Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskosten
Leitsatz (redaktionell)
1.Die Zwangsläufigkeit von Zivilprozesskosten ist davon abhängig, ob der Steuerpflichtige dem Prozess aufgrund rechtlicher oder sittlicher Verpflichtung oder einer tatsächlichen Zwangslage nach den Gegebenheiten des Einzelfalles nicht ausweichen konnte.
2. Prozesskosten, die das selbst bewohnte Haus betreffen, können dann abziehbar sein, wenn es in dem Rechtsstreit nicht nur um eine bloße Beeinträchtigung der Wohnqualität geht, sondern die Wohnsituation als Existenzgrundlage betroffen ist und der Prozess geführt wird, um ein menschenwürdiges Wohnen in dem betreffenden Objekt sicherzustellen.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1-2
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung von Prozesskosten und eines Architektenhonorars als außergewöhnliche Belastung.
Der Kläger setzte in der gemeinsamen Einkommensteuererklärung mit seiner Ehefrau für das Streitjahr 9.449 DM Verfahrenskosten (Anwaltskosten: 5.969 DM; Architektengebühren: 3.480 DM) als außergewöhnliche Belastung an, die vom Beklagten nicht anerkannt wurden. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Ehefrau des Klägers war Eigentümerin des Grundstücks Nr. 1 (348 qm). Außerdem war der Kläger gemeinsam mit seiner Ehefrau Eigentümer des Grundstücks Nr. 2 (1.823 qm). Die Kläger hatten die Grundstücke im Mai 1998 für einen Gesamtkaufpreis von 780.000 DM erworben, von denen 260.000 DM auf das Flurstück 1 und 520.000 DM auf das Flurstück 2 entfallen sollten, welches mit dem derzeitigen Wohnhaus des Klägers und seiner Frau bebaut war. Beide Grundstücke liegen innerhalb des Bebauungsplans der Stadt … vom … 1994, der seit Dezember 1995 rechtskräftig ist und dem Kläger bei Erwerb der Grundstücke bekannt war. Ein Rücktrittsrecht vom Kaufvertrag für den Fall der Verwirklichung des Bebauungsplans war im Kaufvertrag ausdrücklich ausgeschlossen.
Ausweislich des Bebauungsplans sollte das in Planung befindliche neue Baugebiet durch den Bau einer Stichstraße erschlossen werden, für deren Errichtung das Flurstück 1 erforderlich war. Die Stadt … verzichtete mit Erklärung vom 19. Juni 1998 auf die Ausübung des Vorkaufsrechts bezüglich des Flurstücks Nr. 1, wies den Kläger und seine Ehefrau aber gleichzeitig auf die Absicht hin, den Bebauungsplan im Wege eines Umlegungsverfahrens verwirklichen zu wollen. In dem Baulandverfahren vor dem Landgericht … betreffend die Grundstücke Nr. 1 und Nummer 2 beantragten der Kläger und seine Ehefrau vertreten durch ihren damaligen Prozessbevollmächtigten (…), den Umlegungsplan vom 18. Dezember 2000 aufzuheben, weil die Verschachtelung der Grundstücke und die anschließende Bebauung zu einer erheblichen Minderung des Verkehrswerts ihres Wohnhauses führe, dem der gesamte Schallschutz verloren gehe. Die Zuteilungswerte der ihnen nach der Umlegung neu zuzuteilenden Parzellen 6, 7 und 8 seien zu hoch bemessen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil des LG … vom 6. November 2001 in der Sache …. Bezug genommen, mit dem der Antrag des Klägers und seiner Ehefrau zurückgewiesen wurde. Die Kosten des Verfahrens wurde der Ehefrau des Klägers zu 60% und dem Kläger zu 40% auferlegt. Zur Begründung führte das LG … im Wesentlichen aus, der Kläger und seine Ehefrau hätten davon ausgehen müssen, dass der rechtskräftige Bebauungsplan aus Dezember 1995 verwirklicht werden würde. Die Durchführung des Umlegungsverfahrens stelle ein milderes Mail als die Ausübung des Vorkaufsrechts dar. Das Flurstück 1 der Ehefrau des Klägers sei unabhängig von dem Flurstück 2 mit der Wohnhausbebauung zu sehen, dass mit einer Grundstücksgröße von 1.823 qm überdurchschnittlich groß sei. Deshalb führe die Verkleinerung dieses Grundstücks nicht zu einer deutlichen Wertminderung des Wohnhauses. Für die entstehende Verschachtelung/Zerschneidung der Grundstücke hätten der Kläger und seine Ehefrau selbst die Ursache dadurch gesetzt, dass die Ehefrau das Flurstück 1 zu Alleineigentum erworben habe und ihr deshalb ein etwa wertgleiches Grundstück zu zuteilen war.
In der Einspruchsentscheidung vom 22. April 2002 führte der Beklagte aus: Kosten für die Führung von Zivilprozessen entstünden anders als die Kosten von Scheidungsprozessen regelmäßig nicht zwangsläufig. Ein für den Steuerpflichtigen existenziell wichtiger und damit zwangsläufiger Rechtsstreit könne vorliegen, wenn der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse nicht mehr befriedigen zu können. Zwar gehörten die Befriedigung des elementaren Wohnbedürfnisses zum lebensnotwendigen Bereich, dieses Bedürfnis sei im Streitfall jedoch nicht einmal berührt. Der Sache nach gehe es lediglich darum, dass das vor der Maßnahme als Anwesen zu wertende Grundstück der Kläger und deren überdurchschnittliche Wohnqualität durch die geänderte Straßenführung eine Einbuße erlitten hätten.
Im Dezember 2002 verglichen sich der Kläger und die Stadt … im Berufungsverfahren vor dem OLG … im Verfahre...