Entscheidungsstichwort (Thema)
Beginn der Verjährungsfrist bei der Geltendmachung der insolvenzrechtlichen Wirkung des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO
Leitsatz (redaktionell)
1) Die insolvenzrechtliche Wirkung des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO (Aufrechnungsverbot) kann nur innerhalb der Anfechtungsfrist des § 146 Abs. 1 InsO durchgesetzt werden; diese Frist ist auf die Hauptforderung entsprechend anwendbar und überlagert deren allgemeine Verjährungsfristen.
2) Die entsprechende Anwendung des § 146 Abs. 1 AO gilt auch dann, wenn die Aufrechnungserklärung erst nach der Insolvenzeröffnung abgegeben wird.
3) Die Kenntnis des Gläubigers von den anspruchsbegründenden Umständen i.S. des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegt erst vor, wenn der Schuldner Klage erheben kann, die nach verständiger Würdigung in einem Maße Erfolgsaussicht hat, dass sie zumutbar ist; einer Zumutbarkeit der Klageerhebung steht insbesondere eine ältere, bis dahin ständige Rspr. eines Bundesgerichts bis zu einer Rechtsprechungsänderung entgegen.
Normenkette
BGB § 387; InsO § 96 Abs. 1 Nr. 3; AO § 218 Abs. 2; InsO § 146 Abs. 1; BGB § 199; AO § 224
Tatbestand
Am 1.8.2004 wurde durch Beschluss des AG N Az.: 1 über das Vermögen der K & Co. GmbH in L (Insolvenzschuldnerin) das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Zuvor war er durch Beschluss des AG vom ….5.2004 zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt worden. Mit weiterem Beschluss des Insolvenzgerichts vom 23.1.2006 ist die Vergütung für den vorläufigen Insolvenzverwalter für seine Tätigkeit vom ….5. bis 1.8.2004 wie folgt festgesetzt worden:
Vergütung |
279.195,23 € |
Auslagen |
750,00 € |
zzgl. 16 % Umsatzsteuer |
44.791,24 € |
Endbetrag |
324.736,47 € |
Mit Datum vom 24.1.2006 hat der Insolvenzverwalter als damals vorläufig bestellter Verwalter über diese Vergütung zzgl. Umsatzsteuer eine Rechnung erteilt. Entsprechend der Entnahmeerlaubnis des AG N ist der o.g. Endbetrag am 26.1.2006 überwiesen worden. In der Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat Januar 2006 erklärte der Kläger für die Insolvenzschuldnerin einen Vorsteuervergütungsanspruch von insgesamt 45.763,99 €. Darin enthalten war die Vorsteuer aus der o.g. Rechnung i.H.v. 44.791,24 € sowie weitere, zeitlich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erhaltener Leistungen i.H.v. 972,75 €. Der letztgenannte Betrag wurde der Masse erstattet.
Über den Teilbetrag von 44.791,24 € erklärte der Beklagte mit Schreiben vom 23.2.2006 die Aufrechnung des Umsatzsteuer-Erstattungsanspruchs für den Monat Januar 2006 mit Rückständen aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens (rückständige Lohnsteuer und Nebenabgaben für Zeiträume in 2004 mit Fälligkeit aus 2004). Die entsprechenden Umbuchungen wurden dem Kläger mit Umbuchungsmitteilung vom 21.3.2006 mitgeteilt.
Auch die Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2006, der der Beklagte am 20.8.2007 zugestimmt hat, weist lediglich Vorsteuern in Höhe von insgesamt 48.357,33 € aus, in denen der o. g. Betrag aus der Rechnung des vorläufigen Insolvenzverwalters enthalten ist.
Mit Schreiben vom 11.10.2011 nahm der Kläger auf die Vorgänge aus 2006 Bezug. Er wies auf das Urteil des BFH vom 2.11.2010 VII R 6/10 hin, mit dem dieser seine Rechtsprechung geändert und sich der Auffassung des BGH im Urteil vom 9.7.2009 IX R 86/08 angeschlossen habe. Seit Bekanntgabe der Entscheidung des BFH vom 2.11.2010, die Anfang des Jahres 2011 erfolgt sei, sei nunmehr eine Anfechtungssituation gegeben, die aufgrund der bisherigen Rechtsprechung des BFH nicht bestanden habe. Der Kläger erklärte, er fechte nach §§ 96 Abs. 1 Nr. 3, 130 Abs. 1 Nr. 2 sowie 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO die für den Beklagten entstandene Verrechnungsmöglichkeit an. Er forderte den Beklagten sodann auf, den Betrag in Höhe von 44.791,24 € nebst Zinsen seit dem 21.3.2006 – Tag der Umbuchungsmitteilung – auf das Anderkonto bis zum 31.10.2011 zu zahlen. Dieses Verlangen lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 18.10.2011 ab, da die Verjährungsfrist für Anfechtungsansprüche aufgrund der Aufrechnungserklärung vom 21.3.2006 mit Ablauf des 31.12.2009 eingetreten sei.
Nachdem der Kläger mit Antwortschreiben vom 25.10.2011 dargelegt hatte, dass die Verjährungsfrist seiner Meinung nach erst mit dem 31.12.2011 zu laufen beginne und er seine Zahlungsaufforderung unter Fristsetzung wiederholt hatte, erließ der Beklagte am 3.11.2011 hierüber einen Abrechnungsbescheid.
Den dagegen – am 16.11.2011 fristgerecht – eingelegten Einspruch begründete der Kläger hinsichtlich der Anfechtung damit, dass § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO zur Unwirksamkeit der vom Beklagten erklärten Aufrechnung führe. Dies bedeute, dass der Zahlungsanspruch aus der Umsatzsteuervoranmeldung nicht durch Aufrechnung erloschen sei. Gemäß §§ 228 ff AO verjähre dieser Zahlungsanspruch in fünf Jahren, d.h. mit Ablauf des 31.12.2011.
Mit Einspruchsentscheidung vom 17.8.2012 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass der Bereicherungsanspruch auf Auszahlung des Betrages nach § 195...