Entscheidungsstichwort (Thema)
Entschließungsermessen für Lohnsteuerhaftung bei Schwarzgeldzahlungen
Leitsatz (redaktionell)
Bei der Haftungsinanspruchnahme des Geschäftsführers einer GmbH bedarf es keiner besonderen Begründung des Entschließungsermessens, wenn infolge von Schwarzgeldzahlungen ein Verstoß gegen § 41a EStG vorliegt.
Normenkette
AO §§ 71, 34 Abs. 1, § 191 Abs. 1 S. 1; EStG § 41a Abs. 1, § 42d Abs. 1; AO § 69
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Inhaftungnahme der Klägerin als frühere Geschäftsführerin einer GmbH.
Die Klägerin war seit Gründung der B Service GmbH (im Folgenden: GmbH) in 2004 eine von zwei Gesellschaftern und zugleich alleinige und einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführerin. Mit notariellem Vertrag vom 30.12.2009 wurden alle Gesellschaftsanteile an Herrn A veräußert. Dieser bestellte sich mit Gesellschafterbeschluss desselben Datums zum Geschäftsführer, gleichzeitig wurde die Klägerin mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführerin abberufen.
Unter der Leitung der Staatsanwaltschaft C ermittelten die Finanzämter für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung C und D gemeinsam mit dem Hauptzollamt E gegen die GmbH u.a. wegen des Verdachts der Lohnsteuerverkürzung der Jahre 2004 bis 2006. Als Ergebnis der gemeinsamen Ermittlungen stellten die Behörden fest, dass die GmbH in den Jahren 2005 und 2006 auf ihren Baustellen eine unbekannte Anzahl von Personen beschäftigte, ohne die sozialversicherungsrechtlichen oder steuerlichen Konsequenzen daraus zu ziehen. Nach den überprüften Werkslisten lag die Zahl der nicht gemeldeten Arbeiter auf den verschiedenen Baustellen der GmbH zwischen 8 und 45 Personen. Weiterhin waren zwischen 43,9 % und 100 % der von der GmbH gemeldeten Arbeiter als geringfügig Beschäftigte geführt, obwohl dies nach den Ermittlungen nicht zutraf. Wegen der weiteren Einzelheiten des Ermittlungsergebnisses wird auf den Bericht des Hauptzollamtes E vom 03.03.2009 (s Rb-Akte „Haftung” der GmbH) und auf den Bericht des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung D vom 03.07.2009 (s. LSt-Akte) Bezug genommen.
Als Folge dieser Ermittlungen schätzte der Steuerfahnder die Lohnsteuerbeträge gemäß § 162 der Abgabenordnung – AO –. Grundlage für die Schätzung waren zunächst die in den betreffenden Jahren seitens der GmbH erklärten steuerpflichtigen Umsätze der jeweiligen Jahre und die in den Gewinnermittlungen berücksichtigten Aufwendungen für Fremdleistungen. Die Differenz zwischen diesen beiden Beträgen setzte der Prüfer jeweils mit 66,6 % als Lohnsumme an. Zugunsten der GmbH unterstellte er bei der weiteren Berechnung, dass die Löhne der Beschäftigten nur dem damals geltenden Eingangssteuersatz unterlagen. Von den so berechneten Beträgen für Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer setzte er schließlich noch die von der GmbH ordnungsgemäß angemeldeten Beträge ab.
Am 05.11.2009 erließ der Beklagte gegenüber der GmbH einen Haftungsbescheid gemäß § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG, in dem er – den Ermittlungsergebnissen und Schätzungen der Prüfer folgend – die GmbH als Arbeitgeberin in Haftung nahm. Während des Verfahrens der GmbH vor dem FG Köln wegen Aussetzung der Vollziehung dieses Haftungsbescheides (15 V 4236/09) erließ der Beklagte sodann am 11.3.2010 einen geänderten Haftungsbescheid, in dem er die Haftungsschuld auf 104.710,13 EUR reduzierte:
Mit Beschluss des erkennenden Senats vom 1.4.2010 15 V 4236/09 – abgeheftet in der Rechtsbehelfsakte „Haftung GmbH” des Beklagten – wurde der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich dieser Haftungsbeträge als unbegründet zurückgewiesen. Der Beklagte wies den Einspruch der GmbH sodann mit – bestandskräftig gewordener – Einspruchsentscheidung vom 16.6.2011 als unbegründet zurück.
Mit Bescheid vom 8.10.2010 nahm der Beklagte sodann die Klägerin gemäß §§ 34, 69 und 71 AO in Höhe von insgesamt 85.350,33 EUR in Haftung. In dieser Summe sind laut Anlage zu diesem Bescheid rückständige Abgaben der GmbH an Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchenlohnsteuer 2005 und 2006 erfasst, die alle aus dem Haftungsbescheid gegen die GmbH herrühren, sowie Säumniszuschläge in Gesamthöhe von 14.358 EUR, berechnet bis zum Datum des Bescheiderlasses. Bis auf die – deutlich niedrigere – Lohnsteuer 2005 von 12.485,79 EUR sind diese Beträge an Hauptschulden identisch mit denen laut dem o.g. geänderten Haftungsbescheid gegenüber der GmbH.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 14.10.2010 fristgerecht Einspruch ein. Sie begründete diesen damit, dass weder entsprechende Verbindlichkeiten der GmbH vorlägen noch dass sie für solche persönlich hafte. Die Steuerschuld der GmbH sei im Haftungsbescheid nicht nachvollziehbar dargestellt. Ihr sei bekannt, dass mit Fälligkeit 9.12.2009 ein Haftungsbescheid gegen die GmbH erlassen worden sei, dessen Haftungsbetrag mit Bescheid vom 11.3.2010 auf insgesamt 104.710,13 EUR herabgesetzt worden sei. Nunmehr werde die Steuerschuld mit 70.992,83 EUR angegeben, was nicht nachvollziehbar sei.
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