Entscheidungsstichwort (Thema)
Abschirmende Wirkung des Veranlassungsprinzips bei unangemessenen Aufwendungen gegenüber dem ideellen Bereich einer gemeinnützigen Körperschaft. Verlust der Gemeinnützigkeit wegen schädlicher Mittelverwendung. Aussetzung der Vollziehung in Sachen. Umsatzsteuer 1995, 1996 und 1999. Körperschaftsteuer 1999. Gewerbesteuermessbetrag 1999
Leitsatz (redaktionell)
1. Ausgaben eines neben dem ideellen Bereich der Förderung der Traberzucht ein als wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb anzusehendes Totalisatorunternehmen unterhaltenden Vereins, die ausschließlich durch den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb veranlasst und bei dessen Gewinnermittlung abzuziehen sind bzw. wegen Unangemessenheit den Gewinn nicht mindern dürfen, führen nicht zur Versagung der Gemeinnützigkeit.
2. Beauftragt ein gemeinnütziger Verein seinen Präsidenten im Rahmen eines Vertrages mit der Organisation und Leitung der Pressearbeit, führen geleistete Zahlungen zu einer der Gemeinnützigkeit entgegenstehenden schädlichen Mittelverwendung, wenn der Nachweis unterbleibt, dass der Abschluss des Vertrages erforderlich und wirtschaftlich sinnvoll war und welche konkrete Leistung entlohnt wurde.
Normenkette
KStG § 5 Abs. 1 Nr. 9, § 8 Abs. 1; GewStG § 3 S. 1 Nr. 6; AO 1977 § 14 Abs. 1, § 55 Abs. 1 S. 1; EStG § 4 Abs. 4, 1
Nachgehend
Tenor
1. Der Bescheid über Umsatzsteuer 1995 wird insoweit von der Vollziehung ausgesetzt, als die Änderungen im angefochtenen Bescheid vom 19. September 2003 auf die Aberkennung der Gemeinnützigkeit zurückzuführen ist
2. Die Bescheide über Körperschaftsteuer 1999 und über den Gewerbesteuermessbetrag 1999 werden insoweit von der Vollziehung ausgesetzt, als in den angefochtenen Schätzungsbescheiden vom 30. September 2003 i. d. F. der Änderungsbescheide vom 16 März 2004 die Auswirkungen einer Gewerbesteuerrückstellung noch zu berücksichtigen ist
3. Die Verwirkung angefallener Säumniszuschläge wird insoweit aufgehoben, als sie auf die ausgesetzten Betrage entfallen
4. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt
5. Dem Antragsgegner wird aufgegeben, die Teilbeträge der Aussetzung der Vollziehung zu berechnen
6. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu 2/3tel und der Antragsgegner zu 1/3tel zu tragen Der Beschluss ist im Kostenpunkt für den Antragsteller vorläufig vollstreckbar Der Antragsgegner darf durch Sicherheitsleistung in Hohe der zu erstattenden Kosten des Antragstellers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Antragsteller vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Hohe leistet
7. Die Beschwerde zum Bundesfinanzhof wird zugelassen
Tatbestand
I.
Der seit dem 26 September 1902 im Vereinsregister bei dem Amtsgericht … unter Nr. … eingetragene Antragsteller ist ein Verein, dessen satzungsmäßiger Zweck die Forderung der Traberzucht, insbesondere durch Veranstaltungen von Trabrennen nach den Regeln der vom Hauptverband für Traberzucht und Rennen e. V. herausgegebenen Trabrennverordnung und nach Maßgabe der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für den Betrieb eines Totalisator-Unternehmens ist Wegen Forderung der Tierzucht war der Antragsteller bis einschließlich 1992 als gemeinnützig anerkannt
Für die Besteuerungszeiträume ab 1993 hat der Antragsgegner (das Finanzamt –FA–) zunächst die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) nicht mehr gewahrt, das Finanzamt ging nach einer im Zeitraum von März 1999 bis Mai 2003 durchgeführten Betriebsprüfung davon aus, dass Mittel des steuerbegünstigten, gemeinnützigen Bereichs nicht sachgerecht für Satzungszwecke verwendet worden seien
Der Antragsteller habe anlässlich von Rennveranstaltungen in München Übernachtungskosten für Pferdebesitzer, Fahrer, Pfleger und Gäste getragen, die im Einzelfall den für eine gemeinnützige Körperschaft als angemessen anzusehenden Rahmen überstiegen hatten So seien in Einzelfällen Zimmerpreise bis zu 1 500 DM pro Nacht bezahlt worden, angemessen seien jedoch für die Jahre 1993 bis 1996 lediglich 250 DM pro Nacht gewesen Unangemessen sei es auch, dass der Antragsteller in Einzelfallen Hotelstomokosten übernommen habe Die von dem Antragsteller im Rahmen der Prüfung vorgelegten Bewirtungsbelege hatten zum Teil materielle Mangel aufgewiesen, so dass eine betriebliche Veranlassung bzw ein Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb „Totalisatorunternehmen” nicht hatte überprüft werden können Ferner seien im Einzelfall unangemessen hohe Bewirtungskosten aufgewendet worden Das Finanzamt sah insoweit eine schädliche Mittelverwendung ab einer Bewirtung von 100 DM pro Person für die Jahre 1993 bis 1996 als gegeben an, die von dem Antragsteller getragenen Bewirtungskosten hatten in den genannten Jahren aber bis zu 368,48 DM pro Person betragen Als unangemessen sah es das Finanzamt ferner an, dass der Antragsteller den „Begrüßungs-Champagner” auf den Hotelzimmern von Gästen übernommen hatte und hi...