Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtbeachtung einer Dienstanweisung für das maschinelle Veranlagungsverfahren als offenbare Unrichtigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Fehler bei Eintragungen in Eingabewertbögen für die automatische Datenverarbeitung, z.B. infolge Nichtbeachtung einer Dienstanweisung für das maschinelle Veranlagungsverfahren, können als rein mechanische Versehen ähnliche offenbare Unrichtigkeiten i.S.v. § 129 AO sein.

2) Führt ein von der Finanzverwaltung verwendetes EDV-Programm in bestimmten Fällen zu unrichtigen Ergebnissen (hier: Zinsberechung in Aufteilungsfällen nach §§ 269 ff. AO) und besteht für diese Fälle eine Dienstanweisung, eine bestimmte Eingabe (im Erhebungsprogramm) vorzunehmen, die einen Prüfhinweis zur manuellen Berechnung zur Folge hat, und unterbleibt diese Eingabe versehentlich, so kann eine offenbar fehlerhafte (Zins-) Festsetzung nach § 129 AO geändert werden.

 

Normenkette

AO § 129

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Änderung von Zinsfestsetzungen für die Jahre 1994-1998.

Mit Bescheiden vom 07.04.2006 wurden die Einkommensteuerbescheide vom 01.02.2006 für die Streitjahre nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) geändert. In allen Jahren wiesen die Änderungsbescheide hinsichtlich der Einkommensteuer Steuerfestsetzungen und bezüglich der Zinsen Erstattungsbeträge aus.

Im Einzelnen wurden folgende Beträge festgesetzt:

Jahr

Einkommensteuer

Zinsen ESt

EUR

EUR

1994

7641,77

-527,00

1995

7641,77

-1330,00

1996

8158,17

-2061,00

1997

8662,31

-2639,00

1998

8642,88

-3078,00

Die Erstattungsbeträge bezüglich der Zinsen ergaben sich, da im Abrechungsteil der Bescheide vom 07.04.2006 von einer bereits erfolgten Zahlung der insoweit höheren Einkommensteuerschulden aus den früheren, nunmehr geänderten Einkommensteuerbescheiden vom 01.02.2006 ausgegangen wurde.

Der Kläger hatte die festgesetzten Einkommensteuerbeträge zum Zeitpunkt der Änderungen der Bescheide 1994-1998 am 07.04.2006 tatsächlich noch nicht bezahlt.

Zwischen dem Erlass der Bescheide vom 01.02.2006 und den Änderungsbescheiden vom 07.04.2006 hatte die Ehefrau des Klägers die Aufteilung der Steuerschulden beantragt. In diesem Zusammenhang wurden 100 % der Steuerschulden dem Ehemann zugewiesen.

Der Beklagte änderte mit am 12.09.2007 beim Bevollmächtigten des Klägers zugegangenen Bescheiden unter Berufung auf § 129 AO die Zinsfestsetzungen. Aufgrund einer fehlenden Anweisung im Erhebungskonto im Rahmen der Aufteilung der Steuerschuld nach § 268 ff. AO waren die Minderungsbeträge der Änderungsfestsetzungen zu Gunsten des Klägers verzinst worden, obwohl diese noch nicht an das Finanzamt entrichtet worden waren.

Eine in der Rechtsbehelfsakte des Beklagten enthaltene Dienstanweisung vom 23.01.1997 an die Kontenbearbeiter bei der Finanzkasse regelt die maschinellen Anweisungen in Aufteilungsfällen. Danach ist bei Erlass eines Aufteilungsbescheides im Erhebungsprogramm eine personelle Zinsfestsetzungssperre zu setzen. Vorzunehmen ist danach im EDV-System die Eintragung „Erg. 999998”. Zur Begründung dieser Anweisung wird mitgeteilt, dass es in Aufteilungsfällen ohne diese Mitteilung dazu kommen kann, dass noch offene Beträge als bereits gezahlt abgerechnet und in der Folge die Zinsfestsetzungen falsch vorgenommen werden. Werde die personelle Zinsfestsetzungssperre gesetzt, erhalte der Veranlagungsbezirk einen Prüfhinweis und müsse dann die Zinsfestsetzung personell vornehmen.

Der vom Erhebungsbezirk in Aufteilungsfällen zu verwendende Vordruck Nr. 605_171 (Aufteilung_Aktenvermerk(=Verfügungsteil EHBZ)) weist unter der Überschrift „Bearbeitung bei Vorliegen des zu versendenden Aufteilungsbescheides” unter Ziffer 2 folgende abzuarbeitende Eingabe im Erhebungsprogramm aus: „Zur 5000er/2000er Steuernummer: AWS 078 (ERG 99998) zu den betroffenen Zeiträumen; angewiesen am:”.

Weiterhin ist in der Akte ein Arbeitspapier der OFD Münster vom 07.06.2004 enthalten, welches unter der Überschrift „Orientierungshilfen für die Arbeitsweise der Erhebung” zum Thema „Aufteilung einer Gesamtschuld” folgende vorzunehmende Anweisungen hinweist: „Steuernummer: 2000er/50000er; Anweisung: AWS 078; Gründe: Verhinderung unzutreffender Zinsfestsetzung, PH 911”.

Schließlich enthält die Akte ein „Ablaufdiagramm für Aufteilungen nach §§ 268 ff. AO”, welches die Zusammenarbeit zwischen Veranlagungs- und Erhebungsbezirk in Aufteilungsfällen beschreibt. Hierin wird die Erhebungsstelle ausdrücklich auf die Verwendung des Vordrucks 605_171 hingewiesen.

Aus dem in der Rechtsbehelfsakte enthaltenen verschlüsselten Kontoauszug ergibt sich, dass zur Einkommensteuer der Jahre 1994-1998 die Zinsfestsetzungssperren (AWS 078= 999998) erst am 15.01.2007 gesetzt worden sind.

Gegen die Änderungsbescheide wandte sich der Kläger mit Einsprüchen vom 07.09.2007. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens trug er vor, die Festsetzungsfrist für Zinsen nach § 239 AO sei abgelaufen. Weiterhin käme eine Änderung der Festsetzung unter Berufung auf § 129 AO nicht in Betracht, da eine gegeb...

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