rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwaltungsvollstreckung in Forderungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Aufhebung der Vollziehung einer bereits vollzogenen Vollstreckungsmaßnahme gemäß § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO kann nicht angeordnet werden, wenn dadurch die Entscheidung in der Hauptsache ins Leere ginge.
2. Der Vergütungsanspruch eines Kassenzahnarztes ist als Vergütung für sonstige Dienstleistungen gemäß § 850 Abs. 2 ZPO anzusehen, wenn der Arzt durch die kassenärztliche Tätigkeit vollständig oder zu einem wesentlichen (nicht überwiegenden) Teil in Anspruch genommen ist.
3. Es kommt dabei nicht auf die objektive Erwerbsmöglichkeit, sondern auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit an.
4. Die monatlichen Abschlagszahlungen auf diesen Vergütungsanspruch stellen „fortlaufende Bezüge” dar und unterliegen den Pfändungsgrenzen des § 850c ZPO.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3, 2; AO §§ 309, 314, 319, 258; ZPO §§ 850, 850c, 851; BGB § 399
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom [xxx] Januar 2023 pfändete der Antragsgegner gegenüber der [Kassenzahnärztlichen Vereinigung … (KZVXX)] als Drittschuldner die Forderungen der Antragstellerin wegen Abgabenrückständen in Höhe von [… 2.500.000 EUR]. In der Drittschuldnererklärung vom […] Januar 2023 teilte die KZVXX dem Antragsgegner mit, dass Ansprüche anderer Personen hinsichtlich der gepfändeten Forderung nicht erhoben werden. Die KZVXX leistete aufgrund dieser Pfändungs- und Einziehungsverfügung an den Antragsgegner bisher Zahlungen in Höhe von [… 90.000 EUR] (drei Teilzahlungen in Höhe von […]). Gegen diese Pfändungs- und Einziehungsverfügung hat die Antragstellerin wiederholt (erstmals am 30. Januar 2023) Einwendungen erhoben.
Mit Schreiben vom 22. Mai 2023 und 19. Juni 2023 wendete sich die Antragstellerin an den Antragsgegner und forderte diesen auf, die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom [xxx] Januar 2023 aufzuheben und die bisher vereinnahmten Gelder unverzüglich an die KZVXX zurückzuzahlen. Den Antrag, die Pfändungs- und Einziehungsverfügung aufzuheben, begründete sie damit, dass eine unzumutbare Härte vorliege. Es könnten weder die Gehälter und Sozialabgaben noch die monatlichen Mieten für die Praxis bezahlt werden. Außerdem könnten die Leistungen des Dentallabors, mit dem seit Jahren zusammen gearbeitet werde, nicht bezahlt werden. Das Dentallabor habe in der Zeit von Januar bis April 2023 Rechnungen in Höhe von [… 50.000 EUR] gestellt. Außerdem sei die Pfändung auch deshalb rechtswidrig, weil die behaupteten Steuerrückstände in dieser Höhe nicht vorliegen würden. Die festgesetzte Einkommensteuer 2009 würde nämlich 0 EUR betragen, wenn die Verlustvorträge zum 31.12.2002 in Höhe von 1.305.942 EUR berücksichtigt werden würden. Auch sei der Verlustvortrag zum 31.12.2001 über 2.141.220 DM bisher unberücksichtigt geblieben. Bei der gepfändeten Forderung handele es sich um unpfändbares Fremdgeld und nicht um frei verfügbare Erträge. Außerdem beantragte die Antragstellerin beim Antragsgegner in diesem Schreiben die sofortige Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides für 2009.
Mit Schreiben vom 4. Juli 2023 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung sowie auf Aufhebung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung und auf Rückzahlung der von der KZVXX abgeführten Gelder ab.
Mit Schriftsatz vom 10. Juli 2023 wendete sich die Antragstellerin an das Finanzgericht (FG) und beantragte die Aufhebung der Vollziehung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Antragsgegners vom [xxx] Januar 2023. Unter Hinweis auf § 69 Finanzgerichtsordnung (FGO) lässt die Antragstellerin durch ihren Prozessbevollmächtigten vortragen, dass der Antragsgegner nicht berücksichtigt habe, dass die Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung eine unbillige Härte darstelle. Die KZVXX habe aufgrund dieser Pfändungs- und Einziehungsverfügung an den Antragsgegner bis zum 10. Juli 2023 Zahlungen in Höhe von [… 101.000EUR] geleistet, die sich aus den folgenden Beträgen zusammensetzen würden: [vier Teilzahlungen …]. Durch die Pfändung aller kassenzahnärztlichen Ansprüche seit Januar 2023 werde die wirtschaftliche Existenz ihrer seit […] bestehenden zahnärztlichen Praxis ruiniert. Das Dentallabor habe Leistungen im Vertrauen auf die sofortige Bezahlung nach der Erstattung durch die Kasse erbracht. Der Betrag, den das Dentallabor von der Antragstellerin für Leistungen von Januar bis April 2023 fordern könne, würde [… 50.000 EUR] betragen; dies sei dem Antragsgegner auch im Schreiben vom 19. Juni 2023 mitgeteilt worden. Außerdem könnten aufgrund der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom [xxx] Januar 2023 die folgenden weiteren Aufwendungen nicht bezahlt werden: Rechnungen des Dentallabors vom […] über [… 15.000 EUR], Lohnsteuer, Gehälter und Sozialabgaben in Höhe von [… 15.000 EUR] für Juni 2023 und die Praxismiete für Juni 2023 in Höhe von [… 4.000 EUR]....