Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückstellung für Schadensersatzverpflichtung aus strafbarer Handlung
Leitsatz (redaktionell)
1) Rückstellungen für dem Grunde und/oder der Höhe nach ungewisse Verbindlichkeiten dürfen nur gebildet werden, wenn der Schuldner ernsthaft mit seiner Inanspruchnahme rechnen muss. Die bloße Möglichkeit des Bestehens oder Entstehens einer Verbindlichkeit reicht für die Rückstellungsbildung nicht aus.
2) Auch Rückstellungen für betriebliche Schadensersatzverpflichtungen aus strafbaren Handlungen sind zu bilden, wenn mit einiger Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass der Steuerpflichtige in Anspruch genommen wird. Diese Wahrscheinlichkeit ist gegeben, wenn bis zum Tag der Bilanzaufstellung die den Anspruch begründenden Tatsachen durch Aufdeckung der Tat bekannt geworden sind.
Normenkette
HGB § 249; EStG § 5 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren über die Berechtigung der Klägerin in der Bilanz auf den 31. Dezember 2007 im Zusammenhang mit einer drohenden Schadensersatzforderung eine Rückstellung von mehr als 61.000 EUR Höhe zu bilden.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung – GmbH –, deren Geschäftszweck der Betrieb einer Werbeagentur ist.
Nach Lage der Akten führte sie in den Jahren 2000 bis 2006 für die B Versicherung – im Folgenden: Auftraggeberin – Werbekampagnen durch. Auf der Basis einer Vereinbarung vom 11. Februar 2000 mit der Auftraggeberin war die Klägerin verpflichtet, Rabatte der Fernsehsender bzw. Printmedien auszuweisen und an die Auftraggeberin in Form von Gutschriften zur Reinvestition zurückzugeben.
Mit Schreiben vom 12. April 2007 forderte die Auftraggeberin unter anderem Skontoerträge von der Klägerin. In dem Schreiben führte die Auftraggeberin sinngemäß Folgendes aus:
Die Klägerin hat seit 2000 die Rechnungen an die Auftraggeberin jeweils so zeitig gestellt, dass sämtliche Mediarechnungen skontiert bezahlt werden konnten. Der Gegenwert dieser Skontoerträge beläuft sich nach unseren konservativen Berechnungen (Skontosatz 2%), die Ihnen vorliegen, auf 1,125 Millionen EUR. Ich bin der Ansicht, dass dieses Geld der Auftraggeberin zusteht. Sie äußerten in dem Gespräch, dass Sie nicht davon ausgingen, dass in allen Fällen Skonto erwirtschaftet wurde, was wir gerne von einem Wirtschaftsprüfer überprüfen lassen könnten. Besonders irritiert war ich aber darüber, dass Sie grundsätzlich kein Unrecht darin sahen, Geld der Auftraggeberin zu Skontoerträgen für die Klägerin zu nutzen. Ich bat Sie um Überdenken dieser Haltung und um einen Lösungsvorschlag, um die aufgezeigte Praxis der Vergangenheit zu „heilen”. Wegen der Bedeutung dieser Angelegenheit darf ich Sie darum bitten, uns diesen Vorschlag bis zum Ende nächster Woche (Freitag, den 20. April 2007) zu unterbreiten.
In der Folge fanden zwischen der Auftraggeberin und der Klägerin weitere mündliche Verhandlungen statt. Dabei bestand Streit zwischen den Beteiligten, ob Skontobeträge unter die vertragliche Regelung über Rabatte fielen. Die Klägerin verwies nach Lage der Akten auf freiwillig erbrachte Leistungen in Höhe von mindestens 400.000 EUR. Weitere Sachaufklärung sollte durch die Überprüfung der tatsächlich gezogenen Skonti erfolgen.
Der Geschäftsführer der Klägerin teilte der Auftraggeberin in der Folge im Rahmen einer E-Mail vom 27. Juni 2007 Folgendes mit:
Bei unserem Gespräch in C, bei dem wir unsere unterschiedlichen Rechtsauffassungen vertreten haben, sind wir so verblieben, dass ich wie von Ihnen gewünscht für das weitere Vorgehen die Skontobeträge der Klägerin benenne. Wie erwähnt stellen unsere BWA`s und Bilanzen lediglich die Beträge über sämtliche Umsätze der Klägerin dar. Nimmt (man) einen Satz von 60 bis 70 Prozent davon als Grundlage, so ergibt sich daraus eine Summe zwischen 395 TEUR und 461 TEUR.
Ich möchte nochmals darauf hinweisen, dass ich in der Vergangenheit ohne vertragliche Verpflichtung auf 350 TEUR zu Gunsten der Auftraggeberin verzichtet habe. Dies kann nicht unberücksichtigt bleiben.
Im nachfolgenden Schreiben vom 2. Juli 2007 bestätigte die Auftraggeberin, dass zwischen ihr und der Klägerin ein Dissens bestehe, ob Skonti als Rabatte unter die vertraglichen Regelungen fielen. Weiter führte die Auftraggeberin sinngemäß u. a. aus:
Aus dem ermittelten Betrag der tatsächlich gezogenen Skonti sollte dann im Wege eines pauschalen Ansatzes in Anlehnung an die von Ihnen geschätzten maßgeblichen Anteile der Auftraggeberin am Gesamtumsatz ein Zahlungsbetrag zur Beilegung der Meinungsverschiedenheiten von der Klägerin an die Auftraggeberin entrichtet werden, der ggf. mit künftigen Zahlungen auf das Vertragsverhältnis verrechnet werden kann. In Ansehung eines Prozessrisikos bei der Durchsetzung der kontroversen Standpunkte zur Eigenschaft von Skonti als Rabatte im Sinne des Vertrags, sollte dieser Zahlungsbetrag 50% der geschätzten maßgeblichen Anteile betragen.
Inzwischen haben Sie mit E-Mail vom 27. Juni 2007 an den Linksunterzeichner mitgeteilt, dass sich bei...