rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesonderte und einheitliche Feststellung der in einem Betrieb ruhenden stillen Reserven. von Anfang an fehlende Gewinnerzielungsabsicht. Feststellungsfrist

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wurden für einen Betrieb, der von Anfang an ohne Gewinnerzielungsabsicht betrieben wurde, gewerbliche Verluste erklärt und bestandskräftig festgestellt, ist die erstmalige Berücksichtigung der Liebhaberei mit einem Strukturwandel gleichzusetzen.

2. Für die Feststellungsfrist hinsichtlich der in dem Betrieb im Zeitpunkt des Strukturwandels ruhenden stillen Reserven ist dasjenige Kalenderjahr maßgeblich, in dem der Übergang zur Liebhaberei erfolgt ist. Auf den Zeitpunkt der Aufdeckung der stillen Reserven kommt es nicht an.

3. Die Vorschrift des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO gilt auch für diejenigen Fälle, in denen der Steuerpflichtige nicht unmittelbar kraft Gesetzes, sondern infolge einer Aufforderung des Finanzamts verpflichtet ist, eine Feststellungserklärung abzugeben.

 

Normenkette

AO § 179 Abs. 2 S. 2, § 181 Abs. 5 S. 2, § 170 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 1; VO zu § 180 Abs. 2; AO § 3 Abs. 1; VO zu § 8; EStG § 15 Abs. 2 S. 1

 

Tenor

Der Feststellungsbescheid vom 16.12.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.06.2019 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren durch den Kläger wird für notwendig erklärt.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert beträgt EUR 200.000.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Feststellung stiller Reserven beim Übergang zur Liebhaberei.

1.

Der Kläger und seine Ehefrau waren vom 01.09.1999 bis zum 30.04.2012 die Gesellschafter der A..

Der im Jahr 1947 geborene Kläger kaufte das B., das bis zum Jahr 1945 im Eigentum seiner Familie gestanden hatte, im Jahr 1996 und 1998 von der Treuhandanstalt. Zusammen mit seiner Ehefrau gründete er die A., die auf dem Anwesen ein Hotel betrieb. Für die Jahre bis 2006 erklärte die GbR Verluste, die durch das Finanzamt antragsgemäß festgestellt wurden. Die entsprechenden Bescheide ergingen nicht nur vorläufig (§ 165 Abgabenordnung –AO–) und wurden bestandskräftig. Zuletzt erging in diesem Rahmen der Feststellungsbescheid für 2006 vom 12.01.2009. In denselben Jahren erzielte der Kläger Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit als Arzt.

Für die Jahre 2007 und 2008 vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass die GbR ohne Gewinnerzielungsabsicht tätig sei. Für das Jahr 2007 schätzte das Finanzamt die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit Bescheid vom 20.05.2009 auf EUR 7.500, nachdem keine Feststellungserklärung abgegeben worden war. Für das Jahr 2008 stellte das Finanzamt die Einkünfte aus Gewerbebetrieb durch Bescheid vom 15.11.2010 mit EUR 0,00 fest, da nach derzeitiger Aktenlage keine Gewinnerzielungsabsicht bestehe. Der Bescheid war nach § 165 Abs. 1 S. 1 und 2 AO vorläufig, da die Gewinnerzielungsabsicht zur Zeit nicht abschließend beurteilt werden könne. Auf die Einsprüche der GbR hob das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 08.11.2012 die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung für die Jahre 2007 und 2008 auf und wies die Einsprüche als unbegründet zurück. Die GbR habe in den beiden Jahren keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt, da keine Gewinnerzielungsabsicht vorgelegen habe.

Im Jahr 2012 wurde die GbR aufgelöst. Frau C. übertrug mit Scheidungsfolgenvereinbarung vom 15.05.2012 ihren Gesellschaftsanteil für EUR 1 an den Kläger.

Der Kläger als Rechtsnachfolger der GbR erhob Klage gegen die Bescheide für die Jahre 2007 und 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08.11.2012. Er machte geltend, dass die GbR entgegen der Auffassung des Finanzamts sehr wohl in der Absicht gehandelt habe, Gewinn zu erzielen.

Das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern wies die Klage mit Urteil vom 16.12.2015 (3 K 453/12) ab. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass in den Streitjahren 2007 und 2008 keine Gewinnerzielungsabsicht vorgelegen habe. Darüber hinaus habe die damalige GbR von Anfang an ohne Gewinnerzielungsabsicht gehandelt. Das Unternehmen sei „ohne Gewinnerzielungsabsicht begonnen und aufrechterhalten” worden (Urteil vom 16.12.2015 Blatt 21).

Diese Schlussfolgerung zog das Gericht aus einer Reihe von Indizien: Es seien von Anfang an hohe Verluste erzielt worden; und eine Veränderung sei in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Das Unternehmen sei ohne betriebswirtschaftliches Konzept begonnen worden; insbesondere habe zu Beginn der Tätigkeit im Jahr 1999 kein Anfangskonzept vorgelegen. Fachliche Kenntnisse zur Führung eines Hotel- und Gastronomiebetriebes seien bei dem Kläger und seiner Frau nicht vorhanden gewesen. In den Streitjahren und vorher habe es keine Bemühungen gegeben, das Entste...

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