Entscheidungsstichwort (Thema)
Vererblichkeit von Verlusten
Leitsatz (redaktionell)
Ein in der Person des Erblassers entstandener aber nicht mehr ausgeglichener bzw. rückgetragener Verlust kann der Erbe auch auf Grundlage der bis zum Beschluss des Großen Senats des BFH vom 17.12.2007 geltenden Rechtsprechung nur dann abziehen, wenn er durch die Verluste wirtschaftlich belastet wird.
Normenkette
AO § 45 Abs. 1; EStG § 10d
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger wird zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt. Er ist gemeinsam mit seiner Mutter, Frau D, zu je ½ Erbe nach seinem im Streitjahr verstorbenen Vater D1.
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr wurde ein beim verstorbenen Vater entstandener und nicht ausgenutzter Verlust geltend gemacht. Der Erklärung war der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zum 31.12.2005 des verstorbenen Vaters des Klägers über 326.159 € beigefügt. Der Kläger beantragte davon die Hälfte (=163.079,50 €) bei seiner Einkommensteuerveranlagung zu berücksichtigen.
Im Bescheid für 2006 über Einkommensteuer und im Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12.2006, jeweils vom 24.3.2009, folgte der Beklagte diesem Antrag nicht.
Hiergegen wendet sich der Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom 04.01.2011), in dessen Verlauf er den zu berücksichtigenden Verlust mit 159.686,50 € neu berechnet hat, mit der vorliegenden Klage.
Mit Bescheiden vom 27.11.2012 hat der Beklagte den Einkommensteuerbescheid 2006 sowie den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den 31.12.2006 wegen anderer – nicht streitbefangener – Gründe geändert. Der Gesamtbetrag der Einkünfte der Kläger beträgt hiernach 56.493 €.
Der Kläger ist der Ansicht, dass der vom Vater nicht in Anspruch genommene verbliebene Verlust – ebenso wie von dem Finanzamt F bei der Miterbin D anerkannt – auch bei ihm entsprechend seiner Erbquote mit 159.686,50 € zu berücksichtigen sei. Am 17.12.2007 habe zwar der Große Senat des Bundesfinanzhofes (– BFH – GrS 2/04, BStBl II 2008, 608) entschieden, dass entgegen der bisherigen langjährigen gefestigten Rechtsprechung ein in der Person des Erblassers entstandener Verlust nicht mehr auf den oder die Gesamtrechtsnachfolger übergehe. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) wende diese Entscheidung aber erstmals auf Todesfälle nach der amtlichen Veröffentlichung der Entscheidung, also dem 18.8.2008, an (Bundessteuerblatt – BStBl – I 2008, 809). Der Todesfall liege hier am 2.7.2006 und damit mehr als zwei Jahre vor dem vom BMF angeordneten Stichtag 18.8.2008. Maßgebend sei daher nicht der Beschluss des Großen Senates, sondern die bis dahin geltende Rechtsprechung, die regelmäßig den Übergang des Verlustes vom Erblasser auf den Erben zuließe. Ausdrücklich habe daher der Große Senat in diesem Beschluss seine Rechtsprechung auch als Abkehr von der bisher geltenden Rechtsprechung bezeichnet. Konsequenterweise habe das BMF zur Vermeidung von Härten eine großzügige Übergangsregelung geschaffen. Wenn der Beklagte jetzt dieser Übergangsregelung die Gefolgschaft verweigere und meine, die Grundsätze des Beschlusses des Großen Senates seien auf Altfälle anzuwenden, dann sei das eklatant rechtswidrig. Die Möglichkeit des Verlustabzuges gehe nach der älteren Rechtsprechung nur dann nicht vom Erblasser auf den Erben über, wenn dieser den Verlust selbst wirtschaftlich nicht getragen habe. Eine wirtschaftliche Belastung des Erben in diesem Sinne fehle aber nur dort, wo der Erbe für die Nachlassverbindlichkeiten entweder gar nicht oder nur beschränkt hafte (vergleiche insoweit BFH-Urteil vom 16. Mai 2001 I R 76/99, BStBl. II 2002, 487). Der Beklagte meine, der Kläger habe im Streitfall die wirtschaftliche Belastung durch die Verluste nicht nachgewiesen, weil er keine Schulden des Nachlasses bezahlt habe. Diese von dem Beklagten vertretene Auffassung sei nicht haltbar, weil der Kläger die Belastung nicht nachzuweisen habe. Denn grundsätzlich trete der Erbe in die Rechtsstellung des Erblassers ein. Nur wenn der von dem BFH beschriebene absolute Ausnahmefall vorliege, dass eine wirtschaftliche Belastung des Erben fehle, dann möge etwas anderes gelten. Die dabei vom BFH gesehenen Fälle des Fehlens einer wirtschaftlichen Belastung lägen aber nur dort vor, wo der Erbe explizit für die Nachlassverbindlichkeiten entweder gar nicht oder nur beschränkt hafte. Dieser Sachverhalt liege aber nicht vor. Die von dem Beklagten in seiner Einspruchsentscheidung gezogene Verknüpfung zwischen der Zahlung von Verbindlichkeiten durch einen Erben als Gesamtrechtsnachfolger und den Verlusten des Erblassers sei nach der für 2006 geltenden Rechtslage nicht vorgesehen. Es handele sich um eine „freie Rechtsschöpfung” gegen die langjährige Rechtsprechung. Sie mute den...