Entscheidungsstichwort (Thema)
Betrieb therapeutischer Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe
Leitsatz (redaktionell)
Die erzieherische Tätigkeit aus dem Betrieb eines Kinder- und Jugendheims ist nur dann eigenverantwortlich, wenn der Betriebsinhaber einen aktiven Anteil daran hat und nicht nur organisatorisch sicherstellt, dass sein Erziehungskonzept durchgeführt wird.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Qualifizierung von Einkünften des Klägers als solche aus selbständiger Arbeit oder Gewerbebetrieb und damit über die Frage, ob diese Einkünfte der Gewerbesteuer unterliegen.
Der Kläger ist Diplom-Sozialarbeiter und betreibt die therapeutische Einrichtung A. Für die therapeutische Arbeit beschäftigt der Kläger mehrere Fachkräfte, u.a. sozialpädagogische Fachkräfte und Psychologen.
In den Streitjahren (…) war die Einrichtung durchschnittlich mit 65 Heimplätzen in der Gruppenarbeit, 8 in sozialpädagogischen Lebensgemeinschaften und 5 im betreuten Wohnen belegt. Die Verwaltung aller Bereiche erfolgt von dem Betriebsgebäude in B, C-Straße …, aus.
…
Die Betreuung erfolgt in der Regel in Wohngruppen in verschiedenen Häusern in B, D, E, F und G. Die Kinder und Jugendlichen besuchen daneben öffentliche Schulen.
Der Kläger selbst betreut keine der Gruppen unmittelbar.
Das Betreuungsangebot umfasst nach der Darstellung der Einrichtung u.a. folgende Leistungen:
„…”
Der Kläger ermittelt seinen Gewinn aus dem Betrieb des Heimes durch Bestandsvergleich (§ 4 Abs. 1, § 5 Einkommensteuergesetz –EStG–). In der Einkommensteuererklärung der Streitjahre erklärte er den Gewinn als Einkünfte aus selbständiger Arbeit.
Am 01.12.2014 begann beim Kläger eine Betriebsprüfung. Die Betriebsprüfung kam zu dem Ergebnis, dass die Tätigkeit des Klägers als eine gewerbliche Tätigkeit anzusehen sei (vergleiche Betriebsprüfungsbericht vom 10.06.2015, BP-Akte).
Infolge dessen erließ der Beklagte am 07.09.2015 erstmalige Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag für die Streitjahre.
Hiergegen legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein und machte neben weiteren Punkten geltend, dass seine Tätigkeit eine freiberufliche Tätigkeit sei und daher keine Gewerbesteuer festzusetzen sei.
Mit Änderungsbescheiden vom 24.03.2016 half der Beklagte dem Einspruch des Klägers in den übrigen streitigen Punkten, nicht aber hinsichtlich der Qualifizierung der Einkünfte aus dem Betrieb des Heimes ab.
Den verbliebenen Einspruch wies er mit Einspruchsentscheidung vom 09.05.2016 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 27.05.2016 Klage erhoben und diese wie folgt begründet:
Er sei mit der von ihm betriebenen Einrichtung freiberuflich im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG tätig. Er übe eine erzieherische Tätigkeit aus. Zwischen den Beteiligten sei letztlich nur streitig, ob er trotz der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte noch aufgrund seiner eigenen Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig werde im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG.
Dies sei zu bejahen. Denn alle Mitarbeiter im Erziehungsbereich arbeiteten unter seiner Anleitung und Überprüfung und die Erziehung jedes einzelnen jungen Menschen trage mithin seine persönliche Prägung als Heimleiter.
Die Tatbestandsmerkmale „leitend” und „eigenverantwortlich” stünden nach der Rechtsprechung selbständig nebeneinander, sie könnten aber auch nicht völlig unabhängig voneinander gesehen werden. Insbesondere in einer vom Inhaber geführten Einrichtung sei eine leitende, im Sinne von richtungsweisender und führender Tätigkeit immer auch eigenverantwortlich. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht seien die Verwaltung des Sach- und Personalbereichs, die Arbeitsplanung und Arbeitsverteilung von Mitarbeitern leicht zu übernehmende Routine oder auf externe Dienstleister (z.B. Steuerberater) zu übertragen, so dass dem Inhaber für eine persönliche Teilhabe an der praktischen Arbeit im Bereich der Erziehung nicht nur ausreichend sondern überwiegend Zeit zur Verfügung stehe. Die Auswahl und Aufsicht über die Mitarbeiter im Betreuungsbereich, deren Anleitung und Überprüfung, insbesondere durch persönliche Mitwirkung, könne als seine Haupttätigkeit angesehen werden und stelle sicher, dass die Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte den Stempel seiner Persönlichkeit trage.
Er als Einrichtungsleiter steuere die Umsetzung der Betreuung für jeden jungen Menschen in einem Hilfeplan. Die stationäre Kinder- und Jugendhilfe sei pädagogisch auf die Arbeit in überschaubaren Kleingruppen ausgerichtet. Zur Umsetzung des Hilfeplans bestimme der Heimleiter eine geeignete Gruppe. Er alleine bestimme die pädagogischen Maßnahmen zur Umsetzung des Hilfeplans, was allerdings eine Beratung mit seinen fachlich vorgebildeten Arbeitskräften erfordere. Die Umsetzung der pädagogischen Maßnahmen für jeden einzelnen jungen Menschen werde vom Einrichtungsleiter mit einem bewährten Berichtswesen durch die Betreuer und insbesondere eine regelmäßige Inaugenscheinnahme überwacht....