Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensmäßige Berücksichtigung eines Weiterleitungsvorbehalts
Leitsatz (redaktionell)
Der sog. Weiterleitungsvorbehalt ist bereits im Verfahren über die Rechtmäßigkeit des Aufhebungs- und Rückforderungsbescheids über bereits gezahltes Kindergeld und nicht erst in einem gesonderten Billigkeitsverfahren zu berücksichtigen.
Normenkette
AO 1977 § 37 Abs. 2; EStG § 70 Abs. 2
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung und Rückforderung von Kindergeld für die Monate April bis Dezember 1996 streitig.
Der Kläger beantragte für seine Tochter A. am 25. September 1995 Kindergeld. Daraufhin wurde ihm Kindergeld ab Juli 1995 bewilligt.
Am 05.11.1996 wurde dem Beklagten bekannt, dass das Kind seit Oktober 1995 unstreitig im Haushalt der Kindesmutter, der geschiedenen Ehefrau des Klägers, wohnt. Diese hatte nämlich im Oktober 1996 beim Arbeitsamt S. einen Antrag auf Kindergeldfestsetzung gestellt. Das Arbeitsamt S. setzte daraufhin Kindergeld ab April 1996 zu Gunsten der Kindesmutter fest.
Der Beklagte hörte den Kläger zu einer Kindergeldüberzahlung für November 1995 bis Dezember 1996 an. Gleichzeitig wurde nachgefragt, ob der Kläger das Kindergeld ggfls. an seine getrennt lebende Ehefrau weitergeleitet habe und wenn ja, für welchen Monat und in welcher Höhe dies geschehen sei.
Mit Bescheid vom 11. Februar 1997 hob der Beklagte die Kindergeldfestsetzung gegenüber dem Kläger für die Zeit von Januar bis Dezember 1996 in Höhe von monatlich 200,– DM gemäß § 70 Abs. 2 EStG auf und verlangte den Betrag gemäß § 37 Abs. 2 AO zurück.
Dagegen legte der Kläger rechtzeitig Einspruch ein. Er bestätigte, dass sein Kind A. seit dem 25. Oktober 1995 im Haushalt der Mutter lebe. Die entsprechenden, der Kindesmutter zustehenden 50 %igen Kindergeldzahlungen seien von ihm an seine frühere Ehefrau zusammen mit den Kindesunterhaltszahlungen ausbezahlt worden. Am 18. Februar 1997 teilte die Kindesmutter dem Beklagten mit, dass ihrem Kindergeldantrag für ihre Tochter A. erst ab 1. Januar 1997 zu entsprechen sei. In der Zeit von Oktober 1995 bis einschließlich Dezember 1996 habe der Kläger mit ihr persönlich abgerechnet. Er habe ihr das Kindergeld mit dem Unterhalt zusammen gezahlt.
Der Beklagte wies mit Einspruchsentscheidung vom 8. April 1997 den Einspruch gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid als unbegründet zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung bezug genommen.
Mit der rechtzeitig erhobenen Klage trägt der Kläger vor:
Er habe das hälftige Kindergeld aufgrund der Unterhaltsvereinbarung an die Kindesmutter weitergeleitet. Diese bestätigt dies nunmehr noch einmal ausdrücklich mit Bescheinigung vom 10. Februar 2002, auf die Bezug genommen wird. Darin erklärt sie auch, dass sie aufgrund der Weiterleitung ihren Anspruch auf Kindergeld für den Zeitraum Januar bis Dezember 1996 als erfüllt ansehe.
Der Kläger beantragt,
den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 11. Februar 1997 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 8. April 1997 für die Monate April bis Dezember 1996 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt
Klageabweisung.
In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte erklärt, dass er aufgrund der Kindergeldfestsetzung gegenüber der Kindesmutter erst ab April 1996 auf eine Rückforderung des für Januar bis März 1996 gezahlten Kindergeldes verzichte. Daraufhin hat der Senat das Verfahren bezüglich der Monate Januar bis März 1996 abgetrennt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet.
Der angefochtene Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger deshalb in seinen Rechten, vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –.
1. Der Senat entscheidet im vorliegenden Verfahren, ohne zuvor die Kindesmutter beizuladen. Die Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung gemäß § 60 Abs. 3 FGO liegen nicht vor. Der Beklagte hat auch keinen ausdrücklichen Antrag auf Beiladung der Kindesmutter gemäß § 174 Abs. 5 Satz 2 der Abgabenordnung 1977 – AO – gestellt. Die im Schriftsatz vom 26. Februar 2002 ausgesprochene Anregung der Beiladung reicht hierfür nicht aus.
2. Der Senat ist der Auffassung, dass der sog. Weiterleitungseinwand auch bereits in dem Verfahren über die Rechtmäßigkeit des Aufhebungs- und Rückforderungsbescheids, und nicht erst in einem gesonderten Billigkeitsverfahren, geltend gemacht werden kann (vgl. zu dieser bisher vom Bundesfinanzhof nicht entschiedenen Rechtsfrage zusammenfassend Finanzgericht Köln, Beschluss vom 28. November 2000, 2 V 5780/00, demnächst in Entscheidungen der Finanzgerichte 2002). Der sog. Weiterleitungseinwand ist Ausfluss des Grundsatzes von Treu und Glauben. Dieser wirkt rechtsbegrenzend und hindert die Geltendmachung z.B. eines Rückforderungsanspruchs (vgl. allgemein Kruse/Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, 16. Auflage, § 4 AO Tz. 164 (Stand Oktober 2001)). Auch in vergle...