Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung zwischen versicherungsteuerfreier Mitversicherung bei der Kautionsversicherung und versicherungsteuerpflichtiger Forderungsausfallversicherung
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Rechtsanwalt hat das Fristversäumnis einer zuverlässigen Kanzleiangestellten, die er durch eine konkrete Einzelanweisung mit der Absendung einer fristwahrenden Klageschrift betraut, nicht als eigenes Verschulden zu vertreten, wenn diese über den drohenden Fristablauf und die Notwendigkeit der Fristwahrung informiert ist, denn ein Rechtsanwalt darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine konkrete Einzelanweisung von seinem sonst zuverlässigen Personal auch befolgt wird.
2. Gegenstand der Besteuerung ist bei der Versicherungsteuer als einer Verkehrsteuer nicht das Versicherungsverhältnis als solches, sondern die Zahlung der Versicherungsprämie durch den Versicherungsnehmer.
3. Eine Kautionsversicherung bezweckt die Sicherstellung der von einem Schuldner gegenüber einem Gläubiger übernommene Verpflichtung durch Übernahme einer selbstschuldnerischen Bürgschaft. Dabei handelt es sich entgegen der missverständlichen Bezeichnung nicht um einen Versicherungsvertrag, sondern um eine mit dem Avalgeschäft von Kreditinstituten bzw. einer Bürgschaftsübernahme vergleichbare Dienstleistung.
4. Eine Forderungsausfallversicherung stellt dagegen ein Versicherungsverhältnis i.S.d. § 1 Abs. 1 VersStG dar. Sie ist – anders als die Bürgschaft – von der Person des Hauptschuldners unabhängig und begründet eine selbständige Verbindlichkeit des Versicherers gegenüber dem Gläubiger, die nicht von einer Hauptschuld abhängig ist, sondern bei Realisierung des vertraglich vereinbarten Risikos entsteht.
5. Wenn sich ein Versicherer (sog. Erstversicherer) für die gegenüber dem Versicherungsnehmer übernommene Gefahr und daraus resultierende Zahlungsverpflichtung gegen Zahlung einer Versicherungsprämie im Innenverhältnis bei einem anderen Versicherungsunternehmen (sog. Rückversicherer) versichert, ist der Erstversicherer zwar letztlich an der Schadenstragung beteiligt, übernimmt dieses Wagnis jedoch auf der Ebene eines eigenständigen Versicherungsverhältnisses gegenüber dem anderen Versicherungsunternehmen, nicht jedoch gegenüber seinen Versicherungsnehmern.
Normenkette
AO § 122 Abs. 2 Nr. 1; FGO § 45 Abs. 1 S. 1, § 47 Abs. 1 S. 1, §§ 56, 155; ZPO § 85 Abs. 2; BGB § 765; VVG § 1 S. 2; VersStG § 1 Abs. 1, §§ 2, 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Nr. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1, § 7 Abs. 9; AO § 108
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob die Klage fristgerecht erhoben wurde, des Weiteren um die Frage, ob eine versicherungsteuerfreie (stille) Mitversicherung (stille Konsortialbeteiligung/Unterbeteiligung) bei der Kautionsversicherung oder eine versicherungsteuerbare bzw. -pflichtige Forderungsausfallversicherung/Rückversicherung vorliegt, sowie um die Methode zur Berechnung ggf. angefallener Versicherungsteuer.
Die Klägerin ist ein als Aktiengesellschaft organisiertes Versicherungsunternehmen. Sie betreibt als Unternehmensgegenstand die Erstversicherung aller Versicherungszweige mit Ausnahme der Lebens- und Krankenversicherung sowie die Vermittlung von Versicherungen aller Art im In- und Ausland. Die Klägerin verfügt auch über die Zulassung als Rückversicherer, betreibt jedoch dieses Geschäft tatsächlich nicht.
Im Rahmen einer bei der Klägerin für den Zeitraum Januar 2010 bis Dezember 2012 durchgeführten Versicherungsteuer-Außenprüfung ergaben sich hinsichtlich verschiedener Sachverhalte seitens des Beklagten Feststellungen, die zur Nacherhebung von Versicherungsteuerbeträgen geführt haben. Hiervon nicht betroffen sind Vertragsgestaltungen, in denen die Klägerin an diversen Kautionsversicherungen bzw. Avalkreditverträgen beteiligt ist und die hinsichtlich ihrer versicherungsteuerrechtlichen Behandlung seitens des Beklagten unbeanstandet blieben. Bei diesen Vertragsverhältnissen ist die Klägerin teilweise – neben anderen Versicherern – als führender Mitversicherer aufgetreten; teilweise hat die Klägerin Verträge unmittelbar mit den Kunden/Versicherungsnehmern geschlossen. Diese Fälle sog. offener Mitversicherungen sind auch nach Ansicht des Beklagten als Kautionserstversicherungen und damit als Vereinbarungen im Sinne von § 2 Abs. 2 VersStG anzusehen und unterliegen aufgrund dessen nicht der Versicherungsteuer.
Demgegenüber zwischen den Beteiligten noch streitig sind im vorliegenden Verfahren die Prüfungsfeststellungen und die darauf gestützten Steuernachforderungen in Bezug auf die Vereinnahmung von Entgelten im Rahmen einer sog. stillen Mitversicherung durch Verträge mit anderen Versicherungsunternehmen (vgl. Tz. 6 des Prüfungsberichts vom 20. September 2018, Bl. 142 ff. der Gerichtsakte – GA –) sowie mit Kreditinstituten (vgl. Tz. 7 des Prüfungsberichts).
Die Klägerin unterhält zunächst Vertragsbeziehungen (sog. Beteiligungsverträge/stille Konsortialbeteiligungen) zu anderen Vers...