Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Beweislast bzgl. der Wirksamkeit einer Einspruchsrücknahme und zur Bestimmung des Empfängers einer gegenüber einer Finanzbehörde abgegebenen Erklärung und damit die Reichweite des Empfängerhorizonts nach Maßgabe der innerbehördlichen organisatorischen Zuständigkeit.
Leitsatz (redaktionell)
1. Soweit ein Ehepartner den Einspruch gegen einen Einkommensteuerbescheid im eigenen Namen und im Namen des anderen Ehepartners auch unter dem Briefkopf des Ehepartners zurücknimmt, nimmt er für sich in Anspruch, auch in Vollmacht für den anderen Ehepartner zu handeln. Es bedarf dann keiner weiteren Überprüfung des Bestehens dieser Vollmacht, wenn in gleicher Weise bereits der Einspruch eingelegt wurde.
2. Die grundsätzlich die Finanzbehörde treffende Beweislast für die Abgabe einer die Einspruchsrücknahme beinhaltenden Erklärung des Einspruchsführers greift nicht, wenn die Existenz einer solchen Erklärung nicht infrage steht, weil eine Rücknahmeerklärung nach ihrem eindeutigen Wortlaut unstreitig vorliegt und lediglich darüber gestritten wird, ob diese Rücknahmeerklärung aufgrund eines außerhalb ihrer selbst liegenden Sachverhalts (hier: ein in Bezug genommenes Telefonat mit dem Einspruchssachbearbeiter) als bloße Einschränkung eines Einspruchs hätte aufgefasst werden müssen. Für derartige außerhalb der Rücknahmeerklärung liegende Sachverhaltsumstände, die deren Verständnis entgegen dem allgemeinen Sprachgebrauch in ihr Gegenteil wandeln sollen, trifft die Beweislast den sich hierauf unter Umkehrung des Verhältnisses von Regel und Ausnahme berufenden Einspruchsführer.
3. Für die Bestimmung des Empfängers einer gegenüber einer Behörde abgegebenen Erklärung und die Auslegung dieser Erklärung aus Sicht des Empfängerhorizonts muss auf den Kenntnisstand der das Finanzamt repräsentierenden und für die Bearbeitung einer bestimmten Steuerangelegenheit innerbehördlich zuständigen Beamten abgestellt werden. Dies entspricht der Maßgeblichkeit der positiven Kenntnis derjenigen Personen, die innerhalb der zuständigen Finanzbehörde organisationsmäßig für den Erlass eines Steuerbescheids berufen sind, bei der Frage des nachträglichen Bekanntwerdens neuer Tatsachen im Sinne von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO.
Normenkette
AO § 362 Abs. 1 Sätze 1-2, § 367 Abs. 2 S. 1, § 173 Abs. 1 Nr. 2, § 357 Abs. 1 S. 4
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Kläger ihren gegen die Einkommensteuerfestsetzung 2011 eingelegten Einspruch wirksam zurückgenommen haben.
Für den Kläger wurde mit Bescheid vom 29.08.2011 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2008 ein verbleibender Verlustvortrag aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 des Einkommensteuergesetzes – EStG – in der bis zum 31.12.2008 anzuwendenden Fassung i.H.v. 952.573 € festgestellt.
Am 21.12.2012 reichten die Kläger, die als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, ihre unter Mithilfe des Steuerbüros Q in U, erstellte Einkommensteuererklärung 2011 ein, mit der sie in der Anlage KAP unter Zeile 23 lediglich der tariflichen Einkommensteuer unterliegende Kapitalerträge i.H.v. 8350 € deklarierten. Unter der Zeile 59 (Antrag auf Verrechnung von Verlusten nach § 23 EStG nach der bis zum 31.12.2008 geltenden Rechtslage) nahmen sie hingegen keine Eintragungen vor. In dem hierzu übersandten Begleitschreiben vom 21.12.2012 teilte der Kläger mit, dass die Anlage KAP nur insofern ausgefüllt wurde, dass Darlehenszinsen von der X GmbH ausgewiesen wurden. Alle anderen Kapitalerträge seien entsprechend der neuen Abgeltungssteuer nicht mehr aufgeführt.
Der Beklagte setzte die Einkommensteuer 2011 mit Bescheid vom 10.06.2013 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung – AO – mit Ausnahme eines geltend gemachten Verlustes aus Gewerbebetrieb gemäß § 17 EStG antragsgemäß fest.
Mit Schreiben vom 11.07.2013 legte der Kläger im eigenen Namen und im Namen der Klägerin Einspruch gegen diesen Einkommensteuerbescheid ein, den er wie folgt begründete:
„Wie jedes Jahr legen wir vorsorglich Einspruch, insbesondere bezüglich der Nichtverrechnung der Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften, ein. Hierzu ist – wie Ihnen bekannt – seit geraumer Zeit ein Verfahren beim FG Köln anhängig.
Ferner erstreckt sich der Einspruch auf die Nichtanerkennung von Aufwendungen nach § 35a EStG. Die Handwerkerleistungen i.H.v. 1972 € wurden gar nicht berücksichtigt, andere Leistungen wurden gekürzt. Leider geben die Erläuterungen hierzu keine Auskunft.”
In entsprechender Weise verfuhren die Kläger hinsichtlich der Nichtverrechnung der Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften in den – vorliegend nicht streitbefangenen – Veranlagungszeiträumen 2009-2010 und 2012.
Im Rahmen der Erörterung der vorgebrachten Einspruchsgründe teilte der Kläger mit Schreiben vom 21.08.2013 mit, dass er den Einspruch „be...