Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuer-Vergütung - Verlängerung der Frist zur Abgabe des Antrags?
Leitsatz (redaktionell)
1) Die Frist des § 61 Abs. 1 S. 2 UStDV a.F. ist als gesetzliche Ausschlussfrist nicht verlängerbar. § 18 Abs. 9 UStG a.F. reicht insofern als Ermächtigungsgrundlage aus, da diese Norm im Zusammenhang mit Art. 7 Abs. 1 S. 4 der 8. EG-Richtlinie zu sehen ist, der die sechsmonatige Ausschlussfrist festlegt. Die spätere Aufnahme dieser Frist ins Gesetz dient lediglich der Rechtsklarheit und nicht der Korrektur.
2) Die Frist nach § 61 Abs. 1 S. 2 UStDV a.F. ist auch nicht rückwirkend nach § 109 AO verlängerbar, denn § 18 Abs. 9 UStG a.F. i.V.m. § 61 Abs. 1 S. 2 UStDV a.F. stellen Spezialvorschriften dar.
Normenkette
UStDV a.F. § 61 Abs. 1 S. 2; UStG a.F. § 18 Abs. 9; AO § 109; EWGRL 1072/79 Art. 7 Abs. 1, 1 S. 4; UStDV a.F. § 61 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob der Klägerin rückwirkend die Frist zur Abgabe der Anträge auf Vorsteuer-Vergütung für die Zeiträume Januar bis Dezember 1990, 1991 und 1992 zu verlängern ist.
Am 1.7.1994 beantragte die Klägerin Vergütung von Vorsteuern der Jahre 1990, 1991 und 1992 sowie gleichzeitig, rückwirkend nach § 109 AO die Abgabefrist zu verlängern, weil ihr die Möglichkeit der Erstattung nicht bekannt gewesen sei.
Mit Bescheiden vom 15.12.1994 lehnte der Beklagte die Vergütung mit der Begründung ab, daß die Frist des § 61 Abs. 1 UStDV abgelaufen sei. Mit Bescheiden vom 12.12.1994 wies er die Anträge auf rückwirkende Fristverlängerung nach § 109 AO ab. Während der gegen diese Bescheide durchgeführten Einspruchsverfahren führte die Klägerin aus, daß ihr die Antragsfrist für die Vorsteuer-Vergütung nicht bekannt gewesen sei.
Die Beschwerden, die als Einsprüche behandelt wurden, wurden als unbegründet zurückgewiesen (Entscheidung vom 8.3.1996). Über die Einsprüche gegen die Ablehnung der Vorsteuervergütung ist noch nicht entschieden.
Mit der Klage trägt die Klägerin vor:
Die Antragsfrist nach § 61 Abs. 1 Satz 2 UStDV könne grundsätzlich nach § 109 Abs. 1 Satz 2 AO verlängert werden. Die Ablehnung des Antrags sei vorliegend ermessensfehlerhaft und deshalb rechtswidrig. Zur Versäumung der Frist sei es durch einen Personalwechsel in der in England gelegenen Steuerabteilung gekommen. Der „alte” Financial Accounting Manager habe das Unternehmen plötzlich und vorhersehbar verlassen. Der „neue” Manager habe sich ohne Einarbeitungsmöglichkeit wegen der Fülle der Aufgaben nicht sofort der Fertigung von Vorsteuererstattungsanträgen widmen können.
Im übrigen sei die Ablehnung des Fristverlängerungsantrags ermessensfehlerhaft. Entsprechend dem Zweck des § 109 Abs. 1 Satz 2 AO sei jedenfalls dann großzügig Fristverlängerung zu gewähren, wenn die Behörde selbst mit Steuerfestsetzungen im Rückstand sei. Der Beklagte habe zum Zeitpunkt der Ablehnung noch Bearbeitungsrückstände gehabt, so daß das Veranlagungsgeschäft durch die Fristverlängerung nicht beeinträchtigt worden wäre.
Außerdem sei das derzeitige Ergebnis aus dem Grund unbillig, weil die langjährige Verwaltungspraxis bis zum 30.09.1994 dahin gegangen sei, nachträglichen Fristverlängerungsanträgen nach Abschn. 243 Abs. 5 UStR a.F. zu entsprechen. Erst im Laufe des Jahres 1994 habe die Finanzverwaltung angedeutet, engere Maßstäbe anlegen zu wollen, was eine unzulässige Einengung der Rechtsstellung der Antragsteller dargestellt habe. Erst durch die einschlägige Neuregelung im Jahressteuergesetz 1996 sei die eingetretene Rechtsunsicherheit abgeschwächt worden, so daß ihr – der Klägerin – nicht vorgeworfen werden könne, sich nicht über die in Deutschland vorhandenen gesetzlichen Vorschriften informiert zu haben. Unerheblich sei insofern, daß sie bereits zuvor einen Vergütungsantrag gestellt habe. Allein daraus ergebe sich noch keine Kenntnis hinsichtlich etwaiger Antragsfristen bzw. hinsichtlich der unvorhersehbaren plötzlichen Abweichung von einer langjährigen Verwaltungspraxis.
Soweit der Beklagte auf ein Verschulden der Antragstellerin abstelle, sei dies nach dem Gesetzeswortlaut für eine rückwirkende Fristverlängerung unerheblich. Es komme vielmehr allein darauf an, ob das durch die Fristversäumnis entstandene Ergebnis als „unbillig” anzusehen sei.
Werde der nachträglichen Fristverlängerung entsprochen, sei die Antragsfrist des Vorsteuer-Vergütungsverfahrens nicht versäumt, so daß auch dieses Verfahren noch durchzuführen sei.
Der Antrag nach § 61 Abs. 1 Satz 1 UStDV stelle nach herrschender Ansicht eine Steuererklärung im Sinne von § 150 Abs. 1 Satz 2 AO dar, so daß § 109 AO anwendbar sei. Die Möglich der nachträglichen Fristverlängerung ergebe sich insbesondere aus dem Umstand, daß der Gesetzgeber zur Änderung der bis zum 03.06.1995 geltenden Rechtslage mit dem JStG 1996 in § 18 UStG erstmalig Abs. 9 eingefügt habe, der in Satz 3 eine Ausschlußfrist enthalte. Habe bereits zuvor eine solche Situation bestanden, wäre die gesetzliche Neuregelung ins Leere gegangen.
Im übrigen sei entgegen der Ansicht des Beklagten zur Fristgewährung ...