Entscheidungsstichwort (Thema)
Frage der Berechtigung zur Erhebung und Festsetzung von Nachzahlungszinsen
Leitsatz (redaktionell)
Der Grundsatz von Treu und Glauben steht einer Festsetzung von Nachforderungszinsen regelmäßig auch dann nicht entgegen, wenn dem FA bei der Bearbeitung der Steuererklärung Fehler unterlaufen sind oder die Bearbeitung schuldhaft verzögert wurde. Maßgebend ist allein die Annahme, dass der Steuerpflichtige durch die verspätete Abgabe einen Liquiditätsvorteil hatte, dabei ist nicht von Bedeutung, ob er diesen tatsächlich genutzt hat.
Normenkette
AO § 233a
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte berechtigt war, Nachzahlungszinsen festzusetzen und zu erheben.
Die Kläger werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist als Rechtsanwalt selbständig tätig. Er war seinerzeit mit unterschiedlicher Quote an einer Sozietät beteiligt und zwar bis zum 31.12.1994 an der Sozietät N & C und ab 1.7.1995 an der Sozietät C & Partner. Nach dem Ausscheiden des Herrn N betrieb er die Kanzlei für kurze Zeit bis zum 30.6.1995 auf eigenes Risiko.
Im Zeitraum von Juni 1994 bis August 1999 fanden bei dem Kläger bzw. bei den Sozietäten, an denen er beteiligt war, drei Betriebsprüfungen statt. Die erste Betriebsprüfung wurde im Juni 1994 durch das Betriebsstättenfinanzamt gegenüber der damals bestehenden Sozietät N & C für die Jahre 1990 bis 1992 angeordnet. Prüferin war eine Frau X. Der Prüfungsbericht erging im Dezember 1996. Schwerpunkt der Prüfung war die Umsatzsteuer für Zahlungen der Immobilien-Holding A, die im Gegensatz zu den Feststellungen einer bei der Firmengruppe A durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung von der Prüferin als steuerbar angesehen wurden. Nach Einschaltung der Oberfinanzdirektion (OFD) E wurde die Umsatzsteuerbarkeit des Vorgangs im Juni 1999 endgültig verneint. Im Oktober 1998 wurden durch das Betriebsstättenfinanzamt gegenüber der Sozietät N & C eine Betriebsprüfung für die Jahre 1993 bis 1995 angeordnet sowie gegenüber der seit dem 1.7.1995 bestehenden Sozietät C & Partner eine Betriebsprüfung für die Jahre 1995 und 1996. Die Prüfung erstreckte sich später auch auf den Kläger persönlich. Die Prüfungen wurden durch eine Frau T Ende 1998 / Anfang 1999 durchgeführt. Die Prüfungsberichte ergingen im Juli bzw. August 1999.
Die Prüferin T befasste sich in erster Linie mit dem Ausscheiden des früheren Sozietätsmitglieds, Herrn N, der seit dem 1.1.1995 nicht mehr der Sozietät angehörte. Diesem war anlässlich seines Ausscheidens unter anderem ein fester Kaufpreis zugesagt worden, der in Raten über einen Zeitraum von acht Jahren zu begleichen war. Außerdem sollte ihm anschließend noch eine Rente für die Dauer von fünf Jahren gezahlt werden. Die Sozietät hatte entsprechend den Zahlungsverpflichtungen den Barwert für den angeschafften Teilpraxiswert ermittelt und Abschreibungen vorgenommen. Während der Prüfung verstarb das frühere Sozietätsmitglied, so dass die Zahlungsverpflichtungen teilweise wegfielen. Die Prüferin setzte daraufhin den für das Jahr 1995 ermittelten Teilpraxiswert (Barwert) herab. Die daraus resultierende Minderung des Abschreibungsvolumens führte dazu, dass nach Angaben des Klägers im Schriftsatz vom 15.3.2004 in den Jahren 1995 bis 1998 Steuern von insgesamt 536.700 DM angefordert wurden.
Ihre Einkommensteuererklärungen für 1996 gaben die Kläger am 14.1.1998, für 1997 am 18.3.1999, für 1998 am 21.6.2000 und für 1999 am 3.1.2001 ab.
Für 1996 erließ der Beklagte am 23.3.1998 einen Erstbescheid. Der Bescheid wurde am 9.4.1998, 20.10.1999 und 9.4.2002 geändert. Im Änderungsbescheid vom 20.10.1999 waren Nachforderungszinsen i.H.v. 16.488 DM (= 8.430 EUR) festgesetzt worden. Im Bescheid vom 9.4.2002, der die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung betraf, wurden weitere Nachforderungszinsen i.H.v. 227,82 EUR festgesetzt.
Für 1997 erließ der Beklagte am 16.4.2002 einen Erstbescheid. In diesem Bescheid setzte der Beklagte Nachforderungszinsen i.H.v. 21.654 EUR fest. Die Mitteilung des Betriebsstättenfinanzamtes über die anteiligen Einkünfte des Klägers an den Sozietäten war dem Beklagten im Juli 2000 zugegangen.
Für 1998 und 1999 erließ der Beklagte am 9.4.2002 Erstbescheide. In diesen Bescheiden setzte der Beklagte Nachforderungszinsen zur Einkommensteuer 1998 i.H.v. 61.680 EUR und zur Einkommensteuer 1999 i.H.v. 33.444 EUR fest. Die Mitteilungen des Betriebsstättenfinanzamtes über die anteiligen Einkünfte des Klägers an den Sozietäten waren dem Beklagen im August 2000 für 1998 und im Januar 2001 für 1999 zugegangen.
Gegen die Festsetzung von Nachforderungszinsen in dem geänderten Einkommensteuerbescheid für 1996 vom 9.4.2002 sowie in den erstmaligen Einkommensteuerbescheiden für 1997 vom 16.4.2002 und für 1998 und 1999 vom 9.4.2002 wurde am 8.5.2002 Einspruch eingelegt mit dem Antrag, die Festsetzung der Nachforderungszinsen aufzuheben, hilfsweise die Zinsen wegen...