Entscheidungsstichwort (Thema)
Erpressungsgelder und Unterhaltsleistungen als außergewöhnliche Belastungen; Übertragung des halben Kinderfreibetrages
Leitsatz (redaktionell)
1) Erpressungsgelder stellen außergewöhnliche Belastungen dar. Deren Zwangsläufigkeit beurteilt sich grundsätzlich unabhängig von einem etwaigen (Mit-)Verschulden des Steuerpflichtigen. Die Zwangsläufigkeit entfällt auch nicht, wenn der Geschädigte mangels Werthaltigkeit seinen zivilrechtlichen Schadensersatzanpruch gegen den Erpresser nicht gerichtlich geltend macht.
2) Dem Vater eines unehelichen Kindes ist die Übertragung des halben Kinderfreibetrages von der Mutter auf ihn versagt, wenn die Mutter ihrer Unterhaltspflicht durch Natural- und Betreuungsunterhalt nachkommt, da diese dem Barunterhalt gleichwertig sind. Aufgrund des Kinderfreibetrages steht dem Vater kein Abzug als außergewöhnliche Belastung zu.
3) Unterhalt an die Mutter des unehelichen Kindes kann mangels gesetzlicher Grundlage nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden. Insbesondere reicht eine etwaige sittliche Verpflichtung zur Unterhaltsgewährung seit 1996 nicht mehr aus.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 6, 6 S. 5, § 33a Abs. 1, 5, § 33 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger (geboren 06.01.1936) wurde im Streitjahr 1996 mit seiner am 06.4.1998 an einem Herzinfarkt verstorbenen Ehefrau G. (geb. 31.08.1913), deren Alleinerbe er auf Grund Erbvertrag vom 10.10.1960 wurde, zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Eheleute waren seit 1964 kinderlos verheiratet. Der Kläger erzielte im Jahr 1996 als Assekuranz-Makler Einkünfte aus Gewerbebetrieb (318,– DM; 1995: 280,– DM; 1997: ./. 471,– DM). Die Ehefrau bezog als Rentnerin eine Altersrente (21.156,– DM). Gemeinsam erzielten die Eheleute aus der Vermietung ihrer zehn Mietwohngrundstücke Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (172.642,– DM) sowie Einkünfte aus Kapitalvermögen (2.616,– DM).
In der am 13.08.1998 abgegebenen Einkommensteuer-Erklärung machte der Kläger erstmals einen Kinder-Freibetrag, und zwar in voller Höhe, für seinen am 27.02.1992 geborenen Sohn T. geltend. Er legte hierzu eine von der Mutter des Kindes, Frau B. (geb. 06.10.1957), unterzeichnete Anlage K vom 31.08.1998 vor, mit der sie ihre Zustimmung zur Übertragung des ihr zustehenden Kinder-Freibetrages erteilte. Daneben beantragte er ebenfalls erstmalig, Unterhaltszahlungen an Frau B. in Höhe von 29.412,– DM auf Grund der Erziehung des gemeinsamen Sohnes als außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen. Frau B. war im Streitjahr ledig. Seit 07.11.1999 ist sie mit dem Kläger verheiratet.
Mit Einkommensteuerbescheid vom 30.11.1998 führte der Beklagte die Veranlagung weitestgehend erklärungsgemäß durch. Unter Hinweis auf eine fehlende gesetzliche Unterhaltsverpflichtung wurden die Unterhaltszahlungen an Frau B. steuerlich nicht anerkannt. Mit der Begründung, dass eine freiwillige Übertragung von Kinder-Freibeträgen nicht mehr möglich sei, wurde dem Kläger nur ein halber Kinder-Freibetrag zugestanden.
Am 22.12.1998 legte der Kläger Einspruch ein und beantragte erstmals, Erpressungsgelder in Höhe von 58.104,16 DM als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG bei der Veranlagung zu berücksichtigen.
Dem liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
Der Kläger hatte im Jahre 1993 einige Monate lang ein intimes Verhältnis zu Frau N., geborene Sladeck, geb. 03.12.1962 [Verhältnis im September 1993 einvernehmlich beendet], die zuvor im Haushalt des Klägers und seiner Ehefrau als Hausgehilfin gearbeitet hatte. Das Verhältnis hielten der Kläger und Frau N. gegenüber der Ehefrau des Klägers geheim, da von dieser auf Grund eines bereits erlittenen Herzinfarktes jegliche Aufregung fern gehalten werden musste. Im Rahmen der Beziehung lernte der Kläger in der Wohnung von Frau Nawroth flüchtig ihre Freundin, Frau E. (geb. 17.08.1952), kennen. Frau E. lebte in finanziell beengten und familiär schwierigen Verhältnissen. Nach Beendigung des Verhältnisses zwischen Frau N. und dem Kläger trat Frau E. in Kenntnis der Lebensumstände des Klägers an diesen mit der Drohung heran, seiner schwer herzkranken Ehefrau von dem intimen Verhältnis zu erzählen, wenn er ihr nicht Geld zahle. Der Kläger zahlte hierauf zwischen Anfang 1994 und Dezember 1997 insgesamt etwa 191.000,– DM (1994: 35.289,– DM; 1995: 12.320,– DM; 1996: 58.104,16 DM; 1997: 85.300,– DM; 1998: 60.000,–?), weil er verhindern wollte, dass seine Frau von dem Verhältnis erfuhr und hierdurch in ihrer Gesundheit stark beeinträchtigt werden würde. Die Zahlungen erfolgten in 3- bis 4-stelliger, zum Teil auch 5-stelliger Höhe bei fast wöchentlich auf Veranlassung von Frau E. stattfindenden Treffen. Der Kläger notierte sich Zeitpunkt und Umfang der Zahlungen, sammelte Überweisungsträger, kopierte übergebene Schecks und Einzahlungsbelege für Postanweisungen. Daneben ließ er sich von Frau E. für eine Vielzahl der Zahlungen auch von ihm vorformulierte Erklärungen unterschreiben, worin ...