Entscheidungsstichwort (Thema)
Doppelte Haushaltsführung in einem sog. Wegverlegungsfall
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine aus beruflichem Anlass begründete doppelte Haushaltsführung kann auch dann vorliegen, wenn ein Steuerpflichtiger seinen bisherigen Haupthausstand aus privaten Gründen vom Beschäftigungsort wegverlegt und daraufhin in der dort beibehaltenen Wohnung einen Zweithaushalt begründet, um von dort seiner bisherigen Beschäftigung nachzugehen.
2. Der Lebensmittelpunkt des Steuerpflichtigen muss sich in der Wohnung befinden, in welchem der Haupthaushalt geführt wird, wobei sich der Steuerpflichtige im Wesentlichen nur unterbrochen durch die arbeits- und urlaubsbedingte Abwesenheit dort aufhält.
3. Ob die außerhalb des Beschäftigungsorts liegende Wohnung des Arbeitnehmers dessen Lebensmittelpunkt bildet, ist anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen, wobei indiziell von Bedeutung ist, wie oft und wie lange sich der Arbeitnehmer in der einen und der anderen Wohnung aufhält, wie beide Wohnungen ausgestattet sind und wie groß sie sind, zu welchem Wohnort die engeren persönlichen Beziehungen bestehen und wo sich Bezugspersonen des Arbeitnehmers überwiegend aufhalten.
4. Bei einem verheirateten Arbeitnehmer liegt der Lebensmittelpunkt grundsätzlich an dem Ort, an welchem auch der Ehegatte wohnt.
5. Es ist für die Annahme eines Lebensmittelpunktes nicht ausreichend, wenn die Steuerpflichtigen nicht am örtlichen Geschehen oder Gemeindeleben teilgenommen haben, dort keine Tageszeitung bezogen haben, nicht ersichtlich ist, welche sozialen Kontakte sie und ihre Kinder an dem betreffenden Ort oder dessen Umgebung hatten, sie sich zwar häufig wegen einer Erkrankung des Vaters der Steuerpflichtigen dort aufgehalten haben, aber nur von etwa 30 nachgewiesenen Aufenthaltstagen pro Jahr an diesem Ort auszugehen und es naheliegend ist, dass sich die wesentlichen Sozialkontakte am Beschäftigungsort befanden.
6. Es spricht entscheidend gegen einen eigenen Hausstand der Steuerpflichtigen, wenn weder dargelegt noch nachgewiesen ist, auf welcher Grundlage ihnen die einzelnen Räume zur Nutzung überlassen worden sein sollen, wenn den Eltern der Steuerpflichtigen ein uneingeschränktes Wohnrecht am gesamten Haus zusteht.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5
Tatbestand
Die Kläger begehren im Streitjahr 2016 die Berücksichtigung von Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit.
Die Kläger wurden im Streitjahr als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie werden ab dem Veranlagungszeitraum 2013 beim Beklagten steuerlich geführt, da sie zum 1.4.2013 von Z nach Y in die Wohnung „W-Straße …” (1. OG links) umgezogen waren.
Die Kläger haben zwei Kinder (X und U, beide geboren am ….2011), die im Streitjahr einen Kindergarten in Y, ab dem Jahr 2017 eine Grundschule in Y und später eine weiterführende Schule in Y besuchten.
Sowohl die Klägerin als auch der Kläger erzielten im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Kläger war als …beauftragter tätig. Er erzielte im Streitjahr einen Bruttoarbeitslohn von … Euro und hat – was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist – seit dem 1.2.2014 eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung an seinem Beschäftigungsort in V. Die Klägerin ist seit dem 1.8.2014 bei der Firma „Q OHG” in der P-Straße …in Y beschäftigt und erzielte im Streitjahr einen Bruttoarbeitslohn von 16.100 Euro.
Die vom Kläger für das Jahr 2016 eingereichten Lohnabrechnungen weisen – ebenso wie eine Zusatzvereinbarung zum Anstellungsvertrag vom 15.12.2015 – die Anschrift der Kläger in Y aus. In der Zusatzvereinbarung vom 15.12.2015 wird hinsichtlich des Arbeitsorts des Klägers folgendes festgelegt:
„Der Angestellte wird seine Arbeitsleistung ab dem 1. Januar 2016 ausgehend vom Homeoffice in seinen privaten Räumen erbringen… Ein Internetzugang sowie die Räume selbst werden vom Angestellten gestellt…”.
In einer an den Kläger an seine Y Anschrift gerichteten Bescheinigung über „Home-Office Tätigkeit” vom 22.7.2020 führt der Arbeitgeber des Klägers aus, dass der Kläger seine vertragliche Arbeitsleistung von seinem Home-Office aus erbringe.
Hinsichtlich der Versteuerung seines Dienstwagens teilte der Kläger handschriftlich auf einem „Korrekturdruck Januar 2016” (Lohnabrechnung) mit, dass „keine 0,03%-Regelung für Fahrten Wohnung/Arbeitsstätte” anzusetzen sei, „da aufgrund …ätigkeit 1. Arbeitsstätte (laut Zusatz zum Anstellungsvertrag) in Y”. Für Einzelheiten wird auf den Korrekturabdruck und die dortige Anmerkung Bezug genommen.
Der Arbeitsvertrag der Klägerin vom 29.7.2014 weist ebenfalls die Y Adresse als Anschrift der Klägerin aus. Eine Bestätigung ihres Arbeitgebers über die im Jahr 2016 geleisteten Arbeitszeiten (montags bis donnerstags, jeweils von 9:00 bis 14:00 Uhr) ist ebenfalls an die Y Anschrift der Klägerin gerichtet. Die Bescheide der Stadt Y über die Elternbeiträge für den Kindergarten (Regelbetreuungsze...