Entscheidungsstichwort (Thema)
Veräußerung "an sich selbst"
Leitsatz (redaktionell)
1) Nach § 16 Abs. 2 S. 3 EStG gilt ein Veräußerungsgewinn insoweit als laufender Gewinn, als sowohl auf Seiten des Veräußerers als auch auf Seiten des Erwerbers dieselben Personen Unternehmer oder Mitunternehmer sind.
2) § 16 Abs. 2 S. 3 EStG findet auch Anwendung, wenn der "Erwerber" 30 Minuten nach dem "Erwerb" gegen Abfindung aus seiner "erworbenen" Mitunternehmerstellung ausscheidet.
3) § 16 Abs. 2 S. 3 EStG findet nicht nur bei einem Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten Anwendung.
Normenkette
AO § 42; EStG § 16 Abs. 2 S. 3
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob für den Kläger anstelle laufenden Gewinns ein tarifbegünstigter Veräußerungsgewinn i.S.d. §§ 16, 34 EStG festzustellen ist.
Der Kläger war bis 2001 Gesellschafter der inzwischen vollbeendeten Sozietät A Rechtsanwälte (Sozietät). Die Sozietät unterhielt Standorte an mehreren deutschen Großstädten. Neben dem Kläger waren über 100 weitere Gesellschafter beteiligt.
Im März 2001 kamen die Partner der Sozietät überein, die Gesellschaft aufzulösen und das Betriebsvermögen auf Nachfolgegesellschaften zu übertragen. Die Partner der einzelnen Standorte fanden sich jeweils zu neuen Gesellschaften zusammen, die das Betriebsvermögen des jeweiligen Standortes zum 31.03.2001, 24:00 Uhr übernahmen (Aktiva und Passiva, bestehenden Verträge und Mandate) und den Geschäftsbetrieb fortführten.
In dem für das Streitjahr (2001) unter Vorbehalt der Nachprüfung erlassenen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung vom 02.07.2004 wurde die Auflösung der Sozietät zunächst erklärungsgemäß gewinnneutral behandelt.
Im Zuge einer vom Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung B durchgeführten Betriebsprüfung gelangte der Prüfer in Abstimmung mit dem Finanzministerium zu der Rechtsansicht, dass eine Buchwertfortführung in der hier vorliegenden Konstellation (Übertragung von Betriebsvermögen zwischen verschiedenen Gesamthandsgemeinschaften gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten) nicht zulässig sei. Es handele sich auf der Ebene der einzelnen Gesellschafter um einen Tausch; der Veräußerungspreis richte sich jeweils nach dem gemeinen Wert des hingegebenen Mitunternehmeranteils.
Über die steuerliche Würdigung der Auflösung der Sozietät und die Höhe der im Betriebsvermögen befindlichen stillen Reserven entstand in der Folge Streit.
Nach zahlreichen Erörterungen schloss der Beklagte mit sämtlichen Gesellschaftern tatsächliche Verständigungen. Darin kam man überein, dass der zum 31.3.2001 aufzulösende Praxiswert insgesamt … € betrug und davon die in den jeweiligen Verständigungen konkret benannten Teilbeträge auf die einzelnen Gesellschafter entfielen. Für den Kläger gelangten die Beteiligten einvernehmlich zu einem aufzulösenden anteiligen Praxiswert von … DM.
Entsprechend dem Ergebnis der Verständigung erhöhte der Beklagte den laufenden Gewinn (geänderte Feststellungsbescheide vom 30.12.2009). Korrespondierend dazu wurden bei den Nachfolgegesellschaften jeweils entsprechend höhere Anschaffungskosten berücksichtigt.
Der Kläger gehörte bis zur Auflösung der Sozietät dem Standort in D an. Am 20. März 2001 hatten die in D tätigen Anwälte zur Vorbereitung der Realteilung die Gesellschaft „F” (D GbR) gegründet, auf die mit Ablauf des 31.03.2001 sämtliche Aktiva und Passiva des Standortes D übertragen wurden. Laut Gesellschaftsvertrag der D GbR wurden die Kapitalkonten mit den Beträgen eröffnet, die den Partnern auf ihren Kapitalkonten bei der Sozietät für die Übernahme von Wirtschaftsgütern im Rahmen der Realteilung belastet worden sind (§ 3 des Gesellschaftsvertrages). Vereinbarungsgemäß ging die D GbR am 01.04.2001 0:05 Uhr von der Bilanzierung auf die EinnahmeÜberschussrechnung über; der dadurch entstehende Übergangsverlust wurde im Verhältnis der bisherigen Gewinnanteile auf die Gesellschafter der GbR verteilt. Mit Wirkung zum 01.04.2001, 0.15 Uhr veräußerte die D GbR an die jeweiligen Partner die auf sie übergegangenen Kraftfahrzeuge zum Verkehrswert. Ferner vereinbarte man im Gesellschaftsvertrag, dass sechs Partner – unter ihnen der Kläger – mit Wirkung auf den 01.04.2001 0:30 Uhr gegen eine Abfindung für die vorzeitige Aufgabe der Gesellschafterstellung und die dadurch entgehenden Einkünfte ausscheiden. Die Abfindung für den Kläger wurde auf … DM festgelegt.
Aus der Beteiligung an der D GbR wurde dem Klägern als Mitunternehmer ein Verlust in Höhe von zuletzt … DM zugerechnet (Feststellungsbescheid des Finanzamtes D vom 20.08.2010).
Der Kläger legte gegen den aufgrund der BP geänderten Feststellungsbescheid der Sozietät vom 30.12.2009 Einspruch ein und beantragte, den aufgrund der Realteilung entstandenen Gewinn als tarifbegünstigt i.S. der §§ 16, 34 EStG zu qualifizieren. Die Übertragung der Mitunternehmeranteile in eine neue Personengesellschaft gegen Gewährung von Mitunternehmeranteilen stelle eine Veräußerung im Sinne des § 16 Abs. 1 ...