Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorläufiger Rechtsschutz gegen Abzweigungsverfügung im Kindergeldrecht
Leitsatz (redaktionell)
Gegen eine Abzweigungsverfügung nach § 74 Abs. 1 Satz 4 EStG, mit der das Kindergeld an die den Unterhalt gewährende Stelle abgezweigt wird, ist als vorläufiger Rechtsschutz Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 69 FGO und nicht Antrag auf einstweilige Anordnung nach § 114 FGO statthaft.
Normenkette
FGO §§ 114, 69; EStG § 74 Abs. 1 S. 4
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Mit Bescheid vom 19. Dezember 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 2006 ist das Kindergeld für die Kinder M (geboren am 3. Februar 2001) und S (geboren am 27. Juni 2006) des Antragstellers an die Stadt … abgezweigt worden. Die Kinder sind vollstationär auf Kosten der Stadt … in einem Heim untergebracht. Der Antragsteller ist von der Stadt … zu monatlichen Kostenbeiträgen verpflichtet worden. Gegen die betreffenden Verwaltungsakte hat der Antragsteller Widersprüche eingelegt.
Gegen den Abzweigungsbescheid vom 19. Dezember 2005 hat der Antragsteller im Hauptsacheverfahren, zu dem die Stadt … nach § 60 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) beigeladen wurde, Klage erhoben, über die der Senat noch nicht entschieden hat.
Den Antrag auf einstweilige Anordnung begründet der Antragsteller damit, dass nach Mitteilung der Stadt …, das Widerspruchsverfahren gegen die Kostenbeitragsbescheide noch nicht abgeschlossen sei. Da zu erwarten sei, dass sich die Widerspruchsverfahren sehr lange Zeit hinziehen würden und damit auch die nach seiner Auffassung rechtswidrige Kindergeldabzweigung lange Zeit andauern werde, sei eine einstweilige Anordnung notwendig.
Der Antragsteller beantragt,
im Wege der einstweiligen Anordnung die Wiederaufnahme der regelmäßigen, monatlichen Auszahlungen der beiden Kindergeldsätze an sich sowie die rückwirkende Auszahlung für den Zeitraum seit Oktober 2005.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag auf einstweilige Anordnung abzulehnen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag ist unzulässig.
1. Nach § 114 Abs. 5 FGO gelten die Vorschriften über die einstweilige Anordnung nach
§ 114 Abs. 1 bis 3 FGO nicht in den Fällen, in denen die Möglichkeit besteht, vorläufigen Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung nach § 69 FGO zu erreichen, d.h. § 114 FGO ist gegenüber § 69 FGO subsidiär.
Gegen die in Streit stehende Abzweigungsverfügung nach § 74 Abs. 1 Satz 4 Einkommensteuergesetz (EStG) ist jedoch vorläufiger Rechtsschutz im Wege der Aussetzung der Vollziehung nach § 69 FGO statthaft. Es handelt sich bei der Abzweigungsverfügung um einen Verwaltungsakt im Rahmen des Erhebungsverfahrens, in dem entschieden wird, ob ein anderer als der Kindergeldberechtigte einen Anspruch auf Auszahlung des festgesetzten Kindergeldes hat. Der Kindergeldanspruch als Rechtsgrund für die Zahlung bleibt unberührt (Urteil des Finanzgerichts München vom 24. Mai 2006 9 K 4733/02, juris). Da der Erlass der Abzweigungsverfügung zugunsten des Sozialleistungsträgers zum Wegfall einer bestehenden Rechtsposition des Kindergeldberechtigten führt, handelt es sich um einen vollziehbaren Verwaltungsakt, gegen den unter den Voraussetzungen des § 69 FGO Aussetzung der Vollziehung beantragt werden kann (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 6. Auflage, § 69 Rz. 55 „Kindergeldangelegenheiten” mit weiteren Nachweisen).
2. Eine Umdeutung des Antrags in einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung scheitert daran, dass ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei Gericht nach § 69 Abs. 4 FGO nur zulässig ist, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Der Antragsteller hat bei der Behörde jedoch keinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Fundstellen
Haufe-Index 1576198 |
NWB direkt 2006, 6 |