Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzungsfrist bei Rückforderung von Kindergeld
Leitsatz (redaktionell)
Bei einer Steuerhinterziehung ist der Ablauf der Festsetzungsfrist bis zum Ablauf der Verfolgungsverjährung gehemmt. Aufgrund des im Kindergeldrecht geltenden Monatsprinzips des § 66 Abs. 2 EStG tritt die Verkürzung nach Abschluss des jeweiligen Monats ein, so dass die Tat damit auch jeweils i.S. des § 78a StGB beendet ist.
Normenkette
AO § 171 Abs. 7; StGB § 78 Abs. 3 Nr. 4, § 78a; EStG § 66 Abs. 2; AO § 169
Nachgehend
Tatbestand
Strittig ist die Rückforderung von Kindergeld für den Zeitraum ab August 1997 bis einschließlich September 2012 in Höhe von insgesamt 55.118,43 EUR wegen Doppelzahlung.
Die Klägerin ist verheiratet und hat zwei Kinder, A, geboren im August 1994 und B, geboren im April 1996.
Die Klägerin wohnte zunächst mit ihrer Familie in C und sie war bei der C. GmbH nichtselbständig tätig (Bl. 14 KG-Akte).
Auf ihren Antrag vom 22. August 1994 an das seinerzeit noch zuständige Arbeitsamt C – Kindergeldkasse – wurde ihr zunächst für die Tochter A Kindergeld bewilligt (Bl. 5 KG-Akte).
Anlässlich der Systemumstellung des Kindergeldes zum 1. Januar 1996, der zufolge das Kindergeld fortan als Steuervergütung nach §§ 31, 62 ff Einkommensteuergesetz (EStG) und nicht mehr als Sozialleistung nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKKG) gezahlt wurde, teilte sie dem Arbeitsamt mit, das Kindergeld werde voraussichtlich ab dem 1. Januar 1996 von ihrem Arbeitgeber ausgezahlt.
Die Familienkasse des Arbeitsamts C übersandte ihr daraufhin eine sog. Kindergeldbescheinigung zur Vorlage beim Arbeitgeber im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. (Fassung bis zum Inkrafttreten des Steuerentlastungsgesetzes 1999 am 1. Januar 2000), die ab April 1996 auch den Sohn B erfasste (Bl. 12, 15 KG-Akte). Für den Sohn B hatte die Klägerin unter Vorlage einer Geburtsbescheinigung mit Schreiben vom 31. Juli 1996, gerichtet an das Arbeitsamt C, Kindergeld beantragt (Bl. 10 KG-Akte).
Die Arbeitgeberin der Klägerin (C. GmbH) teilte der Familienkasse im Juli 1997 mit, die Klägerin sei mit Ablauf des Monats Juli 1997 aus deren Diensten ausgeschieden und das Kindergeld sei letztmals für den Monat Juli 1997 an die Klägerin ausgezahlt worden (Bl. 15 KG-Akte). Daraufhin zahlte die Familienkasse des Arbeitsamtes C ab August 1997 das Kindergeld an die Klägerin aus (Leistungsdaten Bl. 24 KG-Akte).
Im Dezember 1997 erfolgte ein Zahlungsrücklauf, weil das von der Klägerin angegebene Konto erloschen war (Bl. 17 KG-Akte mit anhängendem Bankbeleg). Unter dem Datum des 30. Dezember 1997 richtete die Familienkasse des Arbeitsamts C daraufhin folgendes Schreiben an die Klägerin (Bl. 19 KG-Akte):
„Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (EStG)
Sehr geehrte Frau D,
die Auszahlung konnte nicht wie gewünscht erfolgen, weil das bisherige Konto nach Angaben des Geldinstituts erloschen ist.
Die Zahlung wird daher zur Vermeidung von Fehlleistungen zunächst durch Zahlungsanweisung zur Verrechnung überwiesen.
Ich bitte Sie, mir baldmöglich Ihre neue Anschrift bzw. die richtige und vollständige Kontonummer und das Geldinstitut aufzugeben, damit Verzögerungen oder Rücküberweisungen vermieden werden. In diesem Zusammenhang erinnere ich an Ihre Verpflichtung, der Familienkasse alle für Ihren Anspruch bedeutsamen Veränderungen ohne Aufforderung unverzüglich mitzuteilen.”
Mit Telefax vom 14. Januar 1998, gerichtet an „Arbeitsamt C Familienkasse” gab die Klägerin daraufhin eine neue Bankverbindung bei der E Bank AG an (Bl. 20 KG-Akte). Auf diese wurde das Kindergeld fortan bis November 2004 ausgezahlt (Kindergeldänderungsverfügung und Kassenanordnung Bl. 21 KG-Akte, sowie ab Januar 2001 Zahlungsdaten Bl. 25 KG-Akte).
Im Dezember 2004 teilte die Klägerin der Familienkasse C mit, sie sei nach F verzogen (Bl. 22 KG-Akte). Tatsächlich war sie nach ihren eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bereits im Juli 1997 von C nach F umgezogen. Die Kindergeldakte wurde an die Familienkasse der Arbeitsagentur F abgegeben (Bl. 26 KG-Akte) und der Zuständigkeitswechsel wurde der Klägerin mit Schreiben der „Bundesagentur für Arbeit – Agentur für Arbeit F – Familienkasse” (im Folgenden die Beklagte) vom 17. Dezember 2004 mitgeteilt, verbunden mit der Ankündigung, dass ab Dezember 2004 das Kindergeld von der jetzt zuständigen Familienkasse der Arbeitsagentur F ausgezahlt werde. In diesem Schreiben der Beklagten vom 17. Dezember 2004 heißt es weiter (Bl. 28 KG-Akte):
„Bei dieser Gelegenheit werden Sie daran erinnert, dass alle Veränderungen in den Verhältnissen, die für den Kindergeldanspruch von Bedeutung sind, unverzüglich der Familienkasse angezeigt werden müssen. Das gilt insbesondere auch für Veränderungen, die im Zusammenhang mit der Verlegung des Wohnsitzes eingetreten sind (z.B. wenn Sie oder Ihr Ehegatte nunmehr eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst aufgenommen habe...