rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kraftfahrzeugsteuerliche Einstufung eines Pick-up-Fahrzeugs ab 01.05.2005
Leitsatz (redaktionell)
Die kraftfahrzeugsteuerliche Einstufung eines Mitsubishi L 200 mit Doppelkabine (Pick-up-Fahrzeug) ab dem 01.05.2005 als Personenkraftwagen ist ernstlich zweifelhaft i.S. des § 69 Abs. 2, 3 FGO. Nach Aufhebung der nationalen verkehrsrechtlichen Bestimmung des § 23 Abs. 6a StVZO durch die 27. VO zur Änderung der StVZO mit Wirkung ab dem 01.05.2005 muss das Finanzamt auch die verkehrsrechtlichen Bestimmungen berücksichtigen, die durch das europäische Gemeinschaftsrecht gesetzt worden sind.
Normenkette
KraftStG § 8 S. 1 Nrn. 1-2; StVZO § 23 Abs. 6a; Richtlinie 2001/116/EG; FGO § 69 Abs. 2-3
Tenor
Die Vollziehung des Kraftfahrzeugsteuerbescheides vom 18. Oktober 2005 wird für die Zeit vom 01. Mai 2005 bis 15. Dezember 2005 in Höhe von 143,00 EUR und für die Zeit ab 16. Dezember 2005 in Höhe von 229,00 EUR jährlich bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung ausgesetzt. Soweit der Bescheid bereits vollzogen ist, wird die Vollziehung aufgehoben.
Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller zu 12/25 und dem Antragsgegner zu 13/25 auferlegt.
Die Beschwerde wird zugelassen.
Der Streitwert beträgt 1.000,00 EUR.
Tatbestand
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Besteuerung des Kraftfahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen … als Personenkraftwagen (§ 8 S. 1 Nr. 1 Kraftfahrzeugsteuergesetz – KraftStG –) streitig.
Der Antragsteller ist seit dem 16. Dezember 2003 Halter eines Kraftfahrzeuges des Herstellers Mitsubishi (Mitsubishi L 200; sogenanntes Pickup-Fahrzeug). Der Wagen hat einen Dieselmotor (Hubraum 2.477 ccm) mit einer Leistung von 85 kW. Das zulässige Gesamtgewicht beträgt 2.830 kg und das Leergewicht ist mit 1.820 kg angegeben. Die Zahl der Sitzplätze in der zur 1,5 m langen Ladefläche abgegrenzten Doppelkabine beträgt einschließlich des Fahrersitzes fünf Plätze. Im Fahrzeugbrief ist die Fahrzeugart als „LKW offener Kasten” angegeben.
Der Antragsgegner hatte das Fahrzeug zunächst als Lastkraftwagen nach Gewicht besteuert. Mit dem Änderungsbescheid vom 18. Oktober 2005 stufte er den Wagen ab 01. Mai 2005 nunmehr als PKW nach § 8 S. 1 Nr. 1 KraftStG ein und besteuerte ihn dementsprechend nach Hubraum und Schadstoffausstoß. Die Neueinstufung begründete er mit der Aufhebung des § 23 Abs. 6 a StVZO zum 01. Mai 2005. Ab diesem Zeitpunkt richte sich die Besteuerung ausschließlich nach objektiven Beschaffenheitskriterien. Das Fahrzeug sei vorrangig zur Personenbeförderung ausgelegt und gebaut. Über den dagegen am 17. November 2005 eingelegten Einspruch hat der Antragsgegner bisher noch nicht entschieden.
Den am 15. Dezember 2005 gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hat der Antragsgegner mit seinem Bescheid vom 09. Januar 2006 abgelehnt.
Mit seinem Schreiben vom 06. Februar 2006 verfolgt der Antragsteller sein Aussetzungsbegehren gegenüber dem Gericht weiter.
Der angefochtene Kraftfahrzeugsteuerbescheid sei rechtswidrig, weil durch die Verweisung in § 2 Abs. 2 S. 1 KraftStG neben den nationalen verkehrsrechtlichen Vorschriften auch die europarechtlichen Regelungen zu beachten seien. Hierzu gehöre unter Hinweis auf den Beschluss des FG Köln vom 28. November 2005 (6 V 3715/05; EFG 2006, 444) auch die EU-Richtlinie 2001/116/EG vom 20. Dezember 2001 i. V. m. der Richtlinie 70/156/EWG vom 06. Februar 1970. Das Fahrzeug des Antragstellers falle nicht unter die in der Anlage II. C. 1. definierten Personenkraftwagen (M1). Insbesondere liege kein AF Mehrzweckfahrzeug vor, da Fahrgäste und deren Gepäck oder Güter nicht in einem einzigen Innenraum transportiert würden. Auch durch die Berechnung der in Anlage II. C. 1. b zur Richtlinie 2001/116/EG wiedergegebene Formel würde das Fahrzeug nicht als Fahrzeug der Klasse M1 gelten. Das Fahrzeug sei als „anderes Fahrzeug” im Sinne von § 8 Nr. 2 KraftStG anzusehen und wie bisher nach Gewicht zu besteuern.
Der Antragsteller beantragt,
die Vollziehung des Kraftfahrzeugsteuerbescheides vom 18. Oktober 2005 auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Zur Begründung trägt der Antragsgegner vor, dass die Finanzbehörden nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung an die verkehrsrechtliche Einstufung nicht gebunden seien. Sie hätten eigenständig zu prüfen, ob die verkehrsrechtliche Einstufung durch die Zulassungsbehörden zutreffend sei. Die kraftfahrzeugsteuerrechtliche Beurteilung von Kraftfahrzeugen richte sich ausschließlich nach den objektiven Beschaffenheitskriterien, insbesondere Bauart, Einrichtung und äußeres Erscheinungsbild. Das streitige Fahrzeug sei der Hubraumbesteuerung zu unterwerfen, weil es sich um ein Pickup-Fahrzeug mit Doppelkabine handle, bei dem die Ladefläche die zur Personenbeförderung dienende Bodenfläche nicht übertreffe. Ein derartiges Fahrzeug diene vorrangig der Personenbeförderung. Ein Pickup-Fahrzeug sei kein Mehrzweckfahrzeug der Klasse „M1 AF”.
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