Entscheidungsstichwort (Thema)
Behandlung eines verheirateten EU-Bürgers mit inländischen Einkünften als unbeschränkt steuerpflichtig. absolute Wesentlichkeitsgrenze. Verdoppelung des Grundfreibetrags. zweistufige Einkünfteermittlung
Leitsatz (redaktionell)
1. Für die Frage, ob ein im EU-Ausland wohnender Steuerpflichtiger, der inländische Einkünfte erzielt und dessen Gesamteinkünfte nicht mindestens zu 90 % der deutschen Besteuerung unterlegen haben, gem. § 1 Abs. 3 S. 2 Alt. 2 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig zu behandeln und mit seiner Ehefrau zusammen zu veranlagen ist, ist entscheidend, dass die gemeinsamen, nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte der Eheleute den doppelten Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG nicht übersteigen.
2. Es ist nicht Voraussetzung für die Anwendung des § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG, dass der Steuerpflichtige selbst als unbeschränkt steuerpflichtig nach § 1 Abs. 3 EStG zu behandeln ist; die Einkunftsgrenzen des § 1 Abs. 3 Satz 2 und des § 1a Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG sind nicht nacheinander gesondert zu prüfen.
3. Die Einkünfteermittlung nach § 1 Abs. 3 S. 2 EStG vollzieht sich in zwei Stufen. Zunächst ist in einem ersten Schritt die Summe aller inländischen und ausländischen Einkünfte, d. h. der Welteinkünfte, zu ermitteln. Diese sind sodann in einem zweiten Schritt in die Einkünfte, die der deutschen Einkommensteuer unterliegen, und die Einkünfte, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, aufzuteilen.
Normenkette
EStG § 1 Abs. 3-4, § 1a Abs. 1 Nr. 2 S. 3, § 26 Abs. 1 S. 1, § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1; AEUV Art. 45
Nachgehend
Tenor
Der Einkommensteuerbescheid für 2009 vom … in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, den Kläger als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig zu behandeln und ihn zusammen mit seiner Ehefrau zu veranlagen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruches des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf … EUR festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist die Veranlagung des Klägers als beschränkt einkommensteuerpflichtig.
Der am … geb. Kläger besitzt, ebenso wie seine am … geb. Ehefrau, die österreichische Staatsbürgerschaft. Beide haben ihren gemeinsamen Wohnsitz in Österreich.
Der Kläger bezog ab dem … von der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) eine Leibrente i.S.d. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a) Doppelbuchstabe aa) Einkommensteuergesetz (EStG). Im Jahr 2009 betrug diese 16.119,36 EUR.
Daneben bezog der Kläger ab dem … von der Pensionskasse der in der Deutschland ansässigen xy-AG Leistungen gem. § 22 Nr. 5 EStG. Die von der Pensionskasse ausweislich ihrer Rentenbezugsmitteilung gezahlte Betriebsrente für 2009 betrug 10.102,56 EUR. Sie setzte sich aus drei Einzelpositionen zusammen: (1) 1.758,48 EUR gem. § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG; (2) 8.145,84 EUR gem. § 22 Nr. 5 Satz 2 Buchstabe a) EStG i.V.m. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a) Doppelbuchstabe bb) EStG; (3) 198,24 EUR gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a) Doppelbuchstabe bb) Satz 5 EStG i.V.m. § 55 Abs. 2 Einkommensteuerdurchführungsverordnung (EStDV). Darüber hinaus waren in der Rentenbezugsmitteilung keine Angaben zu weiteren Zahlungen enthalten. Die Pensionskasse der xy-AG teilte dem Kläger in der „Jahresverdienstbescheinigung 2009 für Rentenbezieher mit Wohnsitz in Österreich zur Vorlage beim österreichischen Wohnsitzfinanzamt” vom 04.02.2010 mit, dass er neben den vorgenannten Bezügen zusätzliche Bezüge i.H.v. 361,68 EUR aufgrund einer für den Arbeitnehmer beitragsfreien, ausschließlich rückstellungsfinanzierten Versorgungszusage des Arbeitgebers gem. § 19 Abs. 2 EStG erhalten habe. Die Versorgungszusage wurde ab dem 01.10.2008 gezahlt. Insgesamt betrug das von der Pensionskasse der xy-AG bezogene Jahresbrutto-Einkommen des Klägers 10.464,24 EUR.
Schließlich erhielt der Kläger von der österreichischen Pensionsversicherungsanstalt für 2009 Bruttobezüge i.H.v. 11.798,97 EUR, von denen nach der entsprechenden Bezugsmitteilung in Österreich 9.603,95 EUR steuerpflichtig seien.
Die Ehefrau des Klägers erzielte 2009 keine Einkünfte.
Das österreichische Finanzamt veranlagte den Kläger 2009 zur Einkommensteuer unter Ansatz der österreichischen Rente i.H.v. 9.603,95 EUR und eines Teils der von der Pensionskasse der xy-AG erhaltenen Bezüge i.H.v. 5.743,26 EUR, zusammen 15.347,21 EUR. Die Leibrente der DRV wurde lediglich bei der Ermittlung des Steuersatzes berücksichtigt. In dem österreichischen Steuerbescheid waren persönliche Verhältnisse des Klägers mit Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen berücksichtigt worden. Außerdem wirkte sich ein „Alleinverdienerabsetzbetrag” steuermindernd aus. Die öst...