Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Neuregelung der Entfernungspauschale ab 2007 verfassungskonform
Leitsatz (redaktionell)
Die gesetzliche Neuregelung der für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte geltenden Entfernungspauschale durch das Steueränderungsgesetz 2007 (u.a. Beginn der steuerrechtlich erheblichen Berufssphäre erst am Werkstor, Wegfall der Abzugsmöglichkeit für die ersten 20 Entfernungskilometer) ist verfassungskonform; sie verletzt insbesondere nicht das verfassungsrechtlich geschützte Existenzminimum und verstößt weder gegen das nur für Erwerbsaufwendungen anwendbare objektive Nettoprinzip im Einkommensteuerrecht noch gegen Art. 6 Abs. 1 GG (gegen Beschluss des Niedersächsischen Finanzgerichts v. 22.3.2007, 8 K 549/06).
Normenkette
EStG 2007 § 9 Abs. 2 Sätze 1-2, § 32a Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert beträgt 1.000,00 EUR.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen des Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahrens streitig, in welchem Umfang Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte steuermindernd zu berücksichtigen sind.
Der ledige Kläger ist als technischer Sachbearbeiter bei der … AG angestellt. Aus diesem Beschäftigungsverhältnis bezieht er Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Kläger ist unter der Anschrift … in N. wohnhaft, und seine regelmäßige Arbeitsstätte befindet sich in der … in P..
Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) trug am 04. November 2005 auf der Lohnsteuerkarte des Klägers für das Jahr 2006 einen steuerfreien Jahresbetrag in Höhe von 4.255,00 EUR ein. Mit seinem vereinfachten Antrag auf Lohnsteuer-Ermäßigung vom 07. November 2006 begehrte der Kläger für das Jahr 2007 einen steuerfreien Jahresbetrag in gleicher Höhe.
Er hob dabei hinsichtlich der Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte auf eine Entfernungspauschale von 0,30 EUR pro Entfernungskilometer ab; den begehrten Freibetrag ermittelte der Kläger wie folgt:
– 230 Fahrten × 75 km × 0,30 EUR: |
5.175,00 EUR |
– abzüglich Werbungskosten-Pauschbetrag: |
./.920,00 EUR |
Unterschiedsbetrag: |
4.255,00 EUR. |
Unterschiedsbetrag: 4.255,00 e.
Mit Bescheid vom 09. November 2006 gewährte das FA dem Kläger einen Freibetrag in Höhe von 2.875,00 e, der sich nach den Erläuterungen des Bescheides wie folgt errechnet:
– 230 Fahrten × 55 km × 0,30 EUR: |
3.795,00 EUR |
– abzüglich Werbungskosten-Pauschbetrag: |
./. 920,00 EUR |
Unterschiedsbetrag: |
2.875,00 EUR |
Im Übrigen lehnte das FA den Antrag ab. Zur Begründung führte es aus, dass für das Jahr 2007 Fahrten zwischen Wohnung und Arbeit erst ab dem 21. Kilometer berücksichtigt werden könnten.
Der Kläger hat am 30. November 2006 Klage erhoben. Er macht geltend, in eheähnlicher Gemeinschaft zu leben. Zusammen mit seiner Lebensgefährtin, die als Ärztin in N… beschäftigt sei, habe er ein Kind im Alter von fünf Jahren. Wegen Umstrukturierungen bei der … AG sei damit zu rechnen, dass er, der Kläger, einer anderen Arbeitsstätte zugewiesen werde. Der Kläger ist der Ansicht, dass § 9 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der durch das Steueränderungsgesetz (StÄndG) 2007 vom 19. Juli 2006 (BGBl I 2006, 1652, BStBl I 2006, 432) eingeführten Fassung, durch das der Gesetzgeber das sog. Werkstorprinzip eingeführt habe, den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes – GG –) verletze und damit verfassungswidrig sei. Nach dem Gleichbehandlungsgebot habe sich die Einkommensbesteuerung grundsätzlich an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu orientieren, die nach dem objektiven Nettoprinzip zu ermitteln sei. Hiernach unterliege der Besteuerung nur der disponible Teil des Einkommens, nicht dagegen die im Zusammenhang mit dem Beruf bzw. dem Betrieb entstehenden Erwerbsaufwendungen, zu denen auch die Aufwendungen für Fahrten zur Arbeitsstätte bzw. zum Betrieb gehörten. Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe in seinem Beschluss vom 04. Dezember 2002 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00 (BStBl II 2003, 534, BVerfGE 107, 27) zum Ausdruck gebracht, dass diese Aufwendungen abziehbare Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten darstellten. Im Übrigen verstoße § 9 Abs. 2 EStG in der zum 01. Januar 2007 eingeführten Fassung gegen Art. 6 Abs. 1 GG, weil der Gesetzeswortlaut dazu geeignet sei, in den sog. Doppelverdiener-Fällen die Entscheidung der Ehegatten über die Aufgabenverteilung in der Ehe einzuschränken. Der Kläger begehrt, das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG einzuholen.
Der Kläger beantragt,
abweichend vom Bescheid vom 09. November 2006 auf der Lohnsteuerkarte des Klägers für das Jahr 2007 einen weiteren steuerfreien Jahresbetrag in Höhe von 1.380,00 EUR einzutragen,
Das FA beantragt,
die Klage abzuwe...