Entscheidungsstichwort (Thema)

Hinterziehungsvorsatz bei Verschweigen erhaltener Zahlungen im Rahmen eines Mitarbeiterbeteiligungsmodells („Optionsscheine")

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein sog. Eventualvorsatz im Hinblick auf eine Steuerhinterziehung verlangt, dass der Täter die Verwirklichung des Tatbestandes als mögliche Folge seines Verhaltens erkennt und die Tatbestandsverwirklichung billigt bzw. billigend in Kauf nimmt oder sich mit ihr zur Erreichung anderer Ziele abfindet. Bei einer Steuerhinterziehung muss der Täter wegen der engen Verknüpfung der verwendeten normativen Tatbestandsmerkmale mit dem Steuerrecht zumindest wissen, dass es sich um einen steuerlich relevanten Vorgang handelt.

2. Ein Tatbestandsirrtum nach § 16 StGB scheidet bei Steuerhinterziehung durch Unterlassen aus, wenn der Täter es für möglich hält, dass er die Finanzbehörde über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dass durch sein Verhalten Steuern verkürzt werden (Anschluss an BGH, Urteil vom 8.9.2011, 1 StR 38/11, wistra 2011,465).

3. Bei Ungereimtheiten zwischen äußerlicher Sachverhaltsdarstellung durch den Arbeitgeber und tatsächlicher Durchführung eines Mitarbeiterbeteiligungsmodells, die indizielle Bedeutung für den Hinterziehungsvorsatz haben, kann ein leitender Angestellter aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten (hier: studierter Betriebswirt; Bankkaufmann; vorherige Tätigkeit für eine große Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im Bereich Unternehmensberatung; Kenntnisse von Kapitalmarktprodukten und ausländischem Zahlungsverkehr; grundlegende steuer- und wirtschaftsrechtliche Kenntnisse) bedingt vorsätzlich und nicht nur (bewusst) fahrlässig handeln, wenn ein (Auslands-)Sachverhalt der Finanzbehörde gänzlich in seiner tatsächlichen und rechtlichen Ausgestaltung nebst Schilderung der wirtschaftlichen Erwägungen („leistungsabhängige Vergütung”) verschwiegen wird und es der Angestellte jedenfalls für möglich hielt, dass die Finanzbehörde eine abweichende Sachverhaltswürdigung vornimmt und sich diese (ggf. nach gerichtlicher Klärung) auch als zutreffend herausstellt.

 

Normenkette

AO § 370; StGB § 16; AO § 233a

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 26.11.2020; Aktenzeichen VI B 29/20)

BFH (Aktenzeichen VI B 29/20)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Festsetzung von Hinterziehungszinsen zur Einkommensteuer 2009 bis 2011. Zwischen ihnen ist dabei im Kern streitig, ob der Kläger einen Steuerhinterziehungsvorsatz bei der Abgabe von Einkommensteuererklärungen hatte, in welcher Einkünfte aus einem Mitarbeiterbeteiligungsmodell nicht als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erklärt worden waren.

Die Kläger sind in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagte, mittlerweile geschiedene Ehegatten. Der Kläger war in den Streitjahr in einer leitenden Position als sog. „Managing Principal” (Senior Manager) bei dem Unternehmen „D GmbH” mit Sitz in G (nachfolgend „GmbH” genannt) tätig. Der Kläger war kein organschaftlich bestellter Geschäftsführer der GmbH.

Nach Aktenlage, insbesondere ausweislich beigezogener Strafakten der Staatsanwaltschaft A und des Amtsgerichts A (Az. StA: …; Az AG: …), sollte der Kläger ähnlich wie die Geschäftsführer der GmbH und andere „Managing Partner” am Unternehmenserfolg in Form einer Umsatzbeteiligung beteiligt werden. Hierfür wurde von der Unternehmensleitung unter Federführung der Geschäftsführer Herrn B und Herrn C ein Beteiligungsmodell entworfen. Beabsichtigt war eine umsatzabhängige Leistungsvergütung mit einer Zeitachse in den Jahren 2007 bis 2010 und verschiedenen „Ausschüttungen” nach einzelnen in den Jahren vom jeweiligen Partner/Mitarbeiter erzielten Kennzahlen. Hierbei wurde von der GmbH eine Vereinbarung mit einer M Firma, der F – nachfolgend F – geschlossen. Dabei gab die F in den Jahren ab 2008 Optionsscheine (u.a. sog. „…-Optionen”) aus. Die Optionen wurden nach Lage der Akten ab 2008 erworben, Auszahlungen erfolgten ab 2009. Die Vereinbarung (siehe Bl. 818 ff. der Strafakte) zwischen der GmbH und der F wurde unter steuerlicher Betreuung durch die Steuerberatungsgesellschaft der GmbH entworfen. Hierbei wurde die F als Teil einer steuerlich begleiteten und – sowohl das Ziel der Mitwirkenden – steuerlich optimierten Gestaltung miteinbezogen. Ziel sollte es sein, über den An- und Verkauf der Optionsscheine Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften gem. § 23 des Einkommensteuergesetzes (EStG) darzustellen, welche nach einer Haltedauer von mehr als einem Jahr nicht mehr steuerbar wären. Nach einer später im Strafverfahren vom Geschäftsführer B geäußerten wirtschaftlichen Betrachtung verbriefte die F tatsächlich einen Zahlungsanspruch der Begünstigten gegen die GmbH über Optionen. Nach der Buchführung und Außendarstellung stellte die F hingegen an die GmbH (tatsächlich nicht erbrachte) Beratungsleistungen in Rechnung und erhielt hierfür Vergütungen von der GmbH (siehe Bl. 1011 ff. der Strafakte).

Der Kläger erwarb – vermittelt über Weiterverkäufe der Geschäftsführer der GmbH...

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