rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufteilung eines Einkommensteuer-Erstattungsanspruchs zwischen zusammenveranlagten, dauernd getrennt lebenden Ehegatten
Leitsatz (redaktionell)
1. Für die Ermittlung des erstattungsberechtigten Ehegatten muss darauf abgestellt werden, für wessen Rechnung der Steuerbetrag gezahlt worden ist.
2. Ist im Zeitpunkt der Zahlung die bestehende Willensrichtung des zahlenden Ehegatten für das Finanzamt nicht erkennbar, kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass jeder Gesamtschuldner nur seine eigene Steuerschuld tilgen will.
3. Bei Eheleuten, die nicht dauernd getrennt voneinander leben, wird mangels entgegenstehender ausdrücklicher Absichtsbekundungen aufgrund der zwischen den Eheleuten bestehenden Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft vermutet, dass jeder der Ehegatten mit seiner Zahlung auch die Steuerschuld des anderen mit ihm zusammenveranlagten Ehepartners begleichen will.
3. War dem Finanzamt bekannt, dass die Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen den Ehegatten nicht mehr besteht und dass wegen des dauernden Getrenntlebens grundsätzlich keine Zusammenveranlagung mehr für das Streitjahr möglich war, bestand zum Zahlungszeitpunkt auch kein Umstand mehr, aufgrund dessen das FA davon ausgehen konnte, dass ein Ehegatte gemeinsame Schulden tilgen wollte.
Normenkette
AO § 218 Abs. 2, § 37 Abs. 2, § 44 Abs. 1; EStG § 37 Abs. 1, § 36 Abs. 2 Nr. 1
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin (ASt) lebt seit November 2003 von ihrem Ehemann (E) getrennt. Zum 1. Juni 2004 hat die ASt bei der Gemeinde einen Gewerbebetrieb angemeldet.
Zur Einkommensteuer 2002 wurden die ASt und E zusammen veranlagt (unter Steuernummer […] 76). Im Einkommensteuerbescheid 2002 vom 28. Oktober 2003 setzte das FA gegenüber E und der ASt für das Jahr 2004 vierteljährliche Vorauszahlungen zur Einkommensteuer in Höhe von 2.570 EUR und zum Solidaritätszuschlag von 91 EUR fest. Die Vorauszahlungen für das Jahr 2004 wurden vom FA von einem Girokonto, das allein dem E zustand, abgebucht.
Mit Einkommensteuerbescheid 2004 vom 6. Juli 2005 wurde die ASt alleine zur Einkommensteuer veranlagt (unter Steuernummer […] 89). Das Finanzamt (FA) setzte gegenüber der ASt die Einkommensteuer – ebenso wie den Solidaritätszuschlag hierzu – auf 0 EUR fest. Eine Anrechnung von Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer und den Solidaritätszuschlag erfolgte nicht.
Mit Schreiben vom 8. Juli 2005 rügte die ASt, dass vom FA nicht berücksichtigt worden sei, dass sie und E unter der gemeinsamen Steuernummer Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer 2004 (von 10.280 EUR) und den Solidaritätszuschlag 2004 (von 364 EUR) geleistet hätten und dass die Vorauszahlungen hälftig auf sie und auf E zu verteilen seien. Bei Anrechnung der Hälfte der Vorauszahlungen würde sich für sie ein entsprechender Erstattungsbetrag von 5.322 EUR (5.140 EUR + 182 EUR) ergeben.
Mit Abrechnungsbescheid vom 21. Juli 2005 stellte das FA fest, dass auf die festgesetzte Einkommensteuer der ASt für 2004 und den Solidaritätszuschlag hierzu keine Vorauszahlungen anzurechnen seien. Denn dem FA sei bereits aufgrund einer persönlichen Vorsprache des Prozessbevollmächtigten der ASt am 13. November 2003 bekannt gewesen, dass die ASt und E getrennt leben würden. Somit sei zum Zeitpunkt der Zahlung dem FA erkennbar gewesen, dass die Zahlungen nicht für Rechnung beider Ehegatten erfolgen sollten, sondern allein für E. Damit würde eine hälftige Aufteilung der geleisteten Vorauszahlungen auf die ASt und auf E ausscheiden. Deshalb würde sich auch kein Erstattungsbetrag zugunsten der ASt ergeben. Der dagegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 11. Mai 2006).
Dagegen richtet sich die Klage (Az.: 13 K […] 1/06). Der ASt stehe aus der Einkommensteuerveranlagung 2004 ein Erstattungsanspruch von 5.322 EUR (einschließlich Solidaritätszuschlag) zu und dieser Erstattungsanspruch sei in dem angefochtenen Abrechnungsbescheid auszuweisen. E habe keine ausdrückliche Tilgungsbestimmung getroffen und auf den Zahlungsträgern seien auch keine weiteren Vermerke über die Zuordnung der Zahlungen vorgenommen worden. Die Vorauszahlungen seien alle auf die gemeinsame Steuernummer geleistet worden und nur dies sei dem FA erkennbar gewesen. Hätte E erkennbar nur auf seine eigene Steuerschuld aufgrund seiner eigenen Einkünfte leisten wollen, hätte er zumindest eine eigene neue Steuernummer beantragen müssen.
Das FA ist der Auffassung, dass die Klage unbegründet sei. Es würden Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass E nur auf seine eigene Steuerschuld habe leisten wollen. Die von der ASt angeführte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) würde nur Fälle betreffen, in denen die Voraussetzungen der Zusammenveranlagung zum Zahlungszeitpunkt vorgelegen hätten.
Die Antragstellerin beantragt,
für das vorstehende Klageverfahren (Az.: 13 K […] 1/06) Prozesskostenhilfe zu gewähren und den Prozessbevollmächtigten als Rechtsbei...