Entscheidungsstichwort (Thema)
Inlandswohnsitz des Kindes
Leitsatz (redaktionell)
Bei einem von vornherein auf mehr als ein Jahr angelegten Auslandsaufenthalt des Kindes zu Ausbildungszwecken (Schul- und Universitätsausbildung in der Türkei) reichen kurzzeitige Besuche und sonstige kurzfristige Aufenthalte zu Urlaubs-, Berufs- oder familiären Zwecken regelmäßig nicht aus, um die Aufrechterhaltung des Inlandswohnsitzes anzunehmen.
Normenkette
EStG § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 3; AO § 8; EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Kindergeld für das Kind B, geboren am 7.4.1987.
Der Sohn des Klägers lebt seit September 2006 in der Türkei und besuchte hier bis zum 15.6.2007 eine Schule. Im Zeitraum von September 2007 bis August 2008 besuchte er in der Türkei einen Universitätsvorbereitungskurs, seit dem 1.9.2008 besucht er die Universität in C.
Im Zeitraum August bis Dezember 2006 hielt sich der Sohn des Klägers insgesamt vier Tage in Deutschland, im Zeitraum Januar bis Dezember 2007 hielt er sich insgesamt 11,5 Wochen und im Jahr 2008 insgesamt ca. 5 Wochen in Deutschland auf. Auf die Ein- und Ausreiseliste der türkischen Ausländerbehörde vom 13.01.2009, Blatt 99 d. A., wird Bezug genommen.
Die Wohnung des Klägers in A, die er gemeinsam mit seiner Frau und seiner Tochter bewohnt, hat eine Größe von 76 qm. Sie besteht aus 3 Zimmern, Küche, Bad und WC.
Ende 2007 bewarb sich der Sohn des Klägers erfolglos bei der D KG in A, sowie bei der E GmbH, ebenfalls in A.
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 8.8.2007 das Kindergeld ab dem Monat November 2006 bis Juli 2007 in einer monatlichen Höhe von 5,11 EUR auf Basis des deutsch-türkischen Abkommens über soziale Sicherheit fest.
Mit Schreiben vom 11.8.2007 legte der Kläger gegen die Kindergeldfestsetzung Einspruch ein. Zur Begründung trug er vor, sein Sohn sei deutscher Staatsangehöriger und habe seinen gewöhnlichen Wohnsitz in Deutschland. Er lebe nur vorübergehend im Ausland zum Zwecke des Studiums. Daher beantrage er Kindergeld in einer monatlichen Höhe von 154 EUR. In der Türkei lebe der Sohn alleine in der elterlichen Wohnung. Der Onkel des Kindes habe die Aufsicht über das Kind übernommen. Ein konkretes Rückkehrdatum in die Bundesrepublik könne derzeit nicht angegeben werden. Das Kind sei in der Zeit zwischen September 2006 Juli 2007 viermal in Deutschland gewesen und zwar hauptsächlich, wenn in der Türkei Feiertage oder Ferien gewesen seien.
Am 18.10.2007 erließ die Beklagte eine Einspruchsentscheidung und wies den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass der Kläger über das bis Juli 2007 gewährte Kindergeld in einer monatlichen Höhe von 5,11 EUR hinaus keinen Anspruch habe, da das Kind weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland habe. Ein Wohnsitz sei nicht gegeben, da bereits nach den eigenen Angaben des Klägers eine Rückkehr des Sohnes nach Deutschland nicht absehbar sei. Ein gewöhnlicher Aufenthalt sei nicht anzunehmen, da sich der Sohn nicht mehr als sechs Monate in Deutschland aufhalte. Über einen Anspruch auf Kindergeld auf Basis des deutsch-türkischen Abkommens über soziale Sicherheit in Höhe von 5,11 EUR für den Zeitraum ab August 2007 entschied die Beklagte ausdrücklich in der Einspruchsentscheidung nicht (Bl. 113 KGA).
Am 19.11.2007 erhob der Kläger die vorliegende Klage, mit welcher er sich gegen die Ablehnung der Kindergeldgewährung in Höhe von 154 EUR wandte.
Zur Begründung trug er vor, dass das in Deutschland geborene und aufgewachsene Kind des Klägers sich seit September 2006 vorübergehend zu Ausbildungszwecken in der Türkei befinde und dort bei Verwandten lebe. Das Kind beabsichtige nach Abschluss der Schulausbildung nach Deutschland zurückzukehren. Das Kind habe seinen Wohnsitz auch in der Wohnung der Eltern Deutschland beibehalten, in welcher ihm ein Zimmer zur Verfügung stehe. In diesem Zimmer lebe zugleich die Schwester. Das Kind kehre während der Schulferien regelmäßig hierhin zurück. Diese Wohnsituation sei bedingt durch die wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie.
Das Kind habe in den Ferien in Deutschland gearbeitet und Sozialkontakte im Bundesgebiet aufrechterhalten. Längere Aufenthalte über mehrere Monate in Deutschland seien derzeit nicht möglich, da das Kind in den Ferien zusätzliche Sprachkurse besuche (Bl. 51 GA). Die Wohnung in der Türkei sei bislang von den Eltern als Ferienwohnung benutzt worden und circa 75 m² groß. Dort halte sich nur der Sohn auf. Er verpflege sich selber. Die Verwandten, die ihn beaufsichtigen, wohnten ebenfalls in C in einer Entfernung von 3 km. Der Kläger und seine Ehefrau nutzten diese Wohnung circa vier Wochen im Jahr zu Urlaubszwecken.
Nachdem der Kläger durch das Gericht auf die Urteile des BFH vom 28.04.2010 (III R 52/09) und 23.11.2000 (VI R 107/99) hingewiesen worden ist, vertrat er die Auffassung, dass diese Rechtsprechung sich lediglich mit Inlandsaufenthalten während der ausbildungsfreien Zeit befasse. Aufgrund der notwe...