Entscheidungsstichwort (Thema)
keine Anwendung von § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG, wenn Steuerpflichtiger nur bis zum 31.12., 23.59 Uhr eigenen Grundbesitz verwaltet
Leitsatz (redaktionell)
§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG erfordert neben der qualitativen und quantitativen auch eine zeitliche Ausschließlichkeit der vermögensverwaltenden Grundstücksnutzung. Diese ist nicht gegeben, wenn der Steuerpflichtige eigenen Grundbesitz nur bis zum 31.12, 23.59 Uhr, also nicht bis zum Ende des für die Gewerbesteuer maßgeblichen Kalenderjahres verwaltet.
Normenkette
GewStG § 9 Nr. 1 S. 2, Nr. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Bescheid über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag 1996 vom 08.10.2001 rechtmäßig ist oder ob bei der Berechnung des Gewerbesteuermessbetrages die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) in voller Höhe anzuerkennen ist.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Sie hat bis 1996 eigenen Grundbesitz verwaltet. Seit Anfang 1997 erzielt sie nur noch Einkünfte aus Kapitalvermögen. Ihr einziges und damit letztes Grundstück veräußerte sie durch notariellen Vertrag vom …. Nach Vereinbarung II Nr. 2 des Kaufvertrages war der Kaufpreis am 31.12.1996 fällig und zahlbar. Nach Vereinbarung III Nr. 4 des Kaufvertrages gingen Besitz, Nutzungen, Verkehrssicherungspflichten, die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung sowie die Lasten einschließlich aller Verpflichtungen aus dem den übertragenen Grundbesitz betreffenden Versicherungen unabhängig von der Zahlung des Kaufpreises am 31.12.1996, 23.59 Uhr, auf den Käufer über.
Diese Kaufvertragsvereinbarung veranlasste den Beklagten, den Gewinn der Klägerin aus Gewerbebetrieb nur noch gemäß § 9 Nr.1 Satz 1 GewStG um 1,2 % des Einheitswertes des betrieblich genutzten Grundbesitzes zu kürzen; die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr.1 Satz 2 GewStG versagte er.
Der gegen diesen Bescheid vom 08.10.2001 gerichtete Einspruch blieb erfolglos. Der Beklagte führte zur Begründung seiner Entscheidung vom 17.04.2002 aus, die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG könne nur gewährt werden, wenn das steuerpflichtige Unternehmen ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalte und nutze. Veräußere ein solches Unternehmen Grundbesitz, so unterliege grundsätzlich auch der durch die Veräußerung erzielte Gewerbeertrag der erweiterten Kürzung. Handele es sich jedoch, wie im Falle der Klägerin, um den Verkauf des einzigen und letzten Grundstückes während des Erhebungszeitraumes, so sei die Kürzung ausgeschlossen, weil dann die schlichte Grundstücksverwaltung nicht mehr während des gesamten Erhebungszeitraumes gegeben sei. Dementsprechend sei es unbeachtlich, dass die für die erweiterte Kürzung erforderlichen Voraussetzungen nur für eine Minute nicht erfüllt gewesen seien.
Mit der hiergegen gerichteten Klage macht die Klägerin geltend, die vertragliche Formulierung zum Zeitpunkt des Übergangs des Grundstückes stelle lediglich eine textliche Gestaltung dar, die habe sicherstellen sollen, dass die Erträgnisse aus der Grundstücksnutzung für 1996 noch komplett dem Verkäufer zuzurechnen waren, während der Käufer schon am 31.12.1996 um 23.59 Uhr das Grundstück in seinen Besitz habe nehmen können. Dieser Zeitpunkt sei gewählt worden, um die Problematik der Veräußerung zum Ende oder mit Beginn des Kalenderjahres zu umgehen (vgl. sog. Mitternachtserlass in Abschnitt 25 Abs.2 der Vermögensteuerrichtlinien 1983; Urteil des Finanzgerichts München vom 15.07.1986 VII 65/83 EW, V, EFG 1987, 106). Die Klägerin habe ausschließlich eigenen Grundbesitz im Veranlagungszeitraum 1996 verwaltet, sie habe keine weiteren Tätigkeiten ausgeübt. Aufgrund der Übertragung am 31.12.1996 um 23.59 Uhr, also nach Geschäftsschluss, habe die Gesellschaft auch überhaupt keine Möglichkeit mehr gehabt, eine andere Tätigkeit auszuüben als die der Grundstücksverwaltung. Desweiteren sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu prüfen. Dieser Grundsatz, der sich unmittelbar aus dem Wesen der Grundrechte ergebe und der für alle grundrechtseinschränkenden Gesetze, also auch für die Steuergesetze gelte, enthalte auch das Gebot der Proportionalität. Danach müssten Mittel und Zweck in einem angemessenen Verhältnis stehen. Dieses Verhältnis sei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes -BFH- (vgl. Urteile des BFH vom 11.08.1999 XI R 12/98, BStBl II 2000, 229 und vom 18.04.2000 VIII R 68/98, BStBl II 2001, 359) nicht gewahrt, wenn zum Beispiel eine Tätigkeit von ganz untergeordneter Bedeutung eine umqualifizierende Wirkung entfalten würde. In diesem Falle würde die schädliche Tätigkeit eine unverhältnismäßige Rechtsfolge auslösen und damit eine Bedeutung erlangen, die ihr von ihrem Gewicht nicht zukomme. Im Falle der Klägerin sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Gebot der Proportionalität nicht gewahrt. Mittel und Zweck stünde...