rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld für im Ausland lebende Kinder. Wohnsitz des Kindes. Festsetzungsfrist für Kindergeld

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Beginn der Festsetzungsfrist für das Kindergeld wird nicht nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO hinausgeschoben, wenn der Kindergeldberechtigte es unterlassen hat, die Familienkasse über die Änderung der für das Kindergeld maßgebenden Verhältnisse zu informieren.

2. Werden Kinder eines ausländischen Staatsangehörigen im Alter von ca. 7 Jahren zu ihren Großeltern für die Dauer von fünf bis neun Jahre ins Ausland verbracht, um dort die Schule zu besuchen, so haben sie auch dann keinen inländischen Wohnsitz, wenn sie die Sommerferien und einen weiteren Ferienaufenthalt bei ihren Eltern im Inland verbringen.

 

Normenkette

FGO § 142; ZPO § 114; AO §§ 8, 169, 170 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 1; EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1

 

Tenor

1. Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe für das Verfahren 9 K 2906/06 gewährt, soweit die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für die Kinder … und … für den Zeitraum bis einschließlich Dezember 2001 angefochten ist.

2. Zahlungen der Antragstellerin (§ 120 ZPO) werden nicht festgesetzt.

3. Der Antragstellerin wird Rechtsanwältin … beigeordnet.

 

Tatbestand

I.

Die verheiratete Antragstellerin bezog für ihre Kinder S, geboren am … 1992, J, geboren am …r 1994, A, geboren am … 1996 und N, geboren am… 1999, Kindergeld. Der Ehemann der Antragstellerin ist syrischer Staatsangehöriger. Jeweils ab dem Beginn ihrer Schulpflicht (S im Oktober 1999, J im Oktober 2001, A im Oktober 2003 und N im Oktober 2005) hielten sich die Kinder in Syrien auf, wo sie eine Privatschule besuchen und im Haushalt ihrer Großeltern untergebracht sind. Nach Angaben der Antragstellerin ist geplant, dass S und J nach der neunten Klasse und A und N nach der fünften Klasse ihre Ausbildung in Deutschland fortsetzten.

Mit Schreiben vom 4. August 2005 teilte die Antragstellerin der Familienkasse den Aufenthalt der Kinder in Syrien mit. Die Familienkasse hob mit Bescheid vom 23. März 2006 die Kindergeldfestsetzungen mit Wirkung ab Oktober 1999 für S, ab Oktober 2001 für J, ab Oktober 2003 für A und ab Oktober 2005 für N auf mit der Begründung, die Kinder hätten mit Beginn der Schulausbildung in Syrien ihren Wohnsitz in Deutschland bzw. in einem der in § 63 Abs. 1 Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG) genannten Länder aufgegeben und hätten dort auch keinen gewöhnlichen Aufenthalt. Den dagegen eingelegten Einspruch, der damit begründet wurde, die Kinder hätten ihren inländischen Wohnsitz beibehalten, wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 19. Juni 2006 als unbegründet zurück. Hiergegen hat die Antragstellerin Klage erhoben (Az. 9 K 2906/06). Sie beantragt, ihr für das anhängige Klageverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihr die Prozessbevollmächtigte beizuordnen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der Antrag hat teilweise Erfolg. Der Antragstellerin ist für das Hauptsacheverfahren insoweit Prozesskostenhilfe zu gewähren, als die Aufhebung der Kindergeldfestsetzungen für die Kinder S und J für den Zeitraum bis Dezember 2001 angefochten ist.

Gemäß § 142 Finanzgerichtsordnung (FGO) in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ergibt die Erfolgsprüfung, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung nur teilweise Erfolg verspricht, ist Prozesskostenhilfe nur zur Geltendmachung dieser beschränkt erfolgsversprechenden Rechtsverfolgung zu bewilligen (Bundesfinanzhof – BFH – Beschluss vom 6. April 1990 III S 5/88, BFH/NV 1991, 56).

1. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat hinreichende Aussicht auf Erfolg, soweit sich die im Hauptsacheverfahren erhobene Klage dagegen richtet, dass die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung für das Kind S für den Zeitraum Oktober 1999 bis einschließlich Dezember 2001 und für das Kind J für den Zeitraum Oktober 2001 bis Dezember 2001 aufgehoben hat, da insoweit erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Aufhebungen erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist erfolgt sind.

Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) darf die Festsetzung einer Steuervergütung – als solche gilt auch das Kindergeld, vgl. § 31 Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG) – nach Ablauf der Festsetzungsfrist nicht mehr aufgehoben werden. Die Festsetzungsfrist für Steuervergütungen beträgt vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO), bei Steuerhinterziehung (§ 370 AO) zehn Jahre und bei leichtfertiger Steuerverkürzung (§ 378 AO) fünf Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO).

Nach § 170 Abs. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer (hier das Kindergeld als Steuervergütung) entstanden ist. Da das Kindergeld nach § 66 Abs. 1 EStG mo...

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