Entscheidungsstichwort (Thema)

Abberufung, Firmenbestattung, Gesetzwidriges Handeln

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Ein auf §§ 34 Abs. 1 i.V.m. § 69 AO gestützter Haftungsbescheid gegenüber einer Person, die in dem Zeitpunkt, in dem eine Steuererklärung abzugeben war, nicht mehr Geschäftsführer der steuerschuldenden Gesellschaft war, ist rechtswidrig.

2) Es ist zweifelhaft, ob eine zivilrechtliche Nichtigkeit des Abberufungsbeschlusses eines Geschäftsführers aufgrund "organisierter Firmenbestattung" auch zur steuerlichen Unbeachtlichkeit des Abberufungsbeschlusses führt.

 

Normenkette

AO §§ 40, 191 Abs. 1 S. 1, § 34 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 20.05.2014; Aktenzeichen VII R 12/12)

BFH (Urteil vom 20.05.2014; Aktenzeichen VII R 12/12)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagten den Kläger für Steuerschulden der A Handelsgesellschaft mbH, C – im Folgenden A –, in Haftung nehmen durfte und dabei insbesondere, ob ein Fall der sog. „Firmenbestattung” vorliegt. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde.

Gründungsgesellschafter der mit Vertrag vom 4. Juni 2002 gegründeten A waren der Kläger zu 50% sowie Herr B und Frau D zu jeweils 25%. Geschäftsführer der Gesellschaft war der Kläger. Das Stammkapital betrug 95.000 EUR und war ausweislich der auf den 1. Januar 2002 aufgestellten Eröffnungsbilanz zur Hälfte von den Gesellschaftern eingezahlt. Die Schlussbilanz des Jahres 2002 weist Forderungen gegenüber den Gesellschaftern B und D i.H.v. jeweils 27.000 DM und gegenüber dem Kläger i.H.v. 38.000 DM aus. Am 18. Juni 2003 übertrug Frau D ihren Geschäftsanteil zum Kaufpreis von 30.000 DM auf Frau E. In der notariellen Vertragsurkunde ist vermerkt, dass der Geschäftsanteil voll eingezahlt ist. Nachweise über die Einzahlung der Stammeinlagen konnten dem späteren Insolvenzverwalter der A nicht vorgelegt werden.

Gegenstand der Gesellschaft war der Im- und Export sowie der Handel mit Lebensmitteln und sonstigen Waren aller Art. In den Streitjahren betrieb sie in der F-Straße … in C einen Supermarkt. Diese Geschäftsräume waren von dem Kläger, D, B1 und G angemietet.

Mit notariellem Vertrag vom 2. Februar 2005 – den der Beklagte als Teil einer organisierten Firmenbestattung ansieht – übertrugen die o.g. Gesellschafter ihre Geschäftsanteile auf Herrn H zum Kaufpreis von 94.000 EUR. Ausweislich der Angaben im Vertrag sollte dieser in I, J-Straße …, wohnhaft sein. Vor dem Notar wies sich Herr H durch einen griechischen Reisepass aus. Ebenfalls am 2. Februar 2005 berief Herr H den Kläger als Geschäftsführer der A ab und bestellte sich zugleich als neuen Geschäftsführer. Für den Beklagten war Herr H in der Folgezeit nicht erreichbar.

Am 10. Februar 2005 schloss die A, vertreten durch Herrn H, mit ihrem ehemaligen Gesellschafter B einen auf den 2. Februar 2005 rückwirkenden Kaufvertrag über den Warenbestand und die Ladeneinrichtung zum Kaufpreis von 71.000 EUR. Umsatzsteuer wurde nicht in Rechnung gestellt. Am selben Tag erwarb Herr B aufgrund eines weiteren Kaufvertrags den LKW der A zum Preis von 11.600 EUR (brutto). Vereinbart war zwischen der A und Herr B, dass dieser diverse Verbindlichkeiten der Gesellschaft übernimmt und Arbeitnehmer der A, hierunter den Kläger, sowie Frau K und Frau L weiter beschäftigt.

Ebenfalls am 10. Februar 2005 vermieteten der Kläger, D1 und G die früheren Geschäftsräume der Klägerin an Herrn B.

Am 11. Februar 2005 wurde das Gewerbe der A durch den Kläger beim Gewerbeamt der Stadt C wegen vollständiger Geschäftsaufgabe abgemeldet.

Am 9. November 2005 wurde der Geschäftsführerwechsel im Handelsregister des Amtsgerichts M (HRB a) eingetragen. Auf eine entsprechende Anfrage des Beklagten teilte das Registergericht am 21. November 2005 mit, es halte den Gesellschafterbeschluss über den Wechsel des Geschäftsführers angesichts der notariellen Übertragung aller Geschäftsanteile auf Herrn H für wirksam.

Ausweislich einer Rückstandsanzeige vom 18. Februar 2005 schuldete die A Körperschaftsteuer 2002, Umsatzsteuer 2002 sowie Umsatzsteuervorauszahlungen II. und III. Quartal 2004 in Höhe von 16.049,42 EUR (inklusive Säumniszuschläge). Für die Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen war der A bis einschließlich Dezember 2004 Dauerfristverlängerung nach § 46 der Umsatzsteuerdurchführungsverordnung – UStDV – gewährt worden. Mit einer Haftungsanfrage vom 9. Februar 2005 teilte der Beklagte dem Kläger mit, es sei beabsichtigt, ihn für diese Rückstände im Haftungswege in Anspruch zu nehmen. Gleichzeitig wurde der Kläger aufgefordert, einen Berechnungsbogen zur Ermittlung der Haftungssumme auszufüllen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 9. Februar 2005 in der Haftungsakte verwiesen.

Am 25. Mai 2005 stellte der Beklagte einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A. Mit Beschluss vom 30. Juni 2006 wurde das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eröffnet. Am 13. Juli 2006 wurde im Handelsregister der Vermerk eingetragen, dass die A durch Eröffnung ...

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