Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung der lebenslänglichen Nutzungen und Leistungen unter Anwendung der Sterbetafeln. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: II R 38/22)
Leitsatz (redaktionell)
1. Weder im Gesetz noch in der Gesetzesbegründung finden sich Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber bei der Ermittlung des Kapitalwertes von lebenslangen Nutzungen und Leistungen bei der Anwendung der Sterbetafeln nach § 14 Abs. 1 BewG regelmäßig die Ausnahmevorschrift des § 14 Abs. 2 BewG berücksichtigt haben wollte, ohne dass die tatbestandlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen. Nach Systematik und Wortlaut des Gesetzes soll die (vorrangige) Bewertung der lebenslänglichen Nutzungen und Leistungen nach § 14 Abs. 1 BewG bei nicht laufend veranlagten Steuern nur (ausnahmsweise) dann nach § 14 Abs. 2 BewG entsprechend der „wirklichen Dauer” korrigiert werden, wenn die Lebenserwartung zum Stichtag und die „wirkliche Dauer” in einem unvertretbaren Missverhältnis stehen.
2. Bei der Ermittlung des Kapitalwertes einer Nießbrauchsbelastung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer verstößt die Anwendung geschlechtsspezifischer Sterbetafeln bzw. unterschiedlicher Vervielfältiger für Männer und Frauen gemäß § 14 Abs. 1 BewG jedenfalls nicht zur vollen Überzeugung gegen das Gebot der Gleichbehandlung von Mann und Frau gemäß Art. 3 Abs. 2 und Art. 3 Abs. 3 GG. Bei der Regelung in § 14 Abs. 1 BewG i.V.m. den geschlechtsspezifischen Sterbetafeln handelt es sich um eine typisierende Schätzung im Rahmen des Steuerrechts.
3. Die Regelung in § 14 Abs. 1 BewG bezweckt durch die Anwendung unterschiedlicher Sterbetafeln gerade eine wirtschaftliche Gleichbehandlung von Männern und Frauen. Bei der rein statistischen Gleichbehandlung legt der Gesetzgeber realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zugrunde und passt diesen durch die Zugrundelegung der jeweils aktuellsten Sterbetafeln zeitnah den aktuellen Gegebenheiten an.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 3; BewG § 14 Abs. 1-2; GG Art. 3 Abs. 2
Nachgehend
Tatbestand
Der am ….1939 geborene Z war alleiniger Gesellschafter der Y Vermögensverwaltung GmbH (GmbH). Mit notariellem Vertrag vom ….2014 übertrug er mit Wirkung zum 1.5.2014 jeweils 23,33 % seiner Anteile auf seine Kinder Z1, Z2 (Kläger) und Z3. Die Übertragung erfolgte unter dem Vorbehalt des lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauchs für den Schenker. Die Schenkungsteuererklärung ging am 30.6.2017 beim Beklagten ein.
Mit Bescheid vom 23.8.2021 setzte der Beklagte für die o.g. Übertragung gegenüber dem Kläger Schenkungsteuer auf den 1.5.2014 in Höhe von 1.918 € fest (kein Vorbehalt der Nachprüfung). Dabei ging er von einem Wert des Erwerbs in Höhe von 427.458 € aus (Wert der übertragenen Anteile = 781.864 € ./. Nießbrauchsverpflichtung i.H.v. 354.406 € [Jahreswert = 781.864: 18.6 = 42.036 × Vervielfältiger 8,431]). Der berücksichtigte Wert beruhte auf einem Bescheid des für die GmbH zuständigen Belegenheitsfinanzamts X vom 23.6.2021 über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Werts des Anteils an einer Kapitalgesellschaft nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BewG und die gesonderte Feststellung des Verwaltungsvermögens nach § 13b Abs. 2a ErbStG für Zwecke der Schenkungsteuer auf den Bewertungsstichtag 1.5.2014. Der Feststellungsbescheid enthält keine Aussagen zum Wert des Nießbrauchs. Der Jahreswert des Nießbrauchs und der Wert der übertragenen Anteile sind zwischen den Beteiligten unstreitig.
Gegen den Schenkungsteuerbescheid vom 23.8.2021 hat der Kläger Sprungklage erhoben, der der Beklagte rechtzeitig zugestimmt hat.
Der Kläger macht geltend, der Bescheid sei rechtswidrig, da der für die Berechnung der Nießbrauchslast anzuwendende Vervielfältiger richtigerweise 9,509 betragen müsse. Der Ansatz des höheren Vervielfältigers ergebe sich daraus, dass § 14 BewG einen logischen Bruch enthalte. Denn einerseits sei nach § 14 Abs. 1 BewG der Vervielfältiger nach der statistischen Lebenserwartung zu bemessen, andererseits sei in Fällen, in denen sich das Mortalitätsrisiko innerhalb kurzer Zeit verwirkliche (§ 14 Abs. 2 BewG) der Kapitalwert nach der tatsächlichen Laufzeit zu bemessen. Wenn in einem solchen Fall nun die Ermittlung nach der statistischen Lebenserwartung erfolge, aber von vorneherein nur solche Sterbefälle berücksichtigt würden, die nach einer bestimmten Mindestdauer eingetreten seien, so sei der nach den Tabellen des § 14 Abs. 1 BewG ermittelte Wert mathematisch falsch, da er Umstände berücksichtige, die aus den Gründen des § 14 Abs. 2 BewG gar nicht berücksichtigt würden.
Für den Streitfall ergäbe sich dementsprechend folgende Berechnung:
Der Nutzungsberechtigte sei zum Zeitpunkt der Übertragung 74 Jahre alt gewesen. Die statistische Lebenserwartung habe 11,021 Jahre betragen. Der Berichtigungszeitraum betrage nach § 14 Abs. 2 BewG 5 Jahre. Sei der Berichtigungszeitraum abgelaufen, so betrage die Lebenserwartung für einen dann 79jährigen Mann noch 8,28 Jahre. Die unter Berücksichtigung d...