Entscheidungsstichwort (Thema)
Geschäftsführerhaftung
Leitsatz (redaktionell)
Die Haftungsinanspruchnahme eines Geschäftsführers ist auch dann ermessensgerecht, wenn feststeht, dass die Bemessungsgrundlage gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu mindern ist, jedoch nicht eindeutig festzustellen ist, dass der Zeitpunkt der Berichtigung in den Haftungszeitraum fällt.
Normenkette
AO § 69; UStG § 17 Abs. 2 Nr. 1; AO § 34 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von zwei Haftungsbescheiden, mit denen die Klägerin zu 2. sowie ihr verstorbener Vater, der Ehemann und Rechtsvorgänger der Klägerin zu 1. (im Folgenden: Vater), von dem Beklagten für rückständige Umsatzsteuer nebst Säumniszuschlägen der früheren N-GmbH in Haftung genommen worden sind.
Die Klägerin zu 2. und ihr Vater hielten im Jahr 2001 am Stammkapital der oben genannten GmbH in Gesamthöhe von 100.000 DM Geschäftsanteile von 30.000 DM bzw. 35.000 DM. Sie waren beide alleinvertretungsberechtigte und vom Selbstkontrahierungsverbot befreite Geschäftsführer der oben genannten GmbH. Einen weiteren Geschäftsanteil i.H.v. 35.000 DM hielt die Mutter bzw. Ehefrau, die Klägerin zu 1., die jedoch nicht Geschäftsführerin war.
Ausweislich des BP-Berichts des Beklagten vom 04. November 2002 erzielte die GmbH in 2000 einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von 616.174,– DM und in 2001 einen weiteren Verlust in Höhe von 156.456,– DM.
Mit Wirkung zum 30.06.2001 stellte die GmbH ihren Geschäftsbetrieb ein. Ein Insolvenzantrag wurde jedoch zu keinem Zeitpunkt gestellt. Das Know-how, der Kundenstamm und das Firmenkürzel „…”, das beim Patentamt geschützt ist, wurden am 12. Oktober 2001 für 80.000,– DM an eine Fa. P verkauft, wobei dieser Kaufpreis in vier Raten im Oktober und November 2001 sowie im Januar und April 2002 zu zahlen war. Weiterhin hatten die diese Wirtschaftsgüter verkaufenden Gesellschafter einen vertraglichen Anspruch auf Provisionen von bestimmten zukünftigen Umsätzen der Käuferin (§ 6 des Vertrags, Bl. 297 ff. der FG-Akten). Am 18. Oktober ließen die Gesellschafter den gesamten Maschinen- und Gerätepark sowie die sonstige Betriebsausstattung versteigern (Bl. 295 der FG-Akten).
Mit notariellem Vertrag vom 02.10.2002 (Bl. 99 ff. der FG-Akten) verkauften die drei Gesellschafter ihre gesamten GmbH-Geschäftsanteile von nominal 100.000 DM für einen Kaufpreis von 500,– EUR an eine Fa. J-GmbH in N, diese vertreten durch eine Frau T als Geschäftsführerin. Gemäß Abschnitt 7 des Vertrages hielt die J-GmbH als neue alleinige Gesellschafterin sofort eine Gesellschafterversammlung ab. Sie beschloss zum einen, unter Änderung der Satzung die Firma der Gesellschaft zu ändern in B-GmbH und deren Sitz nach N zu verlegen, zum anderen, die beiden Geschäftsführer – also die Klägerin zu 2. und ihren Vater – abzuberufen und Frau T aus N zur neuen Geschäftsführerin der GmbH zu bestellen.
Weitere Recherchen des Gerichts bei den Registergerichten L und N ergaben die folgenden Feststellungen: Mit Schreiben vom noch gleichen Tag, also dem 2.10.2002, meldete die neue Geschäftsführerin die Veränderungen zur Eintragung in das Handelsregister beim Registergericht L an. Bereits am 17.10.2002 kam es zu einer Gesellschafterversammlung der umfirmierten B-GmbH, auf der nunmehr Frau T als Gesellschafterin abberufen und entlastet sowie ein Herr E, wohnhaft in J / Spanien, zum neuen Geschäftsführer bestellt wurde. Die Anmeldung der B-GmbH beim Registergericht N wurde durch Beschluss des AG N vom 28.04.2003 zurückgewiesen, weil die Geschäftsführung der GmbH fehlerhafte Unterlagen einreichte, Verfügungen nicht beachtete und schließlich überhaupt nicht mehr reagierte. Das somit weiterhin zuständige Registergericht L konnte den neuen Geschäftsführer E nicht unter der angegebenen Anschrift erreichen, möglicherweise weil er in Spanien in Untersuchungshaft saß. Am 10.12.2004 wurde die Löschung der vermögenslosen GmbH von Amts wegen im Handelsregister eingetragen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beiakte „Registergerichtsunterlagen” Bezug genommen.
Nach den Feststellungen des Beklagten, der insoweit bei der bayerischen Finanzverwaltung Erkundigungen einzog, ist auch eine steuerliche Anmeldung der B-GmbH in N nicht erfolgt. Ebenso wenig ist der Klägerseite während des Klageverfahrens eine Kontaktaufnahme mit der Käuferin der Gesellschaft oder deren früherer Geschäftsführung gelungen. Der Klägerseite liegen jedoch noch alle Buchführungs- und Jahresabschlussunterlagen der GmbH von 1995 bis 2002 vor.
Zu den vorliegend streitigen Haftungsbescheiden kam es wie folgt:
Die GmbH gab für die Monate Januar bis Dezember 2001 zunächst Umsatzsteuer-Voranmeldungen ab. In diesen waren Erlösminderungen wegen Debitorenverluste der GmbH nicht berücksichtigt. Sodann kam es ab dem 4.10.2001 zu einer 1. USt-Sonderprüfung, die zwar u.a. auch die USt-Voranmeldungen für 1 – 6 / 2001 zum Gegenstand hatte...