Entscheidungsstichwort (Thema)
GSA Fleisch. Finanzrechtsweg
Leitsatz (redaktionell)
1. Für die begehrte vorläufige Feststellung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, dass die Antragstellerin die Vorgaben des § 6a des Gesetzes zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft (GSA Fleisch) nicht einhalten müsse, weil sie kein Betrieb der Fleischwirtschaft sei, ist nicht der Finanzrechtsweg, sondern der Verwaltungsrechtsweg gegeben.
2. Insbesondere liegt keine öffentlich-rechtliche Streitigkeit über Verwaltungshandeln der Behörden der Zollverwaltung im Sinne von § 23 SchwarzArbG vor.
3. Werden verschiedene Streitgegenstände, für die unterschiedliche Rechtswege eröffnet sind, als Haupt- und Hilfsantrag miteinander verknüpft, ist in dem für den Hauptanspruch zuständigen Rechtsweg zunächst nur über den Hauptanspruch zu entscheiden.
Normenkette
FGO § 33 Abs. 1 Nr. 4, § 114 Abs. 2; GSA Fleisch § 2 Abs. 1, § 6a Abs. 2, § 6b Abs. 2; SchwarzArbG § 23; GVG § 17a; VwGO § 40 Abs. 1 S. 1
Tenor
1. Der Rechtsweg zu den Finanzgerichten ist nicht eröffnet.
2. Der Rechtsstreit wird an das Verwaltungsgericht (…) verwiesen.
3. Die Beschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Feststellung, dass sie die Vorgaben des § 6a des Gesetzes zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft (GSA Fleisch) nicht einhalten müsse, weil sie kein Betrieb der Fleischwirtschaft sei. Fraglich ist, auf welchem Rechtsweg dieses prozessuale Begehren zu verfolgen ist.
Die in der Rechtsform einer (…) geführte, nicht tarifgebundene Antragstellerin unterhält in (…) einen Betrieb zur Herstellung von Lebensmitteln. (…)
Das (…) m² große Betriebsgebäude wird für die Bereiche Wareneingang, Kühlräume, Fleischverarbeitung/Veredelung, Rauchen/Kochen, Nebenfläche Produktion, Verpackung rein, Verpackung unrein, Bereitstellung/Versand, Technik, Sozialräume/Verwaltung, Verkehrsflächen, Klimareife und Kommissionierung genutzt.
Im Jahr 2020 beschäftigte die Antragstellerin in ihrem Betrieb im Durchschnitt (…) Mitarbeiter sowie (…) Leiharbeitnehmer. Eine Beschäftigung von Fremdpersonal im Rahmen von Werkverträgen fand nicht statt. Im Zeitraum 1. Januar bis 30. Juni 2021 belief sich die Zahl auf durchschnittlich (…) eigene Mitarbeiter sowie durchschnittlich (…) Leiharbeitnehmer, die ausschließlich im Versand beschäftigt waren.
Am 13. Juli 2021 erhob die Antragstellerin Klage (Az: 14 K 1513/21), mit der sie im Wesentlichen die Feststellung begehrt, dass ihr Betrieb kein zur Fleischwirtschaft gehörender Betrieb i.S.v. § 2 Abs. 1 GSA Fleisch sei und sie somit nicht den in § 6a Abs. 2 GSA Fleisch normierten Einschränkungen des Einsatzes von Fremdpersonal unterliege. Über die Klage ist noch nicht entschieden.
Ebenfalls am 13. Juli 2021 beantragte die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Anordnung für die Zeit bis zur Entscheidung in der Hauptsache. Für die Zeit bis zur Entscheidung über die einstweilige Anordnung beantragte sie außerdem den Erlass einer Zwischenentscheidung, mit der dem Antragsgegner (dem Hauptzollamt – HZA) vorläufig untersagt werden sollte, die Einhaltung der Vorgaben des § 6a GSA Fleisch zu prüfen und eventuelle Verstöße gegen § 6a GSA Fleisch zu ahnden.
Zur Frage, ob für die beantragte einstweilige Anordnung der Rechtsweg zu den Finanzgerichten eröffnet sei, verweist die Antragstellerin auf § 33 Abs. 1 Nr. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO), § 6b Abs. 2 GSA Fleisch und § 23 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz – SchwarzArbG). Da § 23 SchwarzArbG weitergehend als die Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs 155/04) von „Verwaltungshandeln” spreche, habe der Gesetzgeber nicht nur förmliches Verwaltungshandeln der Zollbehörden durch Verwaltungsakt, sondern alle Arten des Verwaltungshandelns und damit auch schlichtes Verwaltungshandeln der Finanzgerichtsbarkeit zugewiesen. Ein Verwaltungshandeln als solches sei bereits mit der Einlassung der Fachaufsichtsbehörde der Zollbehörden, des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 13. April 2021 gegeben. Dort habe der für die Zollverwaltung und die Finanzkontrolle Schwarzarbeit zuständige Staatssekretär erklärt, dass das BMF in Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) die Rechtsauffassung vertrete, dass der Anwendungsbereich des GSA Fleisch bei der Fleischverarbeitung bis zum Abschluss der für die Versandfähigkeit erforderlichen Verpackung („Kartonierung”) reiche und nicht bereits mit der Primärverpackung der Fleischprodukte ende. Ein weiteres – schlichtes – Verwaltungshandeln sei in den Einlassungen des Antragsgegners im vorliegenden Verfahren 14 V 1515/21 und im Hauptsacheverfahren 14 K 1513/21 zu erkennen. Dessen Stellungnahmen belegten, dass auch der Antragsgegner von einem „weiten Verständnis” des Verpackungsbegriffs ausgehe und dieses Verständnis seinem Prüfungshandeln zugrunde legen werde. Für die Geltung des in § ...