Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit von § 32d EStG
Leitsatz (redaktionell)
§ 32d EStG ist verfassungsgemäß. Die für die VZ 1993 bis 1996 geltende Übergangsvorschrift zur Steuerfreistellung des existenznotwendigen Bedarfs entspricht den Vorgaben des BVerfG im Beschluß zum Existenzminimum vom 25.09.1992.
Normenkette
EStG § 32d; GG Art. 3 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung der Klägerin für 1994 die Verfassungsmäßigkeit des § 32d des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Die Klägerin war im Streitjahr Studentin. Ihr zu versteuerndes Einkommen betrug 13.065 DM. Außerdem hatte die Klägerin Kapitalerträge in Höhe von 252 DM (nach Abzug des Werbungskosten-Pauschbetrags). Bei der Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer milderte der Beklagte die nach der Grundtabelle festzusetzende Steuer (1.422 DM) unter Anwendung der Zusatztabelle für 1994 zur Grundtabelle (§ 32d Abs. 1 Satz 2 EStG) auf 1.377 DM und setzte die Steuer mit Bescheid vom 10.08.1995 auf diesen Betrag fest.
Hiergegen erhob die Klägerin Einspruch. Zur Begründung trug sie vor, die Steuerfestsetzung entspreche zwar den Angaben in der Steuererklärung und der Gesetzeslage, insbesondere der Regelung in § 32d EStG. Gleichwohl bestehe für die Besteuerung von Geringverdienern in den Jahren 1993 – 1995 keine Rechtsgrundlage, weil der Gesetzgeber die Aufforderung des Bundesverfassungsgerichts in dessen Beschluß vom 25.09.1992 2 BvL 5,8,14/91, BVerfGE 87, 153 nicht zutreffend umgesetzt habe. Mit der in § 32d EStG getroffenen Übergangsregelung für die Entlastung bei niedrigen Erwerbseinkommen verstoße der Gesetzgeber gegen elementare Grundsätze des deutschen Einkommensteuerrechts. So dürfe der Grenzsteuersatz bei Kleinverdienern nicht höher liegen als der Steuersatz bei Spitzenverdienern (53 v.H.). Im Falle der Klägerin errechne sich bei dem das steuerliche Existenzminimum von 11.069 DM (§ 32d Abs. 1 Satz 1 EStG) übersteigenden Teil der Erwerbsbezüge (übersteigender Teil: 2.248 DM) eine Grenzsteuerbelastung von 61,25 v.H.. Dies sei ein ganz offensichtlicher Verfassungsverstoß. Verfassungsrechtlich zumindest bedenklich seien auch die Höhe des sozialrechtlichen Mindestbedarfs und das Verfahren zu seiner Berechnung, der Katalog der Hinzurechnungsbeträge in § 32d Abs. 2 EStG sowie die Ermittlung der Erwerbsbezüge. Mit Einspruchsentscheidung vom 15.04.1996 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage.
Die Klägerin macht wie bereits im Vorverfahren die Verfassungswidrigkeit des § 32d Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 EStG geltend. Die sog. Überleitungsregelung beinhalte einen Progressionssprung, der die vertikale Gleichheit im Verhältnis geringerer zu höheren Einkommen außer acht lasse. Hierdurch werde die Klägerin in ihren Grundrechten verletzt. Insbesondere liege ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) vor.
Wegen der Einzelheiten des klägerischen Vorbringens wird auf den Inhalt der Klageschrift (mit Anlagen) sowie auf die Schriftsätze vom 31.03.1997 und vom 6.06.1999 Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
- den Einkommensteuerbescheid 1994 vom 10.08.1995 und die Einspruchsentscheidung vom 15.04.1996 wegen Verfassungswidrigkeit des § 32d Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 EStG dahingehend abzuändern, daß die Einkommensteuer 1994 auf 0 DM abgesenkt wird,
- hilfsweise die Einkommensteuer 1994 nach Maßgabe der vormaligen Verwaltungsregelung zur Steuerfreistellung des Mindestbedarfs im Veranlagungszeitraum 1993 festzusetzen (BMF v. 23.12.1992, BStBl 1993 I, S. 14),
- die Kosten des Verfahrens dem Beklagten aufzuerlegen und festzustellen, daß die Zuziehung eines Bevollmächtigten auch für das Vorverfahren notwendig war (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO),
- im Falle der vollen oder teilweisen Ablehnung des Klage- oder des Hilfsantrages die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die vom Gesetzgeber in § 32d EStG getroffene Übergangsregelung nicht für verfassungswidrig und verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Die Berechnung und Festsetzung der Steuer entspricht ohne Einschränkungen der vom Gesetzgeber in § 32d EStG getroffenen Regelung. Dies wird im übrigen auch von der Klägerin selbst so gesehen.
Im Gegensatz zur Klägerin hält das Gericht die Bestimmung des § 32d EStG nicht für verfassungswidrig. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25.09.1992 in BVerfGE 87,153 ist die Regelung des § 32 a Abs. 1 Satz 2 EStG in der für die Jahre 1978 bis 1984, 1986, 1988 und 1991 jeweils geltenden Fassung mit dem Grundgesetz unvereinbar. Dies gilt gleichermaßen für § 32 a Abs. 1 Satz 2 EStG in der für das Streitjahr 1994 geltenden Fassung, für das wie bereits für 1991 der Grundfreibetrag unverändert 5.616 DM beträgt. Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber verpflichtet, spätestens mit Wirkung zum 1. Januar 1996 eine Neuregelung zu tref...