Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattung von Kapitalertragsteuer

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Formelle Bestandskraft bedeutet Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts nach Ablauf der Einspruchs- oder Klagefrist.

2. Zur Bestimmung des Umfangs der materiellen Bestandskraft ist die im Verwaltungsakt verbindlich mit Wirkung nach außen getroffene Regelung über den bloßen Wortlaut hinaus gegebenenfalls entsprechend §§ 133, 157 BGB auszulegen.

3. Wenn ein Ablehnungsbescheid überschrieben ist mit „Bescheid über die Freistellung und Erstattung von deutschen Abzugsteuern vom Kapitalertrag nach § 44a Abs. 9 EStG bzw. nach § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. § 43b EStG bzw. dem Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland – Österreich aufgrund Ihres Antrags, eingegangen am 27.7.2009, für den im Festsetzungsteil aufgeführten Erstattungsberechtigten”, dann erstreckt sich die materielle Rechtskraft dieses Bescheides auf eine betragsmäßig exakt bezifferte Kapitalertragsteuererstattung bezüglich einer konkret benannten Gewinnausschüttung basierend auf sämtlichen in § 50d Abs. 1 EStG genannten Freistellungsgrundlagen.

 

Normenkette

FGO § 47; BGB §§ 133, 157; EStG §§ 43b, 44a Abs. 9, § 50d Abs. 1; KStG § 32 Abs. 5; AO § 355

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob der Klägerin die beantragte Kapitalertragsteuererstattung zusteht oder ob dem von ihr geltend gemachten Anspruch insbesondere die materielle Bestandskraft des bereits ergangenen Ablehnungsbescheids entgegensteht.

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die B Beteiligungs-GmbH, die in I, Österreich ansässig war, hielt ab dem Jahr 2008 u.a. 10 % der Geschäftsanteile an der C GmbH in G sowie eine Beteiligung an der D AG in J i.H.v. 56,67 %.

Am 24. Oktober 2008 erhielt die Klägerin von der C GmbH eine Ausschüttung i.H.v. 40.000 € und am 15. Dezember 2008 eine Ausschüttung von der D AG in Höhe von 235.747,20 €.

Mit am 21. November 2012 beim Beklagten eingegangenen Freistellungs- und Erstattungsanträgen begehrte die Klägerin hinsichtlich dieser Ausschüttungen die Erstattung von Kapitalertragsteuer (siehe Bl. 107 ff. eFG-Akte). Anspruchsgrundlage sollte nach ihren Ausführungen im Übersendungsschreiben vom 16. November 2012 § 44a Abs. 9 EStG sein. Die verwendeten Antragsformulare sahen als Überschrift einen Antrag auf Erstattung der deutschen Abzugsteuern auf Kapitalerträge nach dem DBA BRD und Österreich (letzteres händisch eingefügt) oder gemäß § 43b EStG oder gemäß § 44a Abs. 9 EStG vor.

Bereits zuvor, mit Eingang am 27. Juli 2009, hatte die Klägerin Freistellungs- und Erstattungsanträge gestellt, die der Beklagte mit Bescheid vom 25. März 2010 unter Berufung auf § 50d Abs. 3 EStG abgelehnt hatte (siehe Bl. 59 ff. der Akte des Beklagten zum Vorgang AT …). Anspruchsgrundlage sollte nach den Ausführungen der Klägerin im damaligen Übersendungsschreiben vom 23. Juli 2009 § 43b EStG sein (siehe Bl. 1 der Akte des Beklagten zum Vorgang AT …). In den verwendeten Antragsformularen wählte die Klägerin hinsichtlich des Antrags auf Erstattung der deutschen Abzugsteuern auf Kapitalerträge die Ankreuzoption „gemäß § 43b (bis 31.12.2000 § 44d) Einkommensteuergesetz (EStG)” und nicht die Ankreuzoption „nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und …” (siehe Bl. 2, 34 der Akte des Beklagten zum Vorgang AT …). Im Antrag hinsichtlich der Ausschüttungen der C GmbH hatte sie ungeachtet des fehlenden Kreuzes „Österreich” als relevanten DBA-Vertragspartner eingetragen (siehe Bl. 34 der Akte des Beklagten zum Vorgang AT …). Der Ablehnungsbescheid vom 25. März 2010 war überschrieben mit „Bescheid über die Freistellung und Erstattung von deutschen Abzugsteuern vom Kapitalertrag nach § 44a Abs. 9 EStG bzw. nach § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. § 43b EStG bzw. dem Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland – Österreich aufgrund ihres Antrags, eingegangen am 27.07.2009, für die im Festsetzungsteil aufgeführten Erstattungsberechtigten”. Rechtsmittel hiergegen hatte die Klägerin nicht eingelegt.

Gegen die bereits mit Bescheid vom 22. Dezember 2009 erfolgte, gleichermaßen auf § 50d Abs. 3 EStG gestützte Ablehnung der ebenfalls mit Eingangsdatum vom 27. Juli 2009 beantragten Freistellungsbescheinigungen gem. § 50d Abs. 2 EStG war sie hingegen erfolgreich vorgegangen. Im Klageverfahren 2 K 1310/13 erließ der Beklagte mit Datum vom 19. Dezember 2018 unter Nichtanwendung von § 50d Abs. 3 EStG geänderte Freistellungsbescheinigungen (siehe Bl. 722 ff. eFG-Akte 2 K 1310/13).

Unter Verweis auf den bestandskräftigen Ablehnungsbescheid vom 25. März 2010 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 15. August 2013 die Kapitalertragssteuererstattung hinsichtlich der Ausschüttungen der C GmbH und der D AG ab.

Den gegen diesen Bescheid eingelegten Einspruch wies der Beklagte, nachdem der Bescheid mit Datum vom 19. Oktober 2018 aus vorliegend nicht relevanten Gründen – im Hinblick auf die Erstattung von bei einer weiteren, nicht streitgegenständlichen Ausschüttung einbehaltenen und abgeführten Kapi...

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