglich aus Gründen der fehlenden Finanzierbarkeit habe das BVerfG den Gesetzgeber zu einer rückwirkenden Neuregelung nicht gezwungen. Das BVerfG habe aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Herbeiführung der Verfassungmäßigkeit der Besteuerung über §§ 163, 227 AO möglich sei. Dieser Hinweis sei dahin auszulegen, dass bei nicht bestandskräftigen Veranlagungen die Erlassvorschriften entweder anzuwenden seien oder angewendet werden könnten.
Die Kläger beantragen,
- den Einkommensteuerbescheid 1996 vom 25.3.1999 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.5.2000 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer 1996 – ggfls. unter Anwendung von § 163 AO – auf 25.862 DM festgesetzt wird;
- hilfsweise die getrennte Veranlagung nach § 26 a EStG durchzuführen.
Der Beklagte beantragt,
dem Hilfsantrag auf getrennte Veranlagung stattzugeben und die Klage im übrigen abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
unter Hinweis auf die Einspruchsentscheidung. Ergänzend vertritt der Beklagte die Ansicht, dass das BVerfG hinsichtlich des Haushaltsfreibetrages entschieden habe, dass die für verfassungswidrig erklärte Vorschrift in Bezug auf den Haushaltsfreibetrag bis zum 31.12.2001 weiterhin anwendbar bleibe. Hinsichtlich des Hilfsantrags könne dem Begehren der Kläger gefolgt werden.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist mit dem Hilfsantrag – getrennte Veranlagung gemäß § 26 a EStG – begründet, mit dem Hauptantrag ist sie unbegründet.
I. Hauptantrag (Anfechtungsklage § 100 FGO)
Der Hauptantrag ist unbegründet, da der angefochtene Einkommensteuerbescheid nicht rechtswidrig ist und die Kläger daher nicht in ihren Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat zu Recht einen Haushaltsfreibetrag gemäss § 32 Abs. 7 EStG nicht berücksichtigt und die Kürzung des Vorwegabzugs nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG vom vollen Abzugsbetrag vorgenommen.
Ein Haushaltsfreibetrag gemäss § 32 Abs. 7 EStG war den Klägern nicht zu gewähren, weil der persönliche Anwendungsbereich für Ehegatten nicht eröffnet ist.
Das BVerfG hat mit Entscheidung vom 10. November 1998 (2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980...