Entscheidungsstichwort (Thema)
Stromsteuerbefreiung für kleine Anlagen. mehrere BHKW als eine einzige oder als mehrere Anlagen. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: VII R 6/23)
Leitsatz (redaktionell)
Blockheizkraftwerke (BHKW), die räumlich einige Kilometer voneinander entfernt, also nicht an demselben Ort aufgestellt sind, und zwischen denen auch keine technischen Verbindungen oder gemeinsamen Steuerungsmöglichkeiten bestehen, sind nicht bereits aufgrund ihrer Fernsteuerbarkeit, die entsprechend den Vorgaben des EEG allein dazu dient, die Stromerzeugung der einzelnen BHKW zu reduzieren, als eine einzige Anlage anzusehen.
Normenkette
StromStG § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b; StromStV § 12b Abs. 2 S. 1 Nr. 1
Tenor
Der Beklagte wird unter Änderung des Erstattungsbescheides vom 12.03.2020 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 02.09.2021 verpflichtet, den Erstattungsbetrag auf insgesamt EUR 500.763,50 festzusetzen.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Zinsen in Höhe von 0,5 % pro Monat aus EUR 264.218,55 seit dem 17.10.2016 bis zum 31.12.2018 und in Höhe von 0,15 % pro Monat aus EUR 264.218,55 seit dem 01.01.2019 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Dieses Urteil ist hinsichtlich der Zinsen und der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert beträgt EUR 264.218,00.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Befreiung von der Stromsteuer für kleine Anlagen nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 b) Stromsteuergesetz –StromStG–, namentlich um die Frage, ob mehrere Blockheizkraftwerke für die Anwendung der Steuerbefreiungsvorschrift als eine einzige Anlage oder als mehrere Anlagen anzusehen sind.
1.
Die Klägerin ist eine GmbH, die zum Unternehmensverbund der A. gehört und ein Energieversorgungsunternehmen betreibt.
Die Klägerin betrieb im Streitjahr 2015 insgesamt sechs Blockheizkraftwerke (BHKW) in B.. Dazu gehörte einmal das BHKW …, das mit Erdgas betrieben wurde. Außerdem waren fünf weitere BHKW über das Stadtgebiet von B. verteilt; auf die Karte Streitakte Bl.104 wird verwiesen. Von diesen fünf weiteren BHKW wurde eines mit Rohbiogas betrieben, und die anderen mit Biomethan. Diese fünf BHKW sind seit dem 01.04.2015 fernsteuerbar. Die Fahrweise der BHKW folgte der Wärmenachfrage im örtlichen Versorgungsnetz; es handelte sich also um sogenannte wärmegeführte BHKW. Sie haben die folgende elektrische Nennleistung:
BHKW |
elektrische Nennleistung (Megawatt) |
… |
0,527 |
… |
0,937 |
… |
0,937 |
… |
0,937 |
… |
0,937 |
Die Klägerin belieferte ausschließlich ihre Kunden in B. und Umgebung als Letztverbraucher.
Mit Schreiben vom 25.05.2016 beantragte die Klägerin die Rückerstattung von Stromsteuer in Höhe von insgesamt EUR 500.763,50 nach der Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 3 b) StromStG. Nach dieser Vorschrift ist Strom von der Steuer befreit, wenn er in hocheffizienten KWK-Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung von bis zu zwei Megawatt erzeugt wird und von demjenigen, der die Anlage betreibt oder betreiben lässt, an Letztverbraucher geleistet wird, die den Strom im räumlichen Zusammenhang zu der Anlage entnehmen. Die Klägerin vertrat (und vertritt weiter) die Auffassung, dass die oben genannten fünf weiteren BHKW als einzelne Anlagen im Sinne dieser Vorschrift zu bewerten seien und dass die elektrische Nennleistung dieser Anlagen somit zwei Megawatt nicht übersteige. Sie legte ihrem Erstattungsantrag deshalb die Leistung aller sechs BHKW in Höhe von zusammen 24.427.488 kWh zugrunde.
Der Beklagte entschied darüber mit Erstattungsbescheid vom 12.03.2020. Hinsichtlich des BHKW … wurde die beantragte Rückerstattung vollständig gewährt, hinsichtlich der weiteren fünf BHKW jedoch nur für die Zeit bis zum 31.03.2015. Zur Begründung wurde ausgeführt, die weiteren fünf BHKW seien ab dem 01.04.2015 aufgrund der Fernsteuerbarkeit gemeinsam zu betrachten. Es handle sich somit um eine einzige Anlage mit einer zusammengerechneten elektrischen Nennleistung von mehr als 2 MW. Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 3 b) StromStG seien daher nur bis einschließlich 31.03.2015 als erfüllt anzusehen. Somit sei lediglich Stromsteuer in Höhe von EUR 236.544,78 zu erstatten.
2.
Die Klägerin legte mit Anwaltsschreiben vom 08.04.2020 Einspruch ein. Sie vertrat die Auffassung, dass der Steuererstattung die gesamte von allen sechs BHKW erzeugte Strommenge zugrunde zu legen sei. Die fünf weiteren BHKW seien keineswegs aufgrund der Fernsteuerbarkeit zu einer einzigen Anlage zu verklammern.
Zur Begründung brachte die Klägerin vor, die Auffassung des Beklagten könne nicht auf § 12b Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Stromsteuerverordnung –StromStV– in der seit dem 18.05.2016 geltenden Fassung gestützt werden. Es komme nicht auf die Fernsteuerbarkeit an, sondern darauf, ob die einzelnen Einheiten tatsächlich zum Zweck der Stromerzeugung zentral gesteuert worden s...